Stichel an Endretusche

Begonnen von RockandRole, 01. November 2023, 19:06:57

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RockandRole

Servus Leute,

am Sonntag durfte ich mal wieder losziehen um einige meiner Stellen zu besuchen.
Der hauptsächlich mesolithische Acker war perfekt abgeregnet und ich durfte nahezu in jeder Bahn etwas auflesen.
Stichel habe ich von dort nur einige so 1-2 Stück konnte ich bisher finden. Die müssen auch nicht unbedingt ins Mesolithikum gehören, denke ich jedenfalls. Es finden sich auch vereinzelt Artefakte, welche man am Ende des Paläolithikums einordnen könnte. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, weil das Umfeld auch sowas hergibt. Der Nebenplatz birgt einen Schlagplatz, vermutlich aus dem Spätpaläolithikum. Von dort gibt es eine krumpelige Rückenspitze. Die Kerne sind auch nicht so fein wie die aus dem Mesolithikum. Wie gesagt, ist nur meine persönliche Meinung.
Jedenfalls geht hier die letzte Stichelbahn auf Bild 3 und 4 komplett durch, auf dem letzten Bild kann man den Bulbus sehen.
Leider war der Schlagplatz mit Gras angesät und wurde wohl jetzt aus der Bewirtschaftung herausgenommen. Denke mal, das könnte diesem Platz auch drohen. Der ist schon sehr sandig und selbst der Klee ist darauf vor 2 Jahren nicht angegangen.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

Hier noch das letzte Bild  :winke:
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Ja sehr eindeutig, vor allem das letzte Bild. Gruss..

Danske

Zitat von: RockandRole in 01. November 2023, 19:06:57Jedenfalls geht hier die letzte Stichelbahn auf Bild 3 und 4 komplett durch, auf dem letzten Bild kann man den Bulbus sehen.

Hallo Daniel,
auch für mich als absoluter Laie, vor allem was die Geräteform "Stichel" angeht, ist die letzte Stichelbahn gut zu erkennen. Aber du meinst doch Bulbusnegativ, oder?

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

thovalo

#4

Guten Morgen!

Ein absolut typischer "einfacher Stichel an Endretusche" des späten Paläolithikums. Diese Ausführung ist auf spätpaläolithischen Fundplätzen charakteristisch, aber nicht so zahlreich vertreten, wie etwa kurze Kratzer und Stücke mit partiellen Retuschen. Ihr Auftreten ist davon abhängig, welche Aktivitäten auf einem Platz ausgeführt worden sind.

Ich hänge hier Bilder eines nahen Vergleichsstücks von einem spätpaläolithischen Fundplatz bei Düsseldorf mit an. Das Konzept ist genau dasselbe.

Dass es diese Art Stichel im Mesolithikum gegeben hätte, lese und höre ich gelegentlich auch. Ich kenne im Rheinland alle publizierten mesolithischen Fundplätze. Unter den zehntausenden Artefakten gibt es keinen einzigen Stichel der gesichert in das Mesolithikum datiert. Dennoch wird das behauptet.

Ich denke, dass es in Frankreich anders sein kann. Wie sieht es denn in Hessen und Bayern aus? Gibt es dort Belege von Sticheln die GESICHERT aus mesolithischen Kontext stammen? Das heisst aus Grabungen die frühere Eintragungen ausschließen? Denn das späte Paläolithikum und das frühe Mesolithikum nutzten bevorzugt gleichartige Geländesituationen und sind im Oberflächenaufkommen oft vermischt.


lG Thomas

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Zitat von: thovalo in 02. November 2023, 10:08:08Guten Morgen!


Ich denke, dass es in Frankreich anders sein kann. Wie sieht es denn in Hessen und Bayern aus? Gibt es dort Belege von Sticheln die GESICHERT aus mesolithischen Kontext stammen? Das heisst aus Grabungen die frühere Eintragungen ausschließen? Denn das späte Paläolithikum und das frühe Mesolithikum nutzten bevorzugt gleichartige Geländesituationen und sind im Oberflächenaufkommen oft vermischt.


lG Thomas
Hallo Miteinander,

erstmal Gratulation an Daniel für den Fund des schönen Stichel.

Dann zur Frage von Thomas,
ja den Nachweis von Sticheln aus mesolithischem Kontext gibt es, nachzulesen im Werk von Martin Heinen 
"Sarching `83 und `89/90
Untersuchungen zum Spätpaläolithikum und Frühmesolithikum in Südost-Deutschland.

Zitat Beispielhaft aus dem o.g. Buch






[/quote]

thovalo

Zitat von: Furchenhäschen in 02. November 2023, 15:44:58Hallo Miteinander,

erstmal Gratulation an Daniel für den Fund des schönen Stichel.

Dann zur Frage von Thomas,
ja den Nachweis von Sticheln aus mesolithischem Kontext gibt es, nachzulesen im Werk von Martin Heinen 
"Sarching `83 und `89/90
Untersuchungen zum Spätpaläolithikum und Frühmesolithikum in Südost-Deutschland.

Zitat Beispielhaft aus dem o.g. Buch


Dankeschön, das ist klasse! Sowas sehe ich hier das erst mal und noch die Frage: sind das ergrabene Artefakte aus einem stratifizierten Kontext?


lG Thomas  :winke:





Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen


Hallo Thomas,
ja, es handelt sich um ergrabene Artefakte.
Im Buch sind die archäologischen Auswertungen präzise aufgeführt.
Das Buch ist sensationell, wer sich für das frühe Mesolithikum interessiert. Die Grabungen fanden bei Regensburg statt.

Grüße
Peter

thovalo

Zitat von: Furchenhäschen in 02. November 2023, 16:00:48Hallo Thomas,
ja, es handelt sich um ergrabene Artefakte.
Im Buch sind die archäologischen Auswertungen präzise aufgeführt.
Das Buch ist sensationell, wer sich für das frühe Mesolithikum interessiert. Die Grabungen fanden bei Regensburg statt.

Grüße
Peter

Nochmal vielen Dank für die Antwort. Dann gibt es sie wohl in Bayern. Im Rheinland gibt es diese dann sehr späten Stichel nicht.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Zitat von: thovalo in 02. November 2023, 18:15:48... Im Rheinland gibt es diese dann sehr späten Stichel nicht.
...

Wie bereits Jürgen Weiner erwähnte?
Nach der Quelle müsste ich suchen  :kopfkratz:

mfg


thovalo

Zitat von: hargo in 02. November 2023, 23:38:38Wie bereits Jürgen Weiner erwähnte?
Nach der Quelle müsste ich suchen  :kopfkratz:

mfg



Moin!

Ja, daran kann ich mich auch erinnen. Wie er auch klar verteidigt hat, dass es im Neolithikum keinen intenstionell hergestellte Stichel gibt. Einige andere wissenschaftliche Autoren behaupten das anders.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Worauf man sich aber sicher einigen kann ist, dass der Artefattyp des Stichels grundlegend ein altsteinzeitliches Werkzeug gewesen ist. Und in der Literatur zeigt sich, dass sie einen Höhepunkt der Verwendung in den beiden hier jetzt gezeigten Formaten in der Zeit des späten Paläolithikums hatte.

Von dem Fundplatz bei Düsseldorf liegen, einschließlich der nicht anpassenden Stichellamellen (schön wäre es gewesen), inzwischen über 30 direkt und indirekt nachweisbare Stichel vor. Die für einen Fundplatz, zumindest im Rheinland, extrem hohe Anzahl, schließt schon für sich allseine eine mesolithische Datierung kategorisch aus.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

#12
Zitat von: Furchenhäschen in 02. November 2023, 16:00:48Hallo Thomas,
ja, es handelt sich um ergrabene Artefakte.
Im Buch sind die archäologischen Auswertungen präzise aufgeführt.
Das Buch ist sensationell, wer sich für das frühe Mesolithikum interessiert. Die Grabungen fanden bei Regensburg statt.

Grüße
Peter

Hallo,

ergänzend dazu die Auswertung der ergrabenen Artefakte, auszugsweise aus 2 Bereichen.
Ist ja mal recht interessant wie sich der Anteil der verschiedenen Werkzeuge zusammensetzt.
Wie man sieht ist der Stichelanteil im frühen Mesolithikum in der Oberpfalz noch als relativ hoch anzusehen.
Daniels Fundgegend liegt nochhhhhh in Bayern.  :-)
Grüße
Peter

thovalo

#13

Moin und guten Abend!

Was ist denn in Bayern "Jungmesolithisch"? Womit ist das synonym?

Bei uns gibt es das Frühmesolithikum, das Mittelmesolithikum und das Spätmesolithikum und das späteMesolithikum mit einem Anteil bereits flächig retuschierter Mikrolithen. Die Beuronienstufen sind eine süddeutsche Terminologie.

Wir haben als besondere nord-westliche Stufe noch das RSM-Mesolithikum (Rhein/Maas/Schelde).

Der Begriff Microburin/Mikrostichel wird hier gar nicht verwendet und git als umstritten.

Der Anteil der Stichel ist bei Euch sogar sehr hoch!
Da scheint sich dieser Gerätetyp im von hier aus fernen Süden viel länger im Gebrauch gehalten zu haben!

"Zum Glück" sind auf dem bei Düsseldorf gelegenen Fundareal nur Rückenspitzen vertreten. Im späten Paläolithikum sind im Rheinland  allerdings auch generell mikrolithische Formen mit vertreten. Die allerdings nur vereinzet.

So sind die steinzeitiichen Welten in den unterschiedlichen Öandschaften doch sehr unterschiedlich!

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

#14
Zitat von: thovalo in 03. November 2023, 21:23:14Moin und guten Abend!

Was ist denn in Bayern "Jungmesolithisch"? Womit ist das synonym?

Bei uns gibt es das Frühmesolithikum, das Mittelmesolithikum und das Spätmesolithikum und das späteMesolithikum mit einem Anteil bereits flächig retuschierter Mikrolithen. Die Beuronienstufen sind eine süddeutsche Terminologie.

Wir haben als besondere nord-westliche Stufe noch das RSM-Mesolithikum (Rhein/Maas/Schelde).

Der Begriff Microburin/Mikrostichel wird hier gar nicht verwendet und git als umstritten.

Doch, den Begriff verwendet Heinen und die Herausgeber Gehlen und Werner Schön schon in der 2. Tafel.

Ich gehe davon aus, dass er unter Jungmesolithikum wie der Name sagt ein noch junges also Frühes Mesolithikum anspricht. Weshalb da zwischen den Begriffen hin und her gesprungen wird ist mir auch rätselhaft.
Ich kenne ebenfalls nur die von Dir oben benannten Begriffe.


Aber ich gebe zu bedenken,  Martin Heinen, Birgit Gehlen und Werner Schön sind auf diesem Gebiet schon sehr anerkannte Fachleute.


lG Thomas  :winke:

Grüße Peter

Herlitz

Hallo,

beim Jungpaläolithikum und Jungneolithikum ist jeweils die uns am nächsten liegende Zeit gemeint. Jungmesolithikum kenne ich als Bezeichnung nicht, es wird sich aber auch da um die letzte Phase handeln. Also das ausgehende Mesolithikum.
 :winke:  Sven

Furchenhäschen

Hallo,
die Grabung bestand aus III Abschnitten.
   I.Abschnitt Spätpaläolithikum 11.000 v.Chr.
 II. Abschnitt Frühmesolithikum 9.000 - 7.000 v.Chr.
III. Abschnitt Mesolithikum 7.000 v. Chr.bezieht sich auf Bild _20231103_172445.jpg
Eben nochmal nachgelesen.
Das "Jungmesolithikum" wird anhand von 3 C - Daten zeitlich auf 6470-7480 cal BC angegeben.

Grüße
Peter

hargo

#17
Zitat von: Herlitz in 04. November 2023, 16:49:01...
beim Jungpaläolithikum und Jungneolithikum ist jeweils die uns am nächsten liegende Zeit gemeint. Jungmesolithikum kenne ich als Bezeichnung nicht, es wird sich aber auch da um die letzte Phase handeln. Also das ausgehende Mesolithikum.
...


Hallo,

Jungmesolithikum =  m. E. Früh- (ca. 9600-7000 v. Chr).
Keinesfalls die uns am nächsten liegende (ausgehende) Phase!

mfg

Furchenhäschen

#18
Zitat von: Herlitz in 04. November 2023, 16:49:01Hallo,

beim Jungpaläolithikum und Jungneolithikum ist jeweils die uns am nächsten liegende Zeit gemeint. Jungmesolithikum kenne ich als Bezeichnung nicht, es wird sich aber auch da um die letzte Phase handeln. Also das ausgehende Mesolithikum.
 :winke:  Sven

Hallo Sven,
genau so ist!
Die Bezeichnung Jungmesolithikum ist wohl etwas unglücklich, kannte ich bislang auch nicht und halte ich auch nicht für üblich..
Ich habe jetzt nochmal die chronologische Stellung der Grabungsquadrate angesehen und die bestätigen diese Annahme.

Grüße
Peter

RockandRole

Servus Leute,

Vielen Dank für die rege Diskussion, die auch vollständig ohne mich abgelaufen ist  :winke:

Holger, ja das meinte ich. War ein kleiner  Verschreiberl.

Den Stichel den Thomas gezeigt hat, ist einer mit hohler Endretusche. Das ist schon ein Unterschied zu meinem. Bei einer hohlen Endretusche hat man wohl immer einen passenden Schlagwinkel. Eigentlich genial. Meine ist ja konvex. Das soll jetzt nicht datierend gemeint sein.

Hab jetzt mal bei Benni geschaut, in seinen Arbeiten spielen (oder die ich gerade noch mal angeschaut habe) eigentlich keine Rolle. Muss da noch mal nachfragen wie er die Sache mit den Sticheln im Mesolithikum bei uns so sieht.

Ich schau mal nach den anderen Sticheln von dem Platz.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

gefährliches Drittelwissen

RockandRole

Dann der hier noch auf gerader Endretusche.

Dann habe ich noch einen an einer Kernfußklinge mit leichter Kratzerstirn. Das Artefakt ist aber auch auf dem Amt.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Sprotte

Hallo,

innerhalb der Maglemose-Kultur (ca. 9000 bis 6500 v. Chr.) als älteste mesolithische Kultur des nordeuropäischen Tieflandes sind Stichel in unterschiedlicher Ausführung ein typisches Element des Artefaktbestandes, was ich durch eigene Auflesungen nur bestätigen kann. Die Frage, ob Stichel während des Mesolithikums hergestellt worden sind oder nicht, mag in anderen Gebieten Deutschlands natürlich ganz anders beantwortet werden.

Viele Grüße
Sprotte