Retuschierte Lamelle

Begonnen von Nanoflitter, 11. Januar 2015, 18:03:14

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Nanoflitter

Ich würde dieses Teil als "retuschierte Lamelle" ansprechen. Die Breite beträgt 8,5mm und der Querschnitt ist dreieckig.
Die Retuschen sind sehr grob. An der "Spitze" ist ein rezenter Bruch. Die Schlagrichtung eigentlich nicht auszumachen,
fast eine Stichellamelle?
Gruss...


palaeo1

#1
Genau solche Artefakte habe ich mal auf Gebrauchsspuren hin untersuchen lassen. Es ergaben sich Spuren, die auf Holz- und Knochenbearbeitung hinweisen. Es sind Abschläge und Trümmer, die signifikante Kerbungen aufweisen. Ich habe bei einer Grabung einmal mehrere solcher Werkzeuge bergen können, was mich zu der Untersuchung veranlasst hat. Meine Stücke terminieren an Hand von 14D-Datierungen in das nordische Neolithikum. Die genauen Daten müsste ich raussuchen.
Das heißt aber nicht,  dass alle Artefakte dieser Art in diesen Zeithorizont gehören. Es sind ad hoc Werkzeuge, die immer wieder Verwendung fanden.

LG Klaus

Nanoflitter

Dank dir, was anderes, als Neolithikum, hab ich hier auch noch nicht gefunden. Ist schon erstaunlich, was man an solchen Splitterchen alles herauslesen kann. Ich erkenne die meisten Sachen erst zu Hause, mit viel Licht und Lesebrille. Auf dem
Acker kam dieser erst mal als "länglicher Splitter" ins GPS.
Gruss und danke schön!

thovalo



Das ist schon mal keine Lamelle und nach den Fotos ist nicht klar zu erkennen, möglicherweise das Bruchstück eines Kratzers  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Was hast du denn gegen Lamelle? Kratzer wars nicht. Ist schon längs geschlagen, so was wie ne viertel oder ne halbe Klinge, längs gespalten, oder ein Abfallstück. Da die Enden distal und proximal fehlen bzw. keine Abschlagsmerkmale aufweisen, ists halt schwer zu sagen. Schlagwellen sind nur auf der einen Bahn gut zu erkennen. Es ist schmaler als 1cm, da hab ichs Lamelle getauft. :-).
Gruss...

palaeo1

#5
Es ist für mich ein Trümmerstück, das an einer Frostkluft abgelöst wurde. Eine Lamelle ist es difinitiv nicht ! Als Lamellen werden Klingen, je nach Definition, unter 10 mm Breite angesprochen. Die Intention Klinge/Lamelle muss vorhanden sein, d. h. parallele Kanten und Grate sowie ein Längen/Breiten-Index
von 2:1

LG Klaus

Nanoflitter

Na gut, dann muss ich das Baby halt umtaufen...
Gruss...

Nanoflitter

Vor den Retuschen und dem Ausbruch könnte die Parallelität gegeben gewesen sein, das Teil ist 19,5mm x 8,3mm. Also 2:1 übererfüllt... aber als Trümmerstück ists mir auch recht. Trümmer ist laut dem "Hahn" die offizielle Bezeichnung für nicht als
Grundform definierbare Stücke? Ich hab die immer Splitter genannt, das gibt's wohl nicht. 
Gruss und dank euch!

palaeo1

Längen/Breiten Index allein reicht nicht aus! Bei dem Stück ist die Intention Klinge nicht erkennbar. Wenn die ventralen Merkmale eines Abschlags vorhanden sind, ist es einer , ansonsten ist es ein Trümmer.

Nanoflitter

Ok, Abschlagsmerkmale fehlen, deswegen Trümmer. Mir muss man halt noch manche Basics näherbringen, ich kann mich eigentlich nur bedanken, in dem ich mir das alles merke, was ich aber nicht garantieren kann. :schaem:
Gruss...

hargo

Ganz einfach, das Teil ist zu dick für eine Lamelle.
Auch für eine Klinge, wäre es denn breiter als 1 cm.

mfg

Nanoflitter

So dick ist das Teil gar nicht, nur das Vehältnis von Breite zu Dicke gaukelt das auf dem Foto vor. Meine sonstigen durchschnittlichen Klingendicken sind so 4mm+- , dicker ist das Teil auch nicht. Aber jetzt ists ein Trümmer.
Gruss und dank dir! 

thovalo


Lamellenkern - Lamelle - und Lamellengragmente
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Schöne Bilder, dank dir! :super: Lamellen entstehen, wenn der Kern kleiner wird, sich dem Ende seiner Abbaufähigkeit nähert,
hab ich so gelesen. Es gibt aber auch Stichellamellen, ist aber an dem Teil kaum zu beweisen, da wichtige Merkmale fehlen.
Wie stellt man eigentlich Flächen auf Zeichnungen dar, wo Wallnerlinien einfach nicht zu erkennen sind? Gibt's ja öfters...
aber keine natürlichen Spaltflächen, die werden nicht ausgefüllt.
Gruss...

hargo

#14
Zitat von: Nanoflitter in 12. Januar 2015, 22:13:45
Lamellen entstehen, wenn der Kern kleiner wird, sich dem Ende seiner Abbaufähigkeit nähert,
hab ich so gelesen. Es gibt aber auch Stichellamellen ...

Würde ich nicht verallgemeinern.
Du kannst davon ausgehen, dass die Leute eine konkrete Vorstellung vom gewünschten Zielprodukt hatten.
Hätte es keinen Bedarf an Lamellen gegeben, wäre der im Zuge der Grundformproduktion schrumpfende Restkern wahrscheinlich eher aufgegeben und nicht weiter abgebaut worden. Zumal es Beispiele für Lammellenkerne gibt, die durchaus noch groß genug waren, um davon Klingen zu gewinnen.

Die Stichellamellen sind ein ganz anderes Thema.
Wie die Bezeichnung schon sagt und du natürlich schon lange weißt, stammen sie nicht von einem Kern, sondern fallen als Abfallprodukt bei der Herstellung von Sticheln an.

mfg

StoneMan

Zitat von: hargo in 13. Januar 2015, 00:02:37
...
Die Stichellamellen sind ein ganz anderes Thema.
Wie die Bezeichnung schon sagt und du natürlich schon lange weißt, stammen sie nicht von einem Kern,
sondern fallen als Abfallprodukt bei der Herstellung von Sticheln an.

mfg

Moin,

wobei ich meine, dass auch das Abfallprodukt verwendet wurde.
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,43982.msg268389.html#msg268389


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Nanoflitter

Ja, so was ist nicht auszuschliessen, aber an dem Teil nicht nachweisbar.
Gruss...

Nanoflitter


hargo

Ich gehe mal davon aus, dass es dich interessiert was andere aus dieser Zeichnung lesen.
Wie anfangs im Text erwähnt hast du die Schraffierung auf der Ventralseite neutral gehalten, weil keine Schlagrichtung erkennbar ist. Ich weiß nicht, ob man dann nicht hätte ganz darauf verzichten können? Die Wallnerlinien der beiden Negative auf der Dorsalseite verlaufen gegensätzlich, wodurch der Eindruck eines bipolaren Abbaus entsteht. Wenn beabsichtigt, wäre das eine gute Ergänzung zu den Fotos, die dieses Detail, zumindest auf meinem Monitor, nicht wiedergeben.

mfg

Nanoflitter

#19
Genau so ist es, aber nach meiner Anleitung werden Flächen, wo die Schlagrichtung bzw. Wallnerlinien nicht eindeutig erkennbar sind, gerade schraffiert.
Die Bahnen auf der Dorsalseite sind gegenläufig. Eine ist konkav, die andere konvex, im Schnitt sieht man das. Auch wichtig!
Muss alles nicht auf Bipolar hindeuten, da sonst beide konkav wären. Die Form kann auch aus einer Stichellamelle kommen,
da wäre eine Bahn konvex, nähmlich die, die zur ursprünglichen Klinge zeigt.
So könnte es ausgesehen haben, aber reine Spekulation.
Gruss...

hargo

Zitat von: Nanoflitter in 14. Januar 2015, 12:17:50
Genau so ist es, aber nach meiner Anleitung werden Flächen, wo die Schlagrichtung bzw. Wallnerlinien nicht eindeutig erkennbar sind, gerade schraffiert.

Ok, danke!

mfg

hargo

Zitat von: Nanoflitter in 14. Januar 2015, 12:17:50
Die Bahnen auf der Dorsalseite sind gegenläufig. Eine ist konkav, die andere konvex, im Schnitt sieht man das.

palaeo1 erwähnte eine Frostkluft.

Zitat von: palaeo1 in 11. Januar 2015, 21:48:52
Es ist für mich ein Trümmerstück, das an einer Frostkluft abgelöst wurde.

An welchem anderen Merkmal, als der konvexen Fläche, könnte man das erkennen?

mfg

Nanoflitter

#22
Ohne wirkliche Grundmerkmale, wie Schlagflächen, Bulbus, Präparation des Stichelabschlages ist alles spekulativ!
Ich kann noch 2 oder 3 Möglichkeiten skizzieren, wie dieses Mikroteil entstanden sein könnte.
Deswegen bleibts ein Trümmerstück. Ich glaub, das ist das erbärmlichste Teil, worüber hier je diskutiert wurde :-), aber man lernt viel dazu, jedenfalls ich. :super:
Gruss...