Erster Bohrer?

Begonnen von Nanoflitter, 01. Januar 2015, 18:13:02

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Nanoflitter

Ich würde diesen Fund als Bohrer ansprechen, gibt's da Einwände?
Gruss...

hargo

Ja, es fehlt mir die konkave, intentionelle Verformung zur Spitze.

mfg

Nanoflitter

Hi, danke für deine Meinung! Ja, so richtig ausgespitzt sieht er nicht aus... Hab aber auch schon fast dreieckige gesehen.
Beide Lateralen sind ziemlich abgenudelt, an den Dorsalgraten ist teilweise sogar Glanz. Es ist damit geschafft worden...
Die Retuschen nach Ventral sind auch eher unüblich. Das "Ding" ist auch rundum retuschiert. Was ist es dann... :kopfkratz:
Gruss und dank dir!

Steinkopf

Hi,

Zitat:  "Ja, so richtig ausgespitzt sieht er nicht aus..."

wer sagt denn, dass   j e d e r   Bohrer spitz sein muss?

Es gibt durchaus (auch moderne) Beispiele dafür, dass unterschiedliche Geräte für das
penetrieren und das daran anschließende Aufbohren, das Vergrößern des Bohrloches benutzt werden.

LG

Jan

palaeo1

#4
Ich würde das Stück als Bohrer bezeichnen wollen, wobei hier eine besondere Form vorliegt. Man beachte die mikrolithische Größe!
Hier ein Zitat aus meiner Monografie:

Mèche de foret (vgl. Taf. 114, 6)
Geräte dieser Art wurden zuletzt von M. HEINEN (1998, 133ff.) beschrieben. Die Geräte bestehen aus schlanken, dickeren Klingen, deren Breiten in der Regel zwischen 4 und 8 mm betragen. Die Dicken liegen zwischen 3 und 6 mm und die Längen zwischen 12 und 35 mm. Der Querschnitt ist meist dreieckig, trapezförmig oder auch rechteckig bis quadratisch. Somit liegt nahe, daß häufig Stichellamellen als Grundform dienten. Oft ist eine Kante durchgehend retuschiert, die gegenüberliegende Kante aber nur partiell im Spitzenbereich. Die Retuschierung ist immer steil ausgeführt. Das Funktionsende verjüngt sich zu einem Dorn, der aber fast immer 1 bis 2 mm Breite aufweist. Vielfach fi nden sich auf der Ventral- seite makroskopisch sichtbare Aussplitterungen, die den bohrerartigen Gebrauch belegen. Entsprechendes haben auch Gebrauchsspurenanalysen ergeben (HEINEN 1998, 137f.).
Mèche de foret sind ab dem mittleren Präboreal belegt, kommen möglicherweise aber noch bis in das Neolithikum hinein vor. In England und Südskandinavien sind sie in präborealen und frühborealen Inventaren signifikant vertreten und nehmen dort eine datierende Stellunng ein.

Hier ein weniger gutes Beispiel, bessere von Martin Heinen liefer ich nach.

hargo

Zitat von: palaeo1 in 03. Januar 2015, 00:06:03
Hier ein weniger gutes Beispiel, bessere von Martin Heinen liefer ich nach.

Ok, dann ohne Zweifel.

mfg

StoneMan

Moin,

@ Nano, Glückwunsch zum Ersten  :Danke2:

Ich kann ihn mir mit seinem dreieckigem Querschnitt ebenfalls gut als Bohrer /-einsatz (?) vorstellen  :glotz:
Die ~ krumme Spitze stört nicht sonderlich, einmal aufgesetzt, wird er sich schon drehen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

So, hier noch mal die Abbildung von Martin Heinen in:
HEINEN, M. (1998) Mèche de foret - eine charakteristische, aber weitgehend unbekannte Werkzeugform des Mesolithikums. In: Conard, N. J. u. Kind, C. J. (Hrsg.) Urgeschichtliche Materialhefte 12, 133-146. Tübingen 1998.

Nanoflitter

Vielen, vielen Dank, das habt ihr euch ja richtig Mühe gemacht!  :Danke2: Dank auch für die Zeichnungen, Palaeo1, ich werde dafür heut mal davon eine Zeichnung versuchen. Da sind ja wirklich einige "krumme Hunde" dabei!
Ich denke, wenn ich mir die Zeichnungen so ansehe, gehört auch dieses Teil dazu. Es ist noch viel kleiner hat eine ähnliche
Form, ist aber nach dorsal retuschiert. Wurde auch schon in dem Thread als Bohrer agesprochen.
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,63772.0.html

Gruss und danke allen nochmals!

palaeo1

Ja, das passt auch in diese Kategorie.

Marienbad

Moin in die Runde,
meiner Meinung und Erfahrung nach sind die "krummen" Bohrspitzen nur mit der Hand zu führen gewesen, geschäftet
schlagen sie beim Bohren (Spindel) gewaltig aus und lassen niemals ein sauberes Bohrloch einstehen.
Auf dem Foto habe ich die für eine Schäftung geeigneten Stücke mal markiert.

:winke:  Manfred


palaeo1

#11
Es kommt ja immer darauf an, was gebohrt wurde. Ob es ein Loch in einer Bernsteinperle werden sollte, oder ein Loch in einem Fell oder anderem Lederobjekt, ob Holz oder Knochen. Dabei führe ich häufig keine Drehbewegungen um 360° aus, sondern eher mit einem Radius zwischen 45 und 90°. Das kann ich mit einem geschäfteten Bohrer ebenso, wie mit einem in der Hand geführten, diese kleinen Exemplare werden wohl geschäftet gewesen sein.  Da spielt die Krümmung dann eine weniger große Rolle.

Marienbad

Zitat von: palaeo1 in 03. Januar 2015, 10:53:52
Es kommt ja immer darauf an, was gebohrt wurde. Ob es ein Loch in einer Bernsteinperle werden sollte, oder ein Loch in einem Fell oder anderem Lederobjekt, ob Holz oder Knochen. Dabei führe ich häufig keine Drehbewegungen um 360° aus, sondern eher mit einem Radius zwischen 45 und 90°. Das kann ich mit einem geschäfteten Bohrer ebenso, wie mit einem in der Hand geführten, diese kleinen Exemplare werden wohl geschäftet gewesen sein.  Da spielt die Krümmung dann eine weniger große Rolle.

da stimme ich dir zu, auf das Material kommt es an. :zwinker:

Auch der Bohrerantieb scheint eine nicht unwesentliche Rolle gespielt zu haben.
Die Möglichkeit der Schäftungsart kann auch vielseitig gewesen sein.

1. beim Dreul in einem geraden Holzstab
2. beim Bogenbohren in einem geraden Holzstab
3. bei einem Handbohrer längs in einem kurzen Holzstab
4. bei einem Handbohrer quer in einem Holzstab (Baumrinde)
5. beim "Handquirl" (zwischen den Handflächen) in einem Holzstab   

Nanoflitter

#13
Dank euch nochmal für die ausführlichen Theorien zu den Bohren!
Hier mal die Zeichnung, bin da aber recht talentfrei... :-)
Gruss...




Änderung, Hauptansicht berichtigt.

palaeo1

Das sieht doch schon gut aus !