Zwei Neufunde von Pfeilschneiden (rechter Niederrhein)

Begonnen von thovalo, 07. Mai 2017, 21:14:54

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thovalo



Vor drei Tagen fanden sich auf einem komplex strukturierten neolithischen Fundareal auf dem rechten Ufer des Niederrheins erneut zwei gut erhaltene Pfeilschneiden (auf den ersten beiden Bildern Oben; darunter der vor zwei Wochen entdeckte Fundbeleg einer anderen Pfeilschneide vom selben Fundpunkt).  

Eine davon ist vollständig weiß patiniert während die andere das verwendete Silikatgestein unverändert zeigt. Die spezifischen Hintergründe der Patinierung des Projektils sind unklar.

Die patinierte Pfeilschneide ist dem Eindruck nach am ehesten aus einem Klingenabschnitt gefertigt worden. Das unpatinierte Projektil ist gesichert aus einem Abschlag gearbeitet worden. Der Bulbus ist im Schäftungsbereich der Geschossspitze erhalten geblieben und entlang des kurzen unteren Kantenverlaufs anretuschiert worden.


Auf dem Fundgelände finden sich die Belege von Pfeilschneiden inzwischen häufiger als Pfeilspitzen.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#1

Der Neufund der patinierten Pfeilschneide.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Die Retuschierung der unpatinierten Pfeilschneide
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Schöne Belege :super: Wie breit sind denn die Klingen so gewesen? Ich kann das wegen fehlender Maßangaben leider nicht einschätzen. :-D Gruss...

thovalo

#4


Die Breite der verwendeten Klingen erschließt sich über die Länge der Pfeilschneiden und liegt hier zwischen:

1.2 cm   und   2.6 cm


Die drei Neufunde liegen im Mittel.


Die Frage ist interessant, weil der Ort selber nicht über lokale Silexlagerstätten verfügt. Sicher ist, dass am Ort selber schmale Klingen aus Schotterfeuerstein hergestellt worden sind und aus diesen Klingen wiederum der größere Teil der Pfeilschneiden. Es finden sich sowohl Belege von Kernsteinen mit Klingenbahnen und insbesondere Klingen und Klingenbruch. Der Schotterstein konnte linksrheinisch in den FLusschottern ausgelesen werden und kommt hier auf der rechten Rheinseite nicht mit vor.


Die größeren Pfeilschneiden wurden wohl eher aus eingeführten Grundformen von eingetauschten oder eingetragenen Klingen hergestellt. Es sind daneben auch Abschläge von zerlegten Feuersteinbeilklingen zu Pfeilschneiden (mit erhaltenen Schliffpartien) zugerichtet worden.


Die Pfeilschneiden des Fundgeländes datieren weit überwiegend oder sogar vollständig in die Zeit des späten Neolithikums (3.700/3.500 -  ca. 2.700 v. Chr.). Der konkrete kulturelle Bezug ist bislang noch nicht bekannt, da Funde der späten Jungsteinzeit im Rheinland und am Niederrhein kaum vorhanden bzw. kaum identifiziert werden konnten. Der Fundort ist der erste Platz am Niederrhein der sehr umfangreichen Fundmaterial aus dieser Zeit überliefert.

Es scheint eine zunehmend von Konflikten bestimmte Zeit gewesen zu sein. Der zugang zu den Rohfeuersteinquellen in der Maasregion schein tbeschränkt gewesen zu sein. Es wurden auch zahlreiche der am Ort hinterlassenen Feuersteinartefakte sekundär verwendet oder als Rohsilexquellen zerlegt (insbesondere die Feuersteinbeilklingen).


Der Hauptbezug von Silex stammte nun aus den linksrheinisch abgelagerte Schotterfeuersteinvorkommen. Daraus ist der größere Anteil der hier aufgelesenen Pfeilschneiden angefertigt worden.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

1.2cm ist wirklich winzig, für eine normale dreieckige Pfeilspitze kaum vorstellbar. Dank dir, Gruss..

StoneMan

Moin,

auch hier meinen Glückwunsch zu Deinen Neufunden  :Danke2:

Mit der winzigen 12 mm breiten Schneide kann ich mithalten, mit der Quantität Deiner Pfeilköpfe bei Weitem nicht.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#7
Zitat von: StoneMan in 08. Mai 2017, 17:31:58
Moin,

auch hier meinen Glückwunsch zu Deinen Neufunden  :Danke2:

Mit der winzigen 12 mm breiten Schneide [url=http://www.sucherforum.de/index.php/topic,53849.msg335267/topicseen.html#msg335267]kann ich mithalten[/url], mit der Quantität Deiner Pfeilköpfe bei Weitem nicht.

Gruß

Jürgen



Hallo Jürgen!

12 mm war allerdings nicht die Breite sondern die Länge der Pfeilschneide!
Die ist so lang wie Deine breit!


1.2 cm LÄNGE des Projektils (das ist dann die Breite der verwendeten Klinge) und 1.6 cm BREITE der Schneide.
Der Winzling ist 1/4 kürzer als breit und perfekt aus einer hauchdünnen Klinge gefertigt worden.


Da muss man sehr genau hinschauen beim Laufen :glotz: sonst stecken die mit im Dreck im Schuhprofil!


lG Thomas  :winke:



Sofern Interesse besteht mache ich gerne auch mal Bilder von dem Zwergengeschoß!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: thovalo in 08. Mai 2017, 18:41:43
...

Sofern Interesse besteht mache ich gerne auch mal Bilder von dem Zwergengeschoß!


Selbstverständlich  :super:  :glotz:

Jürgen :winke:
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#9


Puh, bei den geringen Dimensionen sind die Bilder mit dem Vermögen meiner aktuellen Kamera gar nicht so einfach hin zu bekommen.
Durch die dünne transluzide Grundform kann man auch die dahinter liegende Fingerkuppe sehen!


LÄNGE dieses Projektils: 12 mm
BREITE der Schneidenpartie: 16 mm



Aktuell ist das die allerkleinste Variante   :glotz:  und für einen Fundplatz in NRW auch eine kleine archäologische Kostbarkeit.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter


StoneMan

#11
Moin,

jau, feines Teil  :super: sagte ich ja bereits an anderer Stelle, ich mag die lütten Dinger  :-D

Ich konnte nicht anders, ich habe sie mal maßstabsgetreu "verheiratet".

Gruß

Jürgen

Edtit > ich habe noch ein Centstück dazu gelegt, das verdeutlicht besser die Dimension als der Maßstab.
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#12
 

      :-)


Wenn ich nur mal die notwendige Zeit und Ruhe dafür hätte mich damit zu beschäftigen wie man so tolle Montagen und Bilder hin bekommt!
Danke Jürgen für Deine Mühe(n)!

Toll!  


Ich weiß, dass es bei Eulau absolut gesichert den Hinweis auf die Verwendung von Pfeilen mit Pfeilschneiden bei der Tötung von Menschen gibt. Sie dienten sicher auch der Bewehrung von Waffen die gegen Menschen eingesetzt werden konnten und eingesetzt worden sind. Pfeilschneiden dringen nach der Literatur zur experimentellen Archäologie nicht nur in Körper ein sondern können sie auch durchschlagen. Insofern sind sie Pfeilspitzen in der tödlichen Wirkung absolut gleich gestellt.

Nach der Literatur verursachen die PfeilSCHNEIDEN gegenüber PFeilspitzen stärker blutende Wunden und zerreissen zusätzlich Sehnen und Bänder und schwächen dadurch das getroffene Opfer, ob Wild oder Mensch. Über die stärkere Blutspur liesse sich getroffenes Wild in dichter bewaldeten Regionen besser verfolgen.

Letztlich war es zum Ende hin annähernd gleich effektiv ob PfeilSPITZEN oder PfeilSCHNEIDEN eingesetzt wurden.
Tot ist tot! Auch dieser Typ der Feuersteinprojektile dienten der Abwehr und dem Töten von Wild und/oder Menschen!

Vor diesem Hintergrund ist der rechtsrheinische Fundplatz in den Rheinauen bemerkenswert. Hier dominieren die PfeilSCHNEIDEN in der Zeit des späten Neolithikums nicht nur, sondern sie sind so zahlreich wie sonst an keinem anderen Ort zumindest in NRW. In NRW fand sich nur noch an einer Stelle, dann auf dem linken Rheinufer, im Bereich eines Altarmes des Rheins bei Köln-Worringen eine größere, jedoch keine vergleichbar hohe Anzahl an Pfeilschneiden die gleichfalls diesem Zeithorizont zugehören werden. Es fällt auf, dass es bislang zwei Rheinuferplätze in den Rheinauen sind die eine erhöhten Konzentration von Pfeilschneiden aus Feuerstein aufweisen. Ein dritter möglicher Platz befand sich auf dem linken Rheinufer bei Urmitz. Das bedeutende und einzigartige neolithische Erdwerk am mittleren Rheinlauf ist über mehr als ein Jahrhundert hinweg weitgehend archäologisch unbegleitet zerstärt worden. Die Fundaufsammlungen sind zudem über 120 Jahre hinweg auf viele Sammlungen zerstreut worden und darin kaum mehr aufzufinden und zuzuordnen.

In den gegenüber jeder anderen Region in NRW bestens beobachteten und durch Flächengrabungen erforschten linksrheinischen Lößgebieten innerhalb der Kölner Bucht, auf der Aldenhovener Platte und sonstwo gibt es keine vergleichbaren Fundbeobachtungen.

Im Westen ist es der sogenannte "Steinkeller" (eine Bestattung des späten Neolithikums) der "Gruppe von Stein" in Belgien der etwas über einhundert verbrannte Pfeilschneiden überliefert hat. Man konnte nicht mehr erschliessen, ob die Bestatteten damit getötet und eingeäschert worden waren oder ob die Pfeilschneiden gesondert zu einer Beigabenausstattung gehört haben, die dann bei der Brandbestattung mit ins Feuer gelangt waren.

Die Pfeilschneiden sind auf dem Fundgelände die Leitfunde des späten Neolithikums. Ihr hohes Fundaufkommen im rechtsrheinischen Bereich einer Flußufersiedlung an der geologisch und archäologisch gesichert erschlossenen urgeschichtlichen Rheinfurt deutet an, dass hier ein möglicher Zentralort der Zeit eventuell mit Fernwaffen verteidigt werden musste, möglicherweise auch konkret bedroht oder angegriffen wurde.


Die näheren Verhältnisse und Umstände lassen sich wohl erst mit Forschritt der archäologischen Forschung zu diesem Gelände klären.


Danke !


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: thovalo in 09. Mai 2017, 13:03:25

Wenn ich nur mal die notwendige Zeit und Ruhe dafür hätte mich damit zu beschäftigen wie man so tolle Montagen und Bilder hin bekommt!
Danke Jürgen für Deine Mühe(n)!

Toll!  

Moin,

es ist keine Hexerei - und wenn man die Ansprüche nicht so hochschraubt, auch schnell gemacht.

Danke fürs Lob und ebenfalls Danke für Deine Ausführung.

Nur aus meiner Erinnerung zu, "Eulau".
Du schreibst, "absolut gesichert". Wirklich ganz ohne Fragezeichen?
Ist in den derzeitigen Berichen nicht eine Menge Spekulation?
Gibt es dazu neuere gesicherte Erkenntnisse, auf die Du Deine Aussage stützt?

Dass die Querschneiden bei euch ins auslaufende Neolithikum datieren, und so zahlreich vorhanden sind,
versuche ich einmal (für mich) völlig unwissenschaftlich zu erklären, sie sind sicher sehr viel einfacher herzustellen
als die flächenretuschierten Spitzen - vor allem, wenn man schnell eine Menge davon benötigt.

Was meinst Du dazu?

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Nanoflitter

Eine Dreiecksspitze ohne Flächenretusche ist schnell gemacht, auch im Zeitdruck. Wenn du so rangehst, wäre die Materialausnutzung ein viel viel bedeutenderes Thema. Da ist der Querschneider massiv im Vorteil. Aber das kann eigentlich nicht sein, da die Nordlichter nicht sparen mussten. Ein anderes Thema wäre die einfachere haltbarere Schäftung der Querschneider. Da ist wenigstens so was ähnliches wie ein Dorn vorhanden, den man umwickeln kann. Gruss...

StoneMan

Moin,

Zitat von: Nanoflitter in 09. Mai 2017, 16:53:03
...wäre die Materialausnutzung ein viel viel bedeutenderes Thema.
...

da hast Du sicher recht  :super: an Materialausnutzung denke ich als "Nordlicht" ja so schnell nicht  :dumdidum:

Meine Anmerkung war auch ausschließlich auf Thomas´ Fundgebiet bezogen, daher ist Deine
Erklärung, "Materialausnutzung", natürlich plausibler, als mein angedachter "Pragmatismus".

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Nanoflitter

Die Ursache der Herstellung von Querschneidern wird wohl in Wirkung, Ziel oder Tradition begründet sein, wie Thomas schon bemerkte. Die Querschneider gab es ja am häufigsten  im "hohen" Norden wo kein Materialmangel herrschte. Gruss..

thovalo



Hier scheint das massive Aufkommen von Pfeilschneiden im späten Neolithikum an erster Stelle ein markanter Traditionswechsel zu sein.

Der findet tatsächlich in dem Zeit- und Kulturabschnitt statt in dem der Zugang zu den Lagerstätten des Rijckholtfeuersteins aus noch nicht erkennbaren Hintergründen deutlich eingeschränkt worden zu sein scheint oder sogar ganz abbrach. An die erste Stelle tritt anscheinend der Schotterfeuerstein. Daneben Belgische Feuersteinvarietäten sowie Lousberg- und Valkenburgfeuerstein in Fom von Beilklingen. Zugleich werden auf dem Fundgelände ältere neolithische Silexbeilklingen oder Silexbeiklingenbruch gesammelt und in einer sehr sporadischen Technologie zu Grundformen zerlegt, die wiederum zu Gerätschaften wie Kratzern, Boherern, Pfeilschneiden und auch Pfeilspitzen ausgearbeitet wurden.

An der Überlegung einer "Materialknappheit" ist durchaus was dran und ich danke sehr für diese Anregung!

Die Ressource der Verfügbarkeit großer Formate von Grundformen scheint in dieser Zeit nicht mehr, wie zuvor, in reichen Umfang vorhanden gewesen sein. Wenn man betrachtet wie tatsächlich schlicht und einfach die Querschneiden herzustellen gewesen sind, gegenüber den aufwändigeren Pfeilspitzen, ist das durchaus auch ein Grad der Rationalisierung. Parallel dazu scheint die Technologie der Herstellung kleinformatiger Klingen wieder aufgenommen bzw. intensiviert worden zu sein.  

Da scheint Manches zusammen zu kommen. Silices traten ab dieser Zeit vielleicht auch mehr in den Hintergrund des Materialbedarfs. Dazu ist noch zu wenig bekannt. Jedenfalls bildet sich in dieser Zeit kein typologisch umfassendes Konzept der Steintechnologie und der Gerätetypologie mehr aus. Es wird zunehmend ad-hoc aus den verschiedensten Silices die verfügbar waren gefertigt was benötigt wurde: Kratzer, Schneidegeräte, "ausgesplitterte Stücke", Bohrer ...... die Steinzeit oder besser Zeit der Steine blies ihren letzten Marsch ........ vielleicht war das in etwa so im Verlauf der Pfeilschneidenzeit .... ?


Danke für Euer Interesse, Eure Gedanken und Eure unterstützenden Anregungen!


lG Thomas  :winke:



Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Könnte die Fundhäufigkeit der Pfeilschneiden nicht auch mit dem Platz an sich zu tun haben?
Hier gab es vielleicht einiges zu verteidigen, z. B. die Kontrolle des Warenverkehrs.
Oder, die Jagd auf Entenvögel im Schilfgürtel sorgte für volle Mägen ; )

mfg

thovalo

Zitat von: hargo in 10. Mai 2017, 00:42:38
Könnte die Fundhäufigkeit der Pfeilschneiden nicht auch mit dem Platz an sich zu tun haben?
Hier gab es vielleicht einiges zu verteidigen, z. B. die Kontrolle des Warenverkehrs.
Oder, die Jagd auf Entenvögel im Schilfgürtel sorgte für volle Mägen ; )

mfg


Verteidigung oder Angriff stehen bei dem Thema "Pfeilschneiden" wohl an erster Stelle. Für eine Vogeljagd waren die Projekile eher ungeeignet. Wenn sie tatsächich solche Schäden wie es beschreiben wird verursachen konnten, dann wären die feinen Knochen der Vögel zerspilittert und hätten den erlegten Vogel wenig genießbar gemacht.

Zur Geflügeljagd gab es wohl Holzkolbenspitzen. Dadurch kriegte das Geflügel einen kräfitgen Schlag ab, war damit betäubt, flugunfäig und leicht aufzusammeln.

Was ich am Fluss als spezifische Nahrungsquelle vermute sind eher die Fische, dabei insbesondere die Lachse auf ihren zyklischen Wanderungen, die hier im Bereich einer flachen Furt wohl gut abzufangen waren. Getrocknet oder geräuchert waren die protein- und fettreichen Lachss länger haltbar und sicher ein sehr gutes zusätzliches Tauschprodukt. Für den Fischfang benötigte am eher Harpunen, Reusen und Netze.

Wissenschaftlich scheint man sich insgesamt nicht so intensiv mit Pfeilschneiden auseinander gesetzt zu haben wie mit den Pfeilspitzen. Das werden auf dem Fundareal wohl nicht die letzten Fundbelege von Pfeilschneiden gewesen sein.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

palaeo1

#20
Zur Größe von Pfeilschneiden: Es gibt auch noch kleinere ! Aus einer Grabung mit anderen neolithischen Pfeilschneiden und mesolithischen Inventaren stammt dieses Stück. Es ist 6 mm lang und an der Schneide 4 mm breit. Es ist aus einer Klinge mit zwei parallelen Graten gefertigt. Das Foto ist leider sehr schlecht und schon über 20 Jahre alt. Das Artefakt liegt im Landesmuseum Hannover und momentan für ein weiteres Foto nicht zugänglich. Im Detail noch mal die Zeichnung des Stückes mit den anderen Objekten der Fundstelle.
Frage: "Was haben die damit gemacht ?" Vielleicht saß das Stück an einem Pfeil eines Kinderbogens.

Gruß
palaeo1

steinwanderer

Moin Thomas,
das mit Querschneidern bestückte Pfeile auch Kriegswaffen waren ist mit vielen ergrabenen Stücken am Erdwerk von Büdelsdorf gesichert.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

thovalo

Zitat von: steinwanderer in 10. Mai 2017, 16:45:35
Moin Thomas,
das mit Querschneidern bestückte Pfeile auch Kriegswaffen waren ist mit vielen ergrabenen Stücken am Erdwerk von Büdelsdorf gesichert.
Gruß Klaus


Danke für den Hinweis auf Büdelsdorf. Die Publikation habe ich auch noch irgendwo liegen. Das schaue ich mir mal an!

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

#23
Zitat von: palaeo1 in 10. Mai 2017, 14:25:47
...Frage: "Was haben die damit gemacht ?" Vielleicht saß das Stück an einem Pfeil eines Kinderbogens...

Vermutlich ein Ausreißer mit hoher Abweichung zum Standart!
Hat mit einem Kinderbogen wahrscheinlich nichts zu tun.

mfg


StoneMan

Zitat von: hargo in 10. Mai 2017, 23:43:21
Vermutlich ein Ausreißer mit hoher Abweichung zum Standart!
Hat mit einem Kinderbogen wahrscheinlich nichts zu tun.

mfg

Moin,

wer weiß... :nixweiss:  Kinderdolche gab es  :-D

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

hargo

Mag sein, aber dadurch wurden die Pfeilschneiden nicht schmaler.

mfg

palaeo1

#26
Zitat von: hargo
Vermutlich ein Ausreißer mit hoher Abweichung zum Standart!
Hat mit einem Kinderbogen wahrscheinlich nichts zu tun.

Sorry, aber das Stück hat ein Drittel der Standardgröße im Mittel, da kann man gewiss nicht mehr von einer "Abweichung" sprechen. Es wird einen anderen Grund haben, welchen auch immer. Zum anderen sollte das Wirken und die Einbindung der Kinder in die täglichen Arbeiten eine größere Berücksichtigung in unseren Gedanken hinsichtlich des hinterlassenen Materials finden. Ich würde den Gedanken nicht so weit von der Hand weisen. Kinder haben am Material gelernt und mit dem Material gespielt und Spielsachen haben sie auch bekommen.
Gruß
palaeo1

thovalo

#27
Zitat von: palaeo1 in 11. Mai 2017, 10:40:28
Sorry, aber das Stück hat ein Drittel der Standardgröße im Mittel, da kann man gewiss nicht mehr von einer "Abweichung" sprechen. Es wird einen anderen Grund haben, welchen auch immer. Zum anderen sollte das Wirken und die Einbindung der Kinder in die täglichen Arbeiten eine größere Berücksichtigung in unseren Gedanken hinsichtlich des hinterlassenen Materials finden. Ich würde den Gedanken nicht so weit von der Hand weisen. Kinder haben am Material gelernt und mit dem Material gespielt und Spielsachen haben sie auch bekommen.
Gruß
palaeo1


Die Einbeziehung von Kindern ist ein klares und sensibles Thema. Sensibel, weil wir das aus den Hinterlassenschaften der reinen Sachkultur der Steinzeit letztlich nur erschließen können, da wir keine ungebrochenen Überlieferungen im Sinne einer klaren Dokumentation haben.


Bis in das 20. Jh. war die Vorbereitung und Erziehung der Kinder in die Erwachsenenwelt im Spielzeug absolut gegeben. Da gab es immer im Kleinen auch das Werkzeug und Gerät des tatsächlichen Gebrauchsalltags.

Aus der Enthnologie naturnah lebender Völker ist das ebenso nachvollziehbar.

Ich selber habe einige Jahre im südlichen Afrika gelebt. Zwar lebte auch da schon kein Mensch mehr in wirklich reiner naturgebundener Tradition (nicht einmal die viel gepriesenen Himba/Ovahimba oder Buschmänner/San oder Koun-Koun. Es gibt aber ausreichende ältere Dokumentationen zum Leben der Bevölkerungen zurzeit der europäischen Einwanderung. Pfeil und Bogen hatten u.a.in dieser Zeit auch in der "Heilkunde" der sog. "Buschmänner" eine Funktion. Dabei wurden identisch gefertigte Miniaturbögen und Pfeile verwendet. "Sah" der Heiler schlechte Einflüsse und Krankheiten auslösende übernatürliche Kräfte aus einem Menschen weichen, schoß er mit dem rituellen Kleinbogen auf die nur für ihn erkennbaren weichenden "Geister". Die Übertragung von auf Afrika bezogenen Dokumentationen des 18. - 20. Jhs. auf (mögliche) Riten im steinzeitlichen Europa ist natürlich nicht tragfähig, erweitert aber den Vorstellungshorizont vor dem man auch hier gefundene Miniaturartefakte sehen könnte.


Paläo schrieb: "Zur Größe von Pfeilschneiden: Es gibt auch noch kleinere ! Aus einer Grabung mit anderen neolithischen Pfeilschneiden und mesolithischen Inventaren stammt dieses Stück. Es ist 6 mm lang und an der Schneide 4 mm breit. Es ist aus einer Klinge mit zwei parallelen Graten gefertigt."

Meine Frage: ist die kleinformatige Pfeilschneide stratigrafisch den neolithischen oder den mesolithischen Aktivitäten am Fundplatz zugeordnet worden?

Im Mesolithikum sind die Formen der Mikrolithen gegenüber den späteren neoltihischen Artefakten in der Regel ja zumeist deutlich in ihren Formaten reduziert.
Da wäre eine kleinformatige Pfeilschneide weniger wunderlich.


Hier gibt es im späten Neolithikum in der Umkehrung der Traditionen zu kleinen Formaten (Meso versus Neo) eine extreme Miniaturisierung von Kratzern.
Die (f)liegen hier zu hunderten rum, sind teils minutiös ausgeführt und zeigen dazu häufiger auch Nutzungsspuren. Da kann und darf man ebenso rätseln.
Die neolithischen Kratzerminitauren als exemplarsiche Kinderformate zu sehen ist nicht minder bedenkenswert, was zugleich wohl auch für einen bedeutenden  Kinderreichtum sprechen würde  :hochleben:


lG Thomas  :winke:


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: hargo in 10. Mai 2017, 23:52:45
Mag sein, aber dadurch wurden die Pfeilschneiden nicht schmaler.

mfg
Moin,

durch die Kinderdolche sicher nicht, aber da es Kinderdolche gab, spricht nichts gegen Kinderbogen.
Die wiederum können kleinere Pfeilschneiden vertragen.

Mein Enkel will immer mit mir arbeiten, wenn ich in der Gartenhütte rumwusele.
Man muss den Kinder mehr zutrauen, als das allgemein getan wird.
Wie oft ich gehört habe, "...aber dafür (für was auch immer) ist er doch noch zu jung".

Mein Enkel hat also in der Hütte einen Holzklotz bekommen und einen von mir passend gemachten
Hammer bekommen. Es dauerte nicht lange, dann hat er da Nägel "reingewichst" - 3-jährig.

Es sollte schon diskutiert werden - palaeo1 und thovalo tun das  :super: Archäologen tun das auch.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

Zitat von: thovalo

Ich selber habe einige Jahre im südlichen Afrika gelebt. Zwar lebte auch da schon kein Mensch mehr in wirklich reiner naturgebundener Tradition (nicht einmal die viel gepriesenen Himba/Ovahimba oder Buschmänner/San oder Koun-Koun. Es gibt aber ausreichende ältere Dokumentationen zum Leben der Bevölkerungen zurzeit der europäischen Einwanderung. Pfeil und Bogen hatten u.a.in dieser Zeit auch in der "Heilkunde" der sog. "Buschmänner" eine Funktion. Dabei wurden identisch gefertigte Miniaturbögen und Pfeile verwendet. "Sah" der Heiler schlechte Einflüsse und Krankheiten auslösende übernatürliche Kräfte aus einem Menschen weichen, schoß er mit dem rituellen Kleinbogen auf die nur für ihn erkennbaren weichenden "Geister". Die Übertragung von auf Afrika bezogenen Dokumentationen des 18. - 20. Jhs. auf (mögliche) Riten im steinzeitlichen Europa ist natürlich nicht tragfähig, erweitert aber den Vorstellungshorizont vor dem man auch hier gefundene Miniaturartefakte sehen könnte.

Meine Frage: ist die kleinformatige Pfeilschneide stratigrafisch den neolithischen oder den mesolithischen Aktivitäten am Fundplatz zugeordnet worden?

Soche Miniaturartefakte in einem rituellen Kontext zu sehen ist ebenfalls denkbar.

Was die Stratigrafie der Fundstelle anbetrifft, gibt es sie dort nicht. Jedoch haben wir dort auch kein Spät-/Endmesolithikum, nur ein boreales Mesolithikum. Es gibt aber einige Keramikscherben sowie die gezeigten weiteren Pfeilschneiden, somit eine klare Trennung in der Typologie.

LG palaeo1