Eine Pfeifentonstatuette der hl. Barbara (Länge noch 8.5 cm)

Begonnen von thovalo, 31. Juli 2022, 17:51:56

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thovalo




Moin!

Gestern fand ich diese noch sehr gut erhalten gebliebene Statuette der hl. Barbara, einer der Nothelferinnen. Der Kopf ist bereits alt abgebrochen und verloren. Die Figurine ist hervorragend erhalten geblieben und ganz im künstlerischen Stil ihrer Zeit ausgearbeitet worden. Wichtige Produktionsstätten für Pfeifentondevotionalen waren u.a. Utrecht in den Niederlanden, Köln und Augsburg. Aber auch an vielen anderen Orten dürften solche Figurinen, die zu Neujahr, zur Taufe, zum Namenstag oder zu Weihnachten verschenkt oder von Pilgerreisen mitgebracht wurden, produziert worden sein.

Die Legende um Matin Luther berichtet davon, dass Luther auf freien Feld in ein schweres Gewitter geriet und gelobte daß, wenn er lebend aus diesem Unwetter herauskommen würde, er als Mönch in den Augustinerorden eintreten würde. Und genau das tat er dann auch.

Die heilige Barbara war insbesondere im hohen und späten Mittelalter außerordentlich populär.
Erkennbar ist sie an dem Fundbeleg durch den Turm den die Figur in der Hand hält.
Vor ihrem Tod war sie in einen Turm eingesperrt.

Bemerlkenswerter weise gibt es aus der Fundregion den Bodenfund einer Statue aus Stein mit genau derselben Darstellung der ebenfalls der Kopf fehlt.

Stilistisch und der Fundsituation zufolge datiert dieser glückliche Fundbeleg in die Zeit um 1500.

https://www.heiligenlexikon.de/BiographienB/Barbara.htm


liebe Grüße
Thomas  :winke:


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

stratocaster

Toller Fund  :super:
Ergänzend noch der Hinweis, dass die hl. Barbara bis heute die Schutzheilige
der Bergleute ist.

Gruß  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

thovalo




Ja, sie ist tatsählich sehr umfassend "beschäftigt"  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo




Keramik scheint hier nicht so das große Interesse zu finden was schade ist, denn sie ist für die Archäologie grundlegend wichtig.

Die Pfeifentonfiguren sind in der Regel recht schnell einem der bekannten Fundkomplexe zuzuordnen. Charakteristische Beispiele ist das Jesuskond mit dem Vogel und sind die Kruselerfiguren aus Süddeutschland.


Tatsächlich gab es in den bekannten Fundkomplexen von Produktionsstellen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland (Augsburg, Worms, Aachen und Köln) keinen einzigen Vergleichsbeleg, auch nicht mal ein Fragment.


Erstaunlicherweise bin ich nun aber in einem Inventarbuch des Victoria und Albert Museums in London fündig geworden. Das zeigt die Figur im eingestellten Foto oben links. Da ist der exakte gleiche und auch ungewöhnliche Faltenwurf zu erkennen.  Meine Einschätzung der Datierung "um 1500" bestätigt sich durch die Londoner Datierung in die zweite Hölfte des 15. Jhs.

Es wird deutlich, dass an der vorliegenden neu gefundenen Figur nicht nur der Kopf sondern auch der obere Teil des Turms mit abgebrochen ist. Sonst ist der Neufund selten gut und in einem extrem großen Stück erhalten geblieben.

Als Produktionsort wird bemerkenswerter weise SIEGBURG genannt, wozu ich noch recherchieren muss. Das Stück wurde sicher nicht in Dordrecht hergestellt. Die dort aufgefundene Darstellung ist weit abweichend. Zum Exemplar aus Köln bekomme ich erst noch Bilder.

hier der Text zum Findbuch aus London.

"   St Barbara
Statuette
second half 15th century (made)
Artist/Maker
   
Unknown
Place Of Origin
   
Siegburg (made)

This statuette - the standing figure of St. Barbara, supporting a tower on her left hand - is by an unknown artist from Siegburg in Germany made in the second half of the 15th century.

It is made of pipeclay, which is a fine white clay also used to make tobacco pipes and pottery. Conveniently situated on a major trading route, Siegburg was a centre of ceramic production with well-organised workshops and kilns in which pipe-clay figures were also fired.

Saint Barbara was a Christian saint and martyr. She is the patron saint of artillerymen, military engineers and miners and all professions working with explosives.
Her legend seems not to have any historical foundation behind it. It tells that her father built a tower with two windows where he shut his daughter in to keep her away from her suitors. Barbara persuaded the workmen to add a third window, which symbolises the Trinity.

Her father later killed her. He then was killed by a lightning and that is why Saint Barbara became the patroness of all professions related to gunfire and firearms."


Das Foto zum Text hier stammt aus dme Bestands- und Findbuch des Victoria und Albert Museums in London

Thomas  :winke:


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stratocaster

Zitat von: thovalo in 04. August 2022, 17:02:47

Keramik scheint hier nicht so das große Interesse zu finden was schade ist, denn sie ist für die Archäologie grundlegend wichtig.


Generell ist ja seit längerer Zeit eher wenig los im Sucherforum.  :nixweiss:
Trotzdem: Obwohl Keramik nicht so "mein Ding" ist, finde ich, dass die kleine Statue
ein ganz-ganz tolles Fundstück ist  :super:
Umsomehr, wenn Deine Recherche der Figur noch zusätzliches "Leben" gibt.  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
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thovalo


Stimmt, es ist herrscht Sommerloch!

Danke Dir. Die ist wirklich schön und der Faltenwurf und die Hand die in das Kleid fast ist so individuell, dass es wohl mal ein Vorbild in Stein oder Holz dafür gegeben haben muss.

:winke:
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ChristophNRW

Woran machst du denn das fehlende Interesse fest? An der Anzahl der Antworten oder der der Aufrufe?Also, ich habe mir den Beitrag und die tollen Bilder mehrmals angesehen, weil ich das Thema sehr interessant und das Fundstück sehr schön finde, aber kompetente Beiträge außer vielleicht einem  :super: -Smiley könnte ich nicht liefern, zumal du ja selber die entsprechenden Hintergrundinfos schon geliefert hast.
Tout est chaos
Tous mes idéaux : des mots abimés
Je suis d'une géneration désenchantée
(Mylène Farmer - Désenchantée)

Fabulas

Guten Morgen,

auch ich habe mir die Figur angeschaut und hätte aber keine Aussage dazu machen können.
Habe momentan meine Enkelinnen in den Ferien da und wir unternehmen viel. Vorgestern: Eberstädter Tropfsteinhöhle und anschließend das Römermuseum in Osterburken. Beeindruckend, aber auch beeindruckend leer (an Besuchern). Heute fahren wir nach Solnhofen und die Kinder dürfen auf Fossiliensuche gehen.
Gleichzeitig sind die Felder gegrubbert und ich kann es kaum erwarten, drauf zu gehen. Aber bei der Hitze ist das nur Abends oder ganz früh morgens möglich - mit den Kleinen nicht machbar.
Zweimal täglich schaue ich hier vorbei. Es ist wenig los, ja, aber trotzdem einige interessante Funde und Beiträge. Danke dafür! Ich hoffe, es geht weiter so.

Die Statuette ist ein sehr schöner Fund, wie etliche weitere auch. Aber auch ich könnte momentan nur zu den tollen Funden gratulieren. Seid gewiss, es gibt hier treue Leser. Und die Beiträge werden wieder mehr werden.

Herzliche Grüße!
Anita

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Signalturm

Zum Thema Sommerloch.
Bei mir gibt es momentan leider nichts zum Laufen.
1.Viele Maisfelder - die stehen noch bis weit in den Herbst. Werden erst nach und nach abgeerntet und in die regionale Biogasanlage verfrachtet.

2. Getreidefelder - Eigentlich alles abgeerntet. Aber da so gut wie kein Stroh mehr benötigt wird, mähen die Bauern die Ähren relativ weit oben ab.
So bleibt mehr Material auf den Feldern zurück zum Verrotten (Humusbildung) Ist eigentlich gut, nur sehr schlecht zum Sondenlaufen. Sehr hohe Getreidestoppeln.   :wuetend:

3. Tabakfelder - wir sind Deutschlands größte Tabakanbaugemeinde. Beim Tabak läuft die Ernte noch eine ganze weile. Und danach stehen die Tabakstumpen noch sehr lange auf den Äckern.

So schnell wird das nichts mit dem aktiven Sondeln. Ich bin zum Zuschauen hier im Forum verdammt.
Finderglück ist Finderlohn genug.

Carolus Rex

------------Melden macht frei--------------

thovalo




Moin!

Ich bin über das Wochenende bei meinen Eltern und konnte meine Literatur zu Pfeifentonstatuetten wälzen.


Die Firgur stammt aus der spätmittelalterlichen Pfeifentonwerkstatt an der Goldgasse in Köln. Unter 637 Fragmenten von Pfeifentonfigurproduktionsabfällen liegt dabei nur ein Fragment dieser Ausführung der heiligen Barbara vor.

In dem Text wird auch darauf eingegangen, dass man nun die Figuren in den Museumssammlungen die ohne Begründung immer Siegburg zugeschrieben worden seinen ,nun ihren tatsächlich sicheren Produktionsnachweis in Köln finden.

Das viel kleineren Fragment das Frau Neu-Kock für Köln beschreiben konnte, sah sie als Teil einer "einfachen Arbeit" an. Dazu beigetragen haben wird, dass ian dem Kölner Fragment auf Oberflächenpartien abgedrückt sind und fehlen, wie der Mantelsaum und die Hand, die das Kleid unterderBrust rafft. Diese Statuette ist tatsächlich in ihrer Machart allen anderen in Köln produzierten Statuetten in Bezug auf die künstlerische Ausführung gleichzusetzen. Vielmehr ist diese heilige Barbara durch ihren eigenen Faltenstil und eleganten Aufbau der Gesamtkomposition, hinter dem man auch ein originales Vorbild vermuten kann, besonders ausgewogen und ausgezeichnet, was der Bearbeiterin aufgrund fehlender größerer Fragmente nicht bekannt und erkennbar war. In der Gesamtkomposition ist dies sogar eine besonders ausgewoge Arbeit unter den vielen Varianten von Pfeifentonfoguren die dieser Werkstatt entstammen.

Es ist wirklich glücklich, dass ausgerechnt ein klar zu dentifizierendes Teilstück aus der Köln Grabung erhalten geblieben und mit Abbildung beschrieben worden ist. Die Bruchstelle des Kopfes ist bei beiden Fragmenten identisch, sodass diese Partie auch als eine der bruchemfpindlichsten Stellen dieser Statuette annehmen kann.


liebe Grüße
Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Gratian

Ein wunderbar erhaltener und schöner Fund den du uns da präsentierst. In meinem Sondlerleben, das nun auch schon ein paar Jahrzehnte andauert, habe ich erst 3 Pfeifentonfiguren finden dürfen. Die hier ist zum einen sehr sauber und gut geformt und detailliert und zum anderen super erhalten.

Das der Kopf fehlt ist zwar schade aber eigentlich nicht schlimm....schließlich wurde die heilige Barbara ja auch enthauptet  :zwinker: :-D

https://de.wikipedia.org/wiki/Barbara_von_Nikomedien

Danke für's zeigen und Chapeau für die Recherchearbeit...
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

thovalo



Danke für Deine Rückmeldung.  :winke:

Der Kopf war daher auch im übertragenen Sinne auch schon vorher "ab". Das sehr kleine und hoch gepixelte Photo im Findbuch von London zeigt die einzige mir jetzt bekannte vollständige Figur, die tatsächlich auch sehr proportional, eindrucksvall und "schön" ist.

Die Erhaltung erklärt sich durch die Fundumstände, sie lag durch glücklichen Zufall in einer gut erhaltenden Situation. Die Fundstelle gab bereits einen Kölner "Jesusknaben mit dem Vogel", eine "schöne Madonna", benannt nach der Kölner Sammlung Lückger, den Sockel einer Statuette mit Fuß und ein Modelfragment eines Lammes (Lamm Gottes) aus dem späten Mittelalter frei. Der Jesusknabe und die Madonna stammen ebenfalls aus Köln, waren aber deutlicher fragmentiert und verwittert. Das Model des Lammes diente wohl zur Herstellung von Figuren aus Eßwaren ggf. aus Marzipan oder anderen Teigen. Zu dieser Model mit dem Lamm gibt es noch einen Fundbeleg von einer Burg am Niederrhein. Ich meine dieserBeitrag findet sich in "Archäologie im Rheinland".

Der Bearbeiter hat sein Fragment falsch als römisch und als Model zur Herstellung von Götterbildern an römischen Gefäßen angesprochen. Eine absolute Fehlzuschreibung eines akademisch studierten Arschäologen. Auch so etwas gibt es manchmal zwischen all den seriösen Schriftbeiträgen der Facharschäologie. Wie man darauf kommt wenn man einen mittelalterliche Burggründung beschreibt war mir allerdings immer rätselhaft.

An der Fundstelle der hl Barbara sind im 16 Jh. wohl nach kriegerischen Handlungen Gebäudereste und Haushaltstrümmer entsorgt worden. So gelangtenauch die Figurinen, Ofenkacheln und Geschirrteile neben Bauresten in den Boden.


liebe Grüße
Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Gratian

Tja Thomas, solche Einschätzungen kommen immer wieder vor. Mein Lieblingsbeispiel ist die Bestimmung mehrerer preußischen Schuppenkettenglieder vom Helm (mind. 4 von 6 abgebildeten), als spätrömische Schuppenpanzerlamellen...in einem Ausstellungskatalog des rheinischen Landesmuseums in Trier.

Den Archäologen war einfach nicht bekannt oder bewusst , dass der Fundort Jahrzehnte lang Exerzierplatz der preußischen Armee in Trier war...hätte man mal drauf kommen können, wenn man sich mit der Stadtgeschichte näher befasst hätte....aber da war der Wunsch Vater des Gedankens und der Archäologe etwas betriebsblind.
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

thovalo




   Ja, manchmal sind soiche Fehlzuschreiben fast schon lustig.


Inzwischen habe ich meine eigene Literatur zusammen, viel gelesen und wie Du schon beschrieben hast dist die Figur außerordentlich gut erhalten aber auch ausgeführt worden.

Ich kenne Frau R. Neu-Kock, die den Kölner Fundkomplex ausgewertet und publiziert hat, noch persönlich und habe mit ihr manche Schlacht geschlagen. Sie hatte das von dieser Figur nur kelinformatig und dazu noch rundum abgedrückte Fragment dieser Figur als "einfache Arbeit" eingeschätzt.

Jetzt konnte ich das exemplar aus London sehen und habe ja die bis auf den verloren gegangenen Kopf sehr gut erhalten gebliebene Figur selber vorliegen.

Tatsächlich ist es die am besten durchgearbeitete aller dort bis heute verorteten und ausgerabenen Figuren. Zudem ist es auch die am modischsten dargestellte Figur unter allen in Köln bisher angetroffenen Stücken.

Einzigartig ist die Dastellung einer kompeltten Kleidungsgarnitur des 15 Jhs. mit Cotte (Unterkleid), der Surcotte (das Oberkleid) und darüber noch der Mantel. Die Surcotte het einen miederartiges OBerteil das die Büste stark betont und wird nach oben hin durch einen echten Krangen abgeschlossen. Für den Kragen fand ich bislang nur das Gemläde des Hofes der Gonzaga von Mantegna, auf dem der Pricipe einen Wams mit einem echten Kragen trägt.


Die Haare der Figur fallen zudem auf der Rückseite in gedrehten Locken parallel zueinander orientiert bis über die Schulterblätter.

Alle hier aufgeführten Bestandteile repräsentieren eine Frau in einem enorm modernen Kleidungsstil ihrer Zeit, während die allermeisten weiteren religiösen Figuren den standardisierten gotischen Kleidungsstil mit verdeckter Büste, meist nur im Mantel in klassischen Schüsselfalten gezeigt wird.


Es ist keine schlichte, sonderen tatsächlich die innovativste Arbeit dieses Töpfereibetriebes des 15. Jhs. für die ein klares Vorbild bestanden haben wird. Ob als Holz- oder Kupferstich oder als Statue in Holz oder Stein.

Die Datierung vor 1500 unterstreicht die unter der Surcott hervorkragende Schuspitze eines spitzen Schuhs. Auch das ein zeitentsprechendes modernes Element. Unter Berücksichtigung aller modischer Mekmale liegt man mit einer Datierung "zweite Hälfte 15. Jh." absolut sicher und mit der näheren einengung 1480 bis 1500 Jh. sicher auch nicht ganz falsch.

Der Fundbeleg ist ein Einzelstück. Am Fundort konnte ich bislang 6 Pfeifentonarbeiten dokumentieren. Eine Madonna der Sammlung "Lückger" (Produktion in Köln), einen Jesusknaben mit dem Vogel (Produktion in Köln), einen Sockel mit einem Fuss (nicht näher identifiziertbar), das Fragment einer Model mit dem Lamm Gottes (Herstellungsort unbekannt) und ein halb erhalten gebliebenes kreisförmiges doppelseitiges Relief, dessen Herkunft noch nicht identifiziert ist. Ergänzend fand sich noch das mittlere Drittel einer bichrom glasierten Frauenstatuette, wie sie in Aachen oder Frankreich produziert wurden.

Somit handelt es sich sicher nicht um Produktionsbelege, sondern um geschenkte oder erworbene Stücke. Ich konnte inzwischen zwei hochmittelalterliche Gemälde ausfindig machen, auf denen solche Kleinfiguren oberhalb des Kamins auf einem dafür angelegten Absatz neben einem Kerzenhalter stehen.

Der Bezug des Fundortes zu Köln und die Anbindung an den Rhein als Transportweg ist gegeben.


liebe Grüße
Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fabulas

Zitat von: thovalo in 11. August 2022, 14:42:06


   Ja, manchmal sind soiche Fehlzuschreiben fast schon lustig.


Inzwischen habe ich meine eigene Literatur zusammen, viel gelesen und wie Du schon beschrieben hast dist die Figur außerordentlich gut erhalten aber auch ausgeführt worden.

Ich kenne Frau R. Neu-Kock, die den Kölner Fundkomplex ausgewertet und publiziert hat, noch persönlich und habe mit ihr manche Schlacht geschlagen. Sie hatte das von dieser Figur nur kelinformatig und dazu noch rundum abgedrückte Fragment dieser Figur als "einfache Arbeit" eingeschätzt.

Jetzt konnte ich das exemplar aus London sehen und habe ja die bis auf den verloren gegangenen Kopf sehr gut erhalten gebliebene Figur selber vorliegen.

Tatsächlich ist es die am besten durchgearbeitete aller dort bis heute verorteten und ausgerabenen Figuren. Zudem ist es auch die am modischsten dargestellte Figur unter allen in Köln bisher angetroffenen Stücken.

Einzigartig ist die Dastellung einer kompeltten Kleidungsgarnitur des 15 Jhs. mit Cotte (Unterkleid), der Surcotte (das Oberkleid) und darüber noch der Mantel. Die Surcotte het einen miederartiges OBerteil das die Büste stark betont und wird nach oben hin durch einen echten Krangen abgeschlossen. Für den Kragen fand ich bislang nur das Gemläde des Hofes der Gonzaga von Mantegna, auf dem der Pricipe einen Wams mit einem echten Kragen trägt.


Die Haare der Figur fallen zudem auf der Rückseite in gedrehten Locken parallel zueinander orientiert bis über die Schulterblätter.

Alle hier aufgeführten Bestandteile repräsentieren eine Frau in einem enorm modernen Kleidungsstil ihrer Zeit, während die allermeisten weiteren religiösen Figuren den standardisierten gotischen Kleidungsstil mit verdeckter Büste, meist nur im Mantel in klassischen Schüsselfalten gezeigt wird.


Es ist keine schlichte, sonderen tatsächlich die innovativste Arbeit dieses Töpfereibetriebes des 15. Jhs. für die ein klares Vorbild bestanden haben wird. Ob als Holz- oder Kupferstich oder als Statue in Holz oder Stein.

Die Datierung vor 1500 unterstreicht die unter der Surcott hervorkragende Schuspitze eines spitzen Schuhs. Auch das ein zeitentsprechendes modernes Element. Unter Berücksichtigung aller modischer Mekmale liegt man mit einer Datierung "zweite Hälfte 15. Jh." absolut sicher und mit der näheren einengung 1480 bis 1500 Jh. sicher auch nicht ganz falsch.

Der Fundbeleg ist ein Einzelstück. Am Fundort konnte ich bislang 6 Pfeifentonarbeiten dokumentieren. Eine Madonna der Sammlung "Lückger" (Produktion in Köln), einen Jesusknaben mit dem Vogel (Produktion in Köln), einen Sockel mit einem Fuss (nicht näher identifiziertbar), das Fragment einer Model mit dem Lamm Gottes (Herstellungsort unbekannt) und ein halb erhalten gebliebenes kreisförmiges doppelseitiges Relief, dessen Herkunft noch nicht identifiziert ist. Ergänzend fand sich noch das mittlere Drittel einer bichrom glasierten Frauenstatuette, wie sie in Aachen oder Frankreich produziert wurden.

Somit handelt es sich sicher nicht um Produktionsbelege, sondern um geschenkte oder erworbene Stücke. Ich konnte inzwischen zwei hochmittelalterliche Gemälde ausfindig machen, auf denen solche Kleinfiguren oberhalb des Kamins auf einem dafür angelegten Absatz neben einem Kerzenhalter stehen.

Der Bezug des Fundortes zu Köln und die Anbindung an den Rhein als Transportweg ist gegeben.


liebe Grüße
Thomas

Geniale Recherche!
Liebe Grüße
Anita

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.