Ein für mich besonderer Fund (III): Wohlgestaltetes Spitzgerät

Begonnen von Jondalar, 03. November 2024, 07:24:42

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Jondalar

Hallo zusammen,

am letzten Wochenende war ich noch einmal bei dem LBK-Acker, über den ich bereits berichtet hatte.

Bei den Linienbandkeramikern

LBK-Spitze ?


Der Boden war frisch bearbeitet, aber noch nicht ausreichend abgeregnet, dafür war die Aussaat in der kurzen Zeit seit dem letzten Besuch schon 10cm hoch. Wie schnell die Saat heutzutage wächst... Ihr kennt das Problem....

Also beging ich fast 3 Stunden das benachbarte Feld und fand... nichts! Nichts mit Ausnahme des hier abgebildete Stückes (70 / max. 18 / max. 5mm). Es lag mit der Ventralseite nach oben, die Dorsalseite war, ob des lehmigen, noch feuchten Bodens, total verdreckt und so steckte ich es als mutmaßliche Klinge ein. Erfreulich, da recht lang, aber doch nichts so Besonderes. Erst beim Abwaschen stellte ich fest, dass sie durchgehend retuschiert und auch mit einer Spitze versehen worden war. Sah mir die Tafeln der Arbeiten zu den hiesigen Fundstellen der Linienbandkeramiker an und fand nichts Derartiges. Wie würde Ihr das Stück exakter ansprechen und stammt es tatsächlich aus einem LBK-Kontext?
Viele Grüße

Jondalar

thovalo

#1


Guten Morgen!

Das ist eine bilateral retuschierte Klinge. Insbesondere in der jungneolithischen Michelsberger Kultur sind sie, genau so wie gefunden, charakteristisch und werden dann als "Spitzklinge" bezeichnet. Ein einzelnes Artefakt aus sich heraus zu datieren gelingt nur selten. Das ein Artefakt zum bekannten Inventar eines Platzes gehört ist ebenso nicht zwingend. Es muss sich in ein Fundinventar einfügen können.

Insofern handelt es sich exakt beschreiben um eine bilateral retuschierte Klinge.

Die vollständige Erhaltung ist, in meiner Region zumindest, inzwischen eine maximale Ausnahmeerscheinung.


lG Thomas

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Im LBK Kontext hab ich davon auch welche, jedoch äußerst selten. Gruss..

Jondalar

Hallo Thomas, hallo Nanoflitter,

vielen Dank für Euere Hinweise mit denen ich weiter recherchierte. Vergleichbare Funde habe ich im Netz bisher nur im jungneolithischen Kontext ermitteln können.

Interessant war auch der Verweis auf die Michelsberger Kultur. Dieser werden die zahlreichen kreisförmigen Erdwerke hier in der Region zugeschrieben, von denen sich eines auch in der Nähe des Fundortes befindet...

Wie wurden Spitzklingen verwendet? Ich fand Hinweise auf eine Messerartige Nutzung oder als Sicheleinsätze...
Viele Grüße

Jondalar

thovalo

Zitat von: Jondalar in 06. November 2024, 10:20:38Hallo Thomas, hallo Nanoflitter,

vielen Dank für Euere Hinweise mit denen ich weiter recherchierte. Vergleichbare Funde habe ich im Netz bisher nur im jungneolithischen Kontext ermitteln können.

Interessant war auch der Verweis auf die Michelsberger Kultur. Dieser werden die zahlreichen kreisförmigen Erdwerke hier in der Region zugeschrieben, von denen sich eines auch in der Nähe des Fundortes befindet...

Wie wurden Spitzklingen verwendet? Ich fand Hinweise auf eine Messerartige Nutzung oder als Sicheleinsätze...
Viele Grüße

Jondalar

Moin!

Die Spitzklingen waren wirkiche Mulitfuktionswerkzeuge. Sie wurden "spanabhebend" (Kratzen, Schaben), bohrend, schneidend verwendet. Ein Einsatz als Waffe wäre auch denkbar, aber zuletzt wurden sie eher als Werkzeuge eingesetzt. Sie sind, je nach Gebrauchszustand, länger und kürzer und können, bei erfolgten Ab- und Ausbrüchen auch mal recht asymmetrisch zuretuschiert und manchmal auch ohne spitz zulaufenden Ende sein.

Dennoch werden sei dann auch als "Spitzklingen" angesprochen.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#5


Hier einige Beispiele von Spitzklingen (alle aus importierten Maasfeuerstein vom Rijckholttyp)  in ganz unterschiedlichen Bearbeitungszuständen, aus dem hier gelegenen Projekt am rechten Niederrhein bei Duisburg. Der in drei Ansichten gezeigte Beleg, wurde aus zwei im Abstand von drei Jahren gefundenen Bruchstücken wieder zusammengesetzt.

Alle Klingen kommen aus einem Fundbereich, aus dem die meisten Gerätschaften aus Großklingen der Niederländischen Feuersteinvarietäte "Rijckolt" gefertigt worden sind. Ein ganz charakteristisches Phänomen der Michelsberger Kultur im Rheinland.


Alle Fundbelege sind heute im Besitz des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege und des Rheinischen Landesmuseums in Bonn.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Jondalar

Hallo Thomas,

vielen Dank für Deine Erläuterungen. Spitzklingen waren also das Schweizer Taschenmesser des Neolithikums...   ;)
Und auch vielen Dank für die Fotos, die das Geschriebene, vor allem die Varianz dieser Werkzeugtyps, eindrücklich verdeutlichen.
Viele Grüße

Jondalar

Nanoflitter


Danske

Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Nanoflitter


Jondalar

Hallo Nanoflitter,

vielen Dank für Dein Foto. Ich hatte mich nicht getraut, danach zu fragen... 
Habe daraufhin gestern Abend noch einmal im LBK-Kontext recherchiert und bin darüber 'versackt'  ;)  Selten, zumindest in der Literatur, die ich eingesehen habe, lassen sich in dieser Zeitstellung derartige Werkzeuge finden. Sie werden dann als 'Spitzgeräte' oder auch als 'Klingenspitzgeräte' bezeichnet. Da stellt sich mir bei der formalen Ähnlichkeit natürlich sofort wieder die Frage, worin der Unterschied zu den 'Spitzklingen' besteht...
Was nun mein Fund betrifft, gilt sicherlich das, was Thomas schrieb:

Zitat von: thovalo in 03. November 2024, 08:32:38Ein einzelnes Artefakt aus sich heraus zu datieren gelingt nur selten. Das ein Artefakt zum bekannten Inventar eines Platzes gehört ist ebenso nicht zwingend. Es muss sich in ein Fundinventar einfügen können.

Der Kontext spricht für eine LBK-Zugehörigkeit, formal scheint mir das Stück aber eher mit den Spitzklingen der Michelsberger Kultur übereinzustimmen. Wie so oft im menschlichen Kontext sind die Dinge eben nicht so einfach...  ;)
Viele Grüße

Jondalar 

RockandRole

Hallo Leute,

schöner Tröt. Ich lese interessiert mit, kann aber leider nix beitragen. Noch nie so etwas in ganzer Erhaltung gefunden.

Greets Daniel 

gefährliches Drittelwissen

Jondalar

Hallo zusammen,

bin ja nun seit kurzem stolzer Besitzer des 'Floss'. Auf Seite 457 (3 .Auflage) werden Spitzklingen thematisiert.
Viele Grüße

Jondalar

hargo


Jondalar

Hallo Hargo,

ich finde, dass der Fund hier im Forum sehr gut 'eingeordnet' wurde. Der Artikel im 'Floss' verdeutlichte mir noch einmal die zeitliche 'Reichweite' dieser Werkzeugform.
Viele Grüße

Jondalar