jungslawische Keramik (Teersiedekeramik ?)

Begonnen von Wiesenläufer, 20. Oktober 2018, 17:59:40

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Wiesenläufer

Moin,

ich muss dazu ein bisschen ausholen.
Es ist eine Siedlungsstelle die mit Funden ab dem 13. Jh. (bisher) beginnt. Einiges habe ich hier schon gezeigt.

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,73771.0.html
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,73741.0.html
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,74147.0.html

Das sind nur einige der Sachen, die ich hier reingestellt hatte. Ein Nachweis über die slawische Besiedlung habe ich in Form eines Gürtelhakens. (Bild ist unten angehängt)

Die Keramik beginnt mit jungslawischer des 12./eher 13. Jh. (überwiegend mit Gurtung, Wellenband usw.) Auf den Typ genau, möchte und kann ich mich nicht festlegen. Dazu fehlt mir bis jetzt noch das nötige Detail-Wissen. Jede Menge hart gebrannte Grauware/Frühdeutsche Keramik und setzt sich fort mit roter Irdenware bis hin in die Neuzeit.

Diese Keramik, um die es geht, ist abseits der Siedlungsstelle in einem ganz engen Radius. Insgesamt habe ich bisher 85 größere, sehr dickwandige Gefäß-Scherben. Dazu die üblichen Fingernagel großen Stücke. Ebenfalls sehr zahlreich. Die Keramik ist nicht nur innen sehr schwarz, teilweise auch außen. Die Hände sind sofort schwarz, wenn man sie anfasst. Die größten Scherben sind 6x8 cm

Bei einer kurzen draufsicht durch einen Mitarbeiter vom Landesamt, kam der Kommentar: "sieht aus wie Teersiede-Keramik"

Ich finde im Netz leider nur nicht wirklich was darunter. Sie wird zwar mitunter in einzelnen Berichten erwähnt und ich kann mir in etwa vorstellen wozu die "Pötte" genutzt wurden, mehr aber auch nicht. Kann Euch also keine Bilder oder Links dazu geben.

Was meint ihr dazu ?


Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Wiesenläufer

Hier noch ein paar Aufnahmen von dem Sortiment an Keramik.
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo



Liebe Gabi!

"Teersiede-Keramik" scheint ein regional tradierter Begriff zu sein!

In der fachlichen Ansprache ist das einfach(ste) Irdenware. Slawisch wie Du angeben kannst, mit den üblichen einfachen Dekorvarianten. An einigen Scherben scheinen Speisereste anzuhaften. Demnach wären das ganz typische schlichte Kochgefäße gewesen. Wenn einmal etwas darin angebrannt war, denn war ein Gefäß nicht mehr brauchbar und musste verworfen werden. Durch den prorösen Scherben bekam man den Geschmack des Angebrannten nicht merh heraus.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

angebrannte Speisereste  :glotz:
Wo genau sind die hier zu sehen?

mfg

Wiesenläufer

Moin Thomas,

"Irdenware" als allgemeiner Oberbegriff ist schon klar.  :zwinker:

Mit der Bezeichnung "Typ" bei slawischer Keramik ist hier die Unterscheidung in früh-, mittel- und spätslawisch gemeint. Was für diesen Fundplatz in der Zukunft noch sehr wichtig sein wird.
Mit der deutschen Besiedlung tritt immer mehr die blaugraue Keramik hier auf. (Bild)

Doch darum geht es gar nicht, sondern um den Zustand der Keramik. Angebrannte Kochtöpfe halte ich nicht für wahrscheinlich. Selbst wenn das Essen mehr als einmal angebrannt gewesen war, (ehe der Pott entsorgt wurde) würden sich die Spuren auf den Boden und Bodenansatzbereich, evtl. noch am unteren Wandungsbereich beschränken und wahrscheinlich auch nicht durch den ganzen Scherben ziehen.

Von den bisher gefundenen Stücken ist ein großer Teil so stark der Hitze ausgesetzt gewesen, dass es eher den Anschein einer Verkohlung hat.

Habt ihr vielleicht einen Link oder Bildansichten von Töpfen, die für die Teersiedung genommen wurden bzw. wie sie NACH Gebrauch aussehen ?

Ich habe nur das im Netz gefunden. "Ein Blick in den Teertopf und die Hochzeitstruhe....."

https://www.google.de/search?q=teersieden&ie=&oe=

Gruß
Gabi

Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Steinkopf

Moin,

zum Teersieden kann ich die Töpfe einer Aktion aus 2017 zeigen.
Es ist ein Replikat eine Topfes der Erteböllekultur mit Spitzboden.

Nach der Berührung mit Teer ist an der Verwendung in der Küche
nicht mehr zu denken.

LG

Jan

thovalo

Zitat von: hargo in 21. Oktober 2018, 00:02:34
angebrannte Speisereste  :glotz:
Wo genau sind die hier zu sehen?

mfg

An einigen Fragmenten scheinen auf der Innenseite Krusten aufzuliegen, aber das kann nur Gabi an den Scherben selber bestätigen oder nicht bestätigen.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: Steinkopf in 21. Oktober 2018, 08:16:43
Moin,

zum Teersieden kann ich die Töpfe einer Aktion aus 2017 zeigen.
Es ist ein Replikat eine Topfes der Erteböllekultur mit Spitzboden.

Nach der Berührung mit Teer ist an der Verwendung in der Küche
nicht mehr zu denken.

LG

Jan


Danke Jan!

Da ging es dann vermutlich um die Gewinnung von Birkenpech, nehme ich an.
Wird Birkenpech im Norden dann als Teer bezeichnet?

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Hi,

was man bei diesem Verfahren gewinnt ist zunächst noch recht flüssig - Teer.

Durch weiteres Eindampfen und durch Hinzufügung der beim Brennen zurückgebliebenen,
pulverisierten schwarzen Asche (von der Rinde) wird der Teer dann zäher und zäher.
Wie man daraus  Pech von fester Konsistenz gewinnt, hab ich noch nicht herausgefunden.

Man sollte nicht mit einem modernen Vorverständnis vom Sekundenkleber an die
steinzeitlichen Möglichkeiten herangehen. Gut eingepasste Spitzen, Mikolithen etc.
sitzen mit diesem 'Birkenpech'schon fest.

LG

Jan

thovalo



Danke für die Erläuterung.
Lieb von Dir!

:super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiesenläufer

Moin Jan,

Danke Dir für die Bilder. Genau so ein Vergleichsbild habe ich gesucht und die Beschreibung der Herstellung  :super:

Ich habe mir jede einzelne Scherbe unter der Lupe angesehen und konnte (außer, dass ich schwarze Finger hatte) nicht erkennen, ob Anhaftungen drauf waren, bis auf zwei Scherben. Von diesen beiden habe ich versucht, nochmal Nahaufnahmen zu machen. Werden wohl nicht besser sein als die schon gezeigten Bilder.

Die Wandungsstärke der Keramik beträgt im Durchschnitt 1-1,5 cm. Davon sind 0,5 cm  bis komplett anthrazit/tiefschwarz.

Wenn der Teer bzw. das Pech hergestellt wurde, müsste dann nicht so eine Art schwarzer "Lack" an der Innenseite der Keramik vorhanden sein oder bildet die hinzugegebene Asche um die Masse fest zu bekommen eine Trennschicht zwischen Topf und Masse ?

Ich stell mir den "Kochvorgang" so ein bisschen wie Zwetschgenmus kochen vor.  :schaem:

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo



Pu, dann habe ich mich ja nicht verguckt!  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Ein sehr verschlafenes Guten Morgen in die Runde....

...grundsätzlich würde ich solche Verkrustungen auf der Innenseite ebenfalls als verbrannte Speisereste ansprachen. Wenn es Teer sein sollte, müsste bei einer weiteren Erhitzung (Feuerzeug) doch ein typischer Geruch erkennbar ein? Mich wundert etwas, dass die Verkrustung auch im Bereich der Bruchfläche aufzuliegen scheint?

LG

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

undertaker

Hallo,

Das letzte Bild
ZitatDas sind nur einige der Sachen, die ich hier reingestellt hatte. Ein Nachweis über die slawische Besiedlung habe ich in Form eines Gürtelhakens. (Bild ist unten angehängt)
hat eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Teil, das wir vor ein paar Tagen im Museum in Bram/ Frankreich gesehen haben.
Es wurde dort als "Etiquettes de propriété" aus römischer Zeit bezeichnet.

Gut Fund

Undertaker
Gut Fund

Undertaker

Wiesenläufer

Moin,

aus römischer Zeit wäre echt ne Sensation. Es ist aber ein typischer Gürtelhaken der Slawen hier in MV aus der Zeit 11.-13. Jh.
Der Übersetzer zeigt mir unter dem Begriff immer nur was mit Etiketten an.  :kopfkratz:

Gruß
Gabi
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Sprotte

Hallo,

leider lässt sich die jungslawische Keramik ohne größere Randstücke nicht dem Vipperower oder Teterower Typ zuordnen, ist diese Keramik doch durchgehend Drehscheibenware und überwiegend mit Gurtriefen, aber auch mit Kerben und Wellenlinien verziert. Das ist eigentlich auch zweitranging, weil sich doch beide Typen räumlich und zeitlich überschneiden. Von "Teersiedekeramik" spricht man dann, wenn spezielle Gefäßformen vorliegen, die ausschließlich für die Trockendestillation von Birkenrinde Verwendung fanden. Diese Keramik zeichnet sich durch anhaftende Reste von Birkenpech aus (davon kann ich bei den vorliegenden Scherben aber leider nichts erkennen).

Viele Grüße
Sprotte

Wiesenläufer

Moin Sprotte,

Vielen,vielen Dank für die Einschätzung. Ist mir nämlich durchaus wichtig ob es nur eine Entsorgungsstelle war oder ein Werkplatz.

Es hieß lediglich, "sieht aus wie....". Muss also nicht zwangsläufig sein.

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

undertaker

Wollte auch nicht die Zeitstellung Slawisch in Frage stellen sondern nur auf die Ähnlichkeit hinweisen.
Gibt es Belegstücke aus Gräbern die die Zuordnung "Gürtelhaken" eindeutig belegen?
Die Übersetzung gibt einiges an Spielraum her. Geht von "das gehört mir" bis "gemacht aus..." Vergleichbar vielleicht mit Tuchplomben.

Undertaker
Gut Fund

Undertaker

Wiesenläufer

Moin,

aus Gräbern weiß ich nicht, aus Siedlungen sind sie bekannt. So wie Kugelzonengewichte oder Messerscheidenbeschläge. Häufige Siedlungsfunde.

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)