Abschlag

Begonnen von Danske, 06. April 2025, 21:44:38

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Danske

Guten Abend,

den hier gezeigten Abschlag aus rot-braunem, z.T. grünlich schimmernden Quarzit konnte ich nahe des Fundorts des Faustkeils
https://sucherforum.de/steinartefakte/faustkeil-83615/
auflesen.

Lutz Fiedler sprach ihn beim gestrigen Treffen der AG Alt- und Mittelsteinzeit Hessen als typischen Acheuléen-Abschlag an.

Wäre dann mein bisher ältester Fund im hiesigen Suchbereich. :prost:

Maße:
L: 115 mm
gB: 70 mm
gD: 25 mm
G: 302 gr

Die ersten 4 Fotos zeigen ihn mit Proximalende unten. Foto 1006 zeigt den glatten Schlagflächenrest und den Schlagkegel, der von einem direkten Schlag mit einem harten Schlagstein zeugt. Vom Schlagkegel gehen deutliche Radialstrahlen aus, die auf den Fotos leider nicht zu erkennen sind.

LG
Holger



Ignoramus, ignorabimus.

Furchenhäschen

#1
Hallo Holger,
sehr schöner Fund!
Wenn man das Foto DSCF1012 genauer betrachtet könnte man meinen die Nutzung des Artefakts als Schaber käme in Frage.
Äußerte sich Lutz Fiedler dahingehend nicht oder sieht evtl. dahingehend die Möglichkeit?

Grüße Peter

thovalo


Moin!

Auch als Abschlag ein Fundstück würdigen Alters!
Interessant ist es nun die Fundstelle im Blick zu behalten.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Zitat von: Furchenhäschen in 07. April 2025, 09:51:56sehr schöner Fund!
Wenn man das Foto DSCF1012 genauer betrachtet könnte man meinen die Nutzung des Artefakts als Schaber käme in Frage.
Äußerte sich Lutz Fiedler dahingehend nicht oder sieht evtl. dahingehend die Möglichkeit?

Hallo Peter,

danke und gut gesehen.

Lutz Fiedler meinte hierzu, dass es sich nicht um eine intentionelle, sondern eher um eine Gebrauchsretusche durch Nutzung des Abschlags, also beim Schneiden und Schaben, handeln würde. Eine Ansprache als Schaber käme daher nicht in Frage.

LG Holger
Ignoramus, ignorabimus.

Danske

Zitat von: thovalo in 07. April 2025, 12:01:20Auch als Abschlag ein Fundstück würdigen Alters!
Interessant ist es nun die Fundstelle im Blick zu behalten.

Hallo Thomas,

ja, auch wenn es sich "nur" um einen Abschlag handelt, ist er ein bedeutender Fundbeleg für eine Begehung des Platzes durch den frühen Menschen.

Überhaupt werden Abschläge nicht selten und zu unrecht stiefmütterlich behandelt, gehören sie doch zu den am häufigsten genutzten Werkzeugen zumindest im Paläolithikum. Lutz Fiedler hat dass in seinem Vortrag erläutert. Wenn ein größeres Beutetier erlegt war, standen die Jäger nicht selten in Konkurrenz zu anderen Carnivoren und mussten die Beute schnell zerlegen und abtransportieren. Mit einfach hergestellten großen Abschlägen war das rasch zu erledigen.

Auf jeden Fall habe ich die Fundstelle im Blick. Da die Begehung der Ackerflächen mit aufgehender Saat nun erstmal ruht, können die Wingertzeilen noch gut begangen werden, auch wenn Funde dort seltener sind.

LG Holger
Ignoramus, ignorabimus.

thovalo



Moin1

So eine Fundtelle ist immt toll und faszinierend. Was Du zu der Verwendung,insbesondere bei der Zerlegung von Jagdbeute geschrieben hast ist absolut nachvollziehbar!

So ist e sja oft auch wenn erbeutete Tiere gefunden werden. Oft finden sich darum herum dann Abschläge die zur Zerlegung verwendet worden sind.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Hallo Danske,

den Kern dazu findest du bestimmt auch noch. Was für ein Klopper. Die Zeitstellung ist für mich nicht zu begreifen bei so einem hohen Alter. Das Material ist fantastisch.
Dein Beitrag bereitet mir sehr viel Freude.

Gut Fund
Fischkopp

Danske

Zitat von: Fischkopp in 12. April 2025, 22:43:23den Kern dazu findest du bestimmt auch noch. Was für ein Klopper. Die Zeitstellung ist für mich nicht zu begreifen bei so einem hohen Alter. Das Material ist fantastisch.
Dein Beitrag bereitet mir sehr viel Freude.

Hallo Fischkopp,

danke, das freut mich.

Der Fund des Kerns, an den ich den Abschlag anpassen könnte, wäre natürlich ein Highlight. Wenn ich das Glück hätte, den zu finden, würde ich sofort mit dem Lottospielen anfangen. :zwinker:
Das Material ist der hier in Rheinhessen bevorzugte rötlich-braune Quarzit, der häufig in Form von Geröllen in Flus- und Terrassenschottern zu finden ist.

Wenn ich mal wieder nach Krakow am See fahre, melde ich mich, vielleicht können wir uns da oben mal treffen.

Wünsche Dir auch eine fundreiche Saison, liebe Grüße
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

RockandRole

Servus Holger,

Glückwunsch zu dem gewichtigen Fundstück. Wenn man sich das Teil so ansieht, könnte man meinen, dass man da schon so eine Art Proto-Levallois-Technik angewandt hat  :glotz:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Danske

Servus Daniel,

dank dir, ja, der Abschlag dürfte wohl einen großen, wenn nicht größten Teil der Abbaufläche eines diskoiden Kerns beansprucht haben.

Proto-Levallois-Technik? :kopfkratz:
Dafür könnte neben der Größe die fehlende Schlagflächenpräparation und der relativ massive und nicht gleichmäßig dicke Querschnitt sprechen.

Würde dahingehend nochmals Lutz Fiedler ansprechen, der dazu beim Treffen nichts gesagt hatte. Mal schauen, welche Ansprache vom Amt kommt.

Liebe Grüße
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

hargo


RockandRole

Moin Holger,

das Wort findest du wahrscheinlich gar nicht in der Nomenklatur  :-) das war auch keine wissenschaftliche Ansprache, das war nur mein Eindruck und meine wirklich sehr lebhafte und bildliche Vorstellung wie da ein Kern ,präpariert' wurde. Schlagflächenvorbereitung muss aber selbst bei Levallois-Strategie nicht immer sein  :winke:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Furchenhäschen

Zitat von: RockandRole in 14. April 2025, 05:35:36Moin Holger,

das Wort findest du wahrscheinlich gar nicht in der Nomenklatur  :-) das war auch keine wissenschaftliche Ansprache, das war nur mein Eindruck und meine wirklich sehr lebhafte und bildliche Vorstellung wie da ein Kern ,präpariert' wurde. Schlagflächenvorbereitung muss aber selbst bei Levallois-Strategie nicht immer sein  :winke:

Liebe Grüße Daniel
Hallo Daniel,

das dachte ich mir doch,
wo hat er denn plötzlich die "Proto-Levallois-Technik" rausgezogen? :-)

Grüße Peter

Danske

Zitat von: RockandRole in 14. April 2025, 05:35:36das Wort findest du wahrscheinlich gar nicht in der Nomenklatur  :-) das war auch keine wissenschaftliche Ansprache, das war nur mein Eindruck und meine wirklich sehr lebhafte und bildliche Vorstellung wie da ein Kern ,präpariert' wurde. Schlagflächenvorbereitung muss aber selbst bei Levallois-Strategie nicht immer sein  :winke:

Doch, zumindest Lutz Fiedler beschreibt die Proto-Levallois-Technik in seinem Buch "Altsteinzeit von A-Z" und bezeichnet sie als eine Vorstufe zur Levallois-Technik. Dahinter steht ein Schema der sehr komplexen Entwicklung speziell präparierter diskoider Kerne u.a. zur Erzeugung von singulären Abschlägen.

Liebe Grüße
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

Furchenhäschen

#14
Zitat von: Danske in 14. April 2025, 08:25:37Doch, zumindest Lutz Fiedler beschreibt die Proto-Levallois-Technik in seinem Buch "Altsteinzeit von A-Z" und bezeichnet sie als eine Vorstufe zur Levallois-Technik. Dahinter steht ein Schema der sehr komplexen Entwicklung speziell präparierter diskoider Kerne u.a. zur Erzeugung von singulären Abschlägen.

Liebe Grüße
Holger
Hallo,
das ist schon bemerkenswert :-) in meiner umfangreichen Fachliteratur ist der Begriff nicht zu finden.

Das findet sich dazu im Netz

Victoria-West-Technik
Diese Technik, benannt nach einer Fundstelle in Südafrika, ist lange als Proto-Levalloistechnik angesehen worden.[10] Der Kern, von dem die Abschläge erfolgten, ist hier eher breit als lang. Eine neuere Untersuchung zeigt keine genealogischen Zusammenhänge zu Inventaren mit Levalloistechnik in Europa und bezeichnet sie treffender als Para-Levalloistechnik.[11] Daher besteht kein Anlass, die Genese der Levalloistechnik in Südafrika zu verorten.
Lieber Holger, frag doch mal in diesem Zusammenhang Herr Fiedler wie es zu dieser (veralteten) Bezeichnung kommt.
Grüße Peter

Furchenhäschen

Zitat von: Furchenhäschen in 14. April 2025, 08:49:27Hallo,
das ist schon bemerkenswert :-) in meiner umfangreichen Fachliteratur ist der Begriff nicht zu finden.

Das findet sich dazu im Netz

Victoria-West-Technik
Diese Technik, benannt nach einer Fundstelle in Südafrika, ist lange als Proto-Levalloistechnik angesehen worden.[10] Der Kern, von dem die Abschläge erfolgten, ist hier eher breit als lang. Eine neuere Untersuchung zeigt keine genealogischen Zusammenhänge zu Inventaren mit Levalloistechnik in Europa und bezeichnet sie treffender als Para-Levalloistechnik.[11] Daher besteht kein Anlass, die Genese der Levalloistechnik in Südafrika zu verorten.
Lieber Holger, frag doch mal in diesem Zusammenhang Herr Fiedler wie es zu dieser veralteten, nicht unbedingt üblichen Bezeichnung kommt.
Grüße Peter

Danske

#16
Hallo Peter,

ich werde Lutz Fiedler auf jeden Fall darauf ansprechen.

Betreffend die Ausführungen zur sog. "Proto-Levallois-Technik" zitiere ich einfach mal aus "Altsteinzeit von A-Z":

Proto-Levallois-Technik, eine Vorstufe der komplexen Levallois-Technik. Anhand umfangreicher Fundkomplexe des älteren Paläolithikums in Südafrika konnte C. van Riet Lowe schon 1945 ein Schema der sehr komplexen Entwicklung der speziell präparierten Kerne und diverser Arten von Zielabschlag-Gewinnung vorlegen. Er fasste dabei unter dem Begriff Proto-Levallois-Technik sowohl die Herstellung von Cleaver-flakes als auch das Erzeugen singulärer Zielabschläge von diskoiden Kernen zusammen. Wesentlich dabei war ihm, dass noch keine feinpräparierten Schlagflächen angelegt wurden und die Zielabschläge (deshalb) noch relativ massive Querschnitte hatten.
Intentionale, den größten Teil der Abbaufläche von diskoiden Kernen beanspruchende Zielabschläge mit grober Schlagflächenpräparation finden sich unter anderem in den Acheulèen-Inventaren von Bergerac, Cagny, St. Acheul, Markkleeberg und Ziegenhain. Bei F.Bordes und G.Bosinski werden sie einfach nur als Levallois-Abschläge beschrieben. Das führte in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu der Auffassung, dass die diskoide Kerntechnik Bestandteil oder sogar Kennzeichen der Levallois-Technik sei. Indes wird nur bei letzterer der Schlagpunkt durch eine Feinpräparation nahe an der Kernkante festgelegt. Während die Proto-Levallois-Technik schon im Altpaläolithikum vorkommt, erscheint die eigentliche Levallois-Technik erst am Beginn des Mittelpaläolithikums. Um Verwechslungen mit der von van Riet Lowe beschriebenen Victoria-West-Technik, die er Proto-Levallois-Technik nennt, zu ermeiden, sollte die hier gemeinte "Ur-Form" der Levallois-Methode nach der fundreichen Gegend um Bergerac als Bergeracois-Technik bezeichnet werden.

'Bergeracois-Technik', ein Vorschlag für die Beschreibung einer grundlegenden Variante der Levallois-Technik.
Der Levallois-Technik liegt die Idee zugrunde, von Kernen mit gewölbten Abbauflächen möglichst flache und Zugleich in ihrer Größe und Form vorherbestimmbare Zielprodukte abzulösen. Diese Idee ist nicht an einem Tag entstanden, sondern ist aus der Erfahrung mit der diskoiden Kerntechnik entwickelt worden. Sie blieb dann annähernd 300 000 Jahre lang eine der wichtigsten Methoden der kontrollierten Abschlaggewinnung. In dieser langen Zeit wurden Verfeinerungen erprobt, die allmählich zu der charakteristischen Ausprägung führte, die als Levallois-Technik s.s. - also derjenigen im strengen Sinn - mit schmalen sinusförmig aufgewölbten Schlagflächen "en chapeau de gendarme" führte. Im Acheulèen findet sich neben der zunehmend ausgeübten entwickelten Levallois-Technik meistens noch eine etwas einfachere Variante mit weniger sorgfältig präparierten Schlagflächen, deren Herkunft aus der diskoiden Kerntechnik unzweifelhaft ist. Für sie wird hier nach der fundreichen Gegend um Bergerac, dem Bergeracios, die Bezeichnung Bergeracois-Technik vorgeschlagen. F.Bordes beschrieb sie 1961 als débitage proto-Levallois und kennzeichnete sie so als Grundmodell der Levallois-Technik. Sie entspricht dabei den meisten Beispielen der von Eric Boeda vorgestellten Methoden und Konzepte zur Gewinnung großer Zielabschläge der Levallois-Technik sensu lato.
In der Bergarcois-Technik wurde auf eine sehr feine Präparation der Schlagflächen verzichtet oder diese ganz unterlassen, wenn der kern schon eine geeignete Kante zum Abtrennen eines Zielabschlags hatte. Deshalb sind die Schlagflächenreste an den Produkten dieser Technik oftmals nur grob facettiert oder weisen sogar keine spezielle Präparation auf....
Beide Varianten der Levallois-Technik kommen seit dem Jungacheuléen in zahlreichen Fundinventaren gemeinsam vor und lassen sich im Einzelfall nicht immer scharf trennen. Die bergeracois-Technik tritt zeitlich jedoch schon vor der speziellen Levallois-Technik auf und erscheint in Afrika mit Inventaren des mittleren Acheuléen bzw. frühen jüngeren Acheuléen wahrscheinlich seit mehr als 500 000 Jahren. Nach eigenen Beobachtungen finden sich schon vereinzelte Artefakte dieser Art erstmals in Bed III der Olduvai-Sequenz als Produkte der dortigen Proto-Levallois-Technik, wie sie van Riet Lowe für das subsaharische Afrika beschrieben hat. In Mitteleuropa sind Erzeugnisse dieser Technik gut in dem von A.Luttropp und G.Bosinski ausführlich publizierten Acheuléen-Inventar der "Reutersruh" bei Ziegenhain (Hessen) vertreten.

Liebe Grüße
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

Furchenhäschen

#17
Hallo Holger,
vielen Dank für die Umfangreiche Info.
In der Tat schreibt Lutz Fiedler im Werk Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit auf Seite 241 einen Abschnitt Diskoider Kern für Zielabschlag, Protolevallois-Kern.
Damit wird meiner Meinung nach als Protolevallois aber nur der Kern als solcher angesprichen.
Vielleicht könnte man erfragen ob daraus dann ein Protolevalloisabschlag folgt.

Grüße Peter

Danske

Zitat von: Furchenhäschen in 14. April 2025, 16:33:49In der Tat schreibt Lutz Fiedler im Werk Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit auf Seite 241 einen Abschnitt Diskoider Kern für Zielabschlag, Protolevallois-Kern.
Damit wird meiner Meinung nach als Protolevallois aber nur der Kern als solcher angesprichen.
Vielleicht könnte man erfragen ob daraus dann ein Protolevalloisabschlag folgt.

Hallo Peter,
das werde  ich auf jeden Fall tun.

Liebe Grüße
Holger
Ignoramus, ignorabimus.