Etwas Altes in strahlenden Weiß

Begonnen von thovalo, 06. Mai 2022, 16:47:57

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thovalo




Guten Tag!


Dieser Kratzer misst nur 1.8 cm Länge und ist so zuretuschiert worden wie sehr viel größere Stücke. Die dabei aufgewendete Sorgfalt ist in diesem kleinen Format besonders eindrucksvoll. Der Fundbeleg stammt von einem spätpaläolithischen Oberflächenfundplatz an dem heute trocken gefallenen Mäander eines rechtsrheinischen Flusses der in den Rheinlauf entwässert.

Die weiße Patinierung deutet auf diesem Fundplatz für diesen Fundbeleg auf den Fundzusammenhang mit dem Aufenthalt einer Gruppe der Federmesserkulturen hin. Die meisten dort gefundenen Artefkte sind, wie dieses Fundstück, porzellanartig weiß oder blau-weiß patiniert. Es gibt aber auch einige Artefakte die keine Patinierung aufweisen und dennoch auch diesem spätpaläolithischen Fundinventar angehören können.

Der Boden der Fundstelle zeigt eine andere Bildung als die sonstigen Böden auf denen sich in der gesamten Region Silexartefakte fanden und finden.
Insofern scheint auch die Frage ob, wann und wie sich eine Patinierung auf diesem Platz gebildet hat einer eigenständige Antwort zu bedürfen.

Kleine Kratzer sind für das späte Paläolithikum üblich, nur sind sie nicht häufig derart fein ausgebildet.


liebe Grüße
Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter


Wiesenläufer

Moin Thomas,

so klein und fein!  :staun:  :super:

Lieben Gruß

Gabi

Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Neos

Moin, Thomas,

wow, was für eine wundervolle Patina. Der ist echt chic! Herzlichen Glückwunsch dazu! :Danke2:

Viele Grüße

Frank

thovalo



Danke Euch.  :winke:

So ins vergrößernde Bild gesetzt wird erstmal deutlich wie klein und "fein" das kleine Fundstück wirlkich ist.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Moin Thomas,

mal ungeachtet der Patina, lässt sich etwas über das Material sagen?
Wenn es sich um patinierten Rijckholt FS handeln sollte, würde ich die Zeitstellung in Frage stellen.
Die typischen, schwarzen Punkte sind zumindest verdächtig.

mfg

thovalo

#6

In diesem Fundinventar ist "nordischer" Feuerstein verwendet worden und das ist auch für diesen kleinen Kratzer anzunehmen. Doch ist das unter der Patinierung nicht mehr äußerlich zu identifizieren. Den Rijckholtfeuerstein unterscheidet von allen hier in der Region eingetragenen Feuersteinarten und insbesondere vom nordischen Feuerstein, dass man ihn in besonders großen Formaten verarbeiten konnte. Um so einen kleinformatigen kratzer herzustellen genügte die Ressource des in der Region einige Kilometer weiter östlich aufzulesende nordische Feuerstein.

Es liegt ein zweiter Fundplatz mit wenig spätaltsteinzeitlichen und vielen mesolithischen Funden nur wenige Kilometer entfernt. Da sind die Artefakte nicht patiniert und wurden ausschließlich aus nordischen Feuerstienvarietäten gefertigt.

Für die Jäger und Sammlergemeinschaften wird immer die Verwendung regional anstehender Materialien angenommen und nur dann auch eingetragenes Material, wenn sie bei ihren Wanderungen andere Regionen mit dort typischen Materialien durchquert hatten und noch etwas von diesen Materialien im Gerätebestand oder an den Waffen befestigt vorhanden war.

Die Menschen hier scheinen aber zwischen Westfalen und dem rechten Niederrhein igewandert zu sein und keine Wanderungen über den Rhein hinweg vollzogen zu haben. Jedenfalls scheinen sie, was die verwendeten Materialien angeht, nicht über den Rhein hinweg gependelt zu haben, noch scheinen sie weiter in den Süden bis Bonn-Muffendorf gekommen zu sein.

Es lebten im späten Paläolithikum und im Mesolithikum nur sehr wenige Menschen, im Verlgiech zu heute unglaublich wenige Menschen, in den Regionen von Rhein, Main und Maas. Es wird angenommen, dass sie bestimmte Routen, insbesondere an Wasserläufen orientiert, nutzten und das innerhalb von Territorien, die sie teilweise überlagert haben. So kamen sie einerseits in Kontakt und hatten anderseits ihre Territorien deren Ressourcen sie gut nutzen konnten.

Möglicherweise gehört die hier gelegene Region, die mittelalterlich-politisch zum Niederbergischen Land/Rechten Niederrhein gehörte, zu diesen Übergangssräumen,  mit dme klaren Schwerpunkt in Richtung Westfalen mit einer Begrenzung durch den RHheinlauf.

Da der Fluß sicher nicht so tief war wie heute sondern in viele Rinnen und Altarme aufgeteilt, wird er möglicherweise zumindest zu bestimmtne Jahrenzeiten auch watend zu überqueren gewesen sein. Bei jahrezeitlichen zyklischen Wanderungen zum Beispiel der Lachse war er sicher auch das Ziel der Jäger- und Sammlergruppen zu der entsprechenden Jahreszeit wenn die Fischwanderungen durch den Fluss und die angrenzenden kleineren Flussläufe führten.

Dabei mussten die Lagerplärzte gut gewählt werden um sich nicht in die direkten Aktivitätszonen der Raubtiere dieser Zeit zu begeben.


Erst im Bergischen Land gibt es mesolithische Fundstellen die wohl auch einige Belege von Wommersomquarzit aus den Niederlanden mit überliefert haben. Da scheinen die Menschen entweder selber diesen langen Weg gegangen zu sein oder man hatte ein paar Kernstücke aus dieser Region von einer anderen Gruppe ein - oder austauschen können.



Soweit ich mich an die Literatur erinnern kann, ist Rijckholtfeuerstein in mesolithischen oder älteren Fundinventaren rechts des Rheinlaufs bislang noch nicht identifiziert worden, was bei so kleinen Stücken auch kaum möglich ist. Insofern ist das hier auch nicht möglich und kaum wahrscheinlich.


Thomas  :winke:




Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Robert

#7
Sowas muß einem gefallen  :super: :super: :super:

Etwas ähnliches aber vom Gebrauch stark gezeichnet

Grüße
Robert
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr

thovalo




Ist das nicht ein sehr intensiv verbranntes Stück?   :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

#9
Zitat von: thovalo in 07. Mai 2022, 15:23:23


Ist das nicht ein sehr intensiv verbranntes Stück?   :glotz:

Ich sehe nichts was auf Feuer hindeuten könnte.

Zitat von: thovalo in 07. Mai 2022, 09:26:39
In diesem Fundinventar ist "nordischer" Feuerstein verwendet worden und das ist auch für diesen kleinen Kratzer anzunehmen. Doch ist das unter der Patinierung nicht mehr äußerlich zu identifizieren. Den Rijckholtfeuerstein unterscheidet von allen hier in der Region eingetragenen Feuersteinarten und insbesondere vom nordischen Feuerstein, dass man ihn in besonders großen Formaten verarbeiten konnte. Um so einen kleinformatigen kratzer herzustellen genügte die Ressource des in der Region einige Kilometer weiter östlich aufzulesende nordische Feuerstein.

Es liegt ein zweiter Fundplatz mit wenig spätaltsteinzeitlichen und vielen mesolithischen Funden nur wenige Kilometer entfernt. Da sind die Artefakte nicht patiniert und wurden ausschließlich aus nordischen Feuerstienvarietäten gefertigt.

Für die Jäger und Sammlergemeinschaften wird immer die Verwendung regional anstehender Materialien angenommen und nur dann auch eingetragenes Material, wenn sie bei ihren Wanderungen andere Regionen mit dort typischen Materialien durchquert hatten und noch etwas von diesen Materialien im Gerätebestand oder an den Waffen befestigt vorhanden war.

Die Menschen hier scheinen aber zwischen Westfalen und dem rechten Niederrhein igewandert zu sein und keine Wanderungen über den Rhein hinweg vollzogen zu haben. Jedenfalls scheinen sie, was die verwendeten Materialien angeht, nicht über den Rhein hinweg gependelt zu haben, noch scheinen sie weiter in den Süden bis Bonn-Muffendorf gekommen zu sein.

Es lebten im späten Paläolithikum und im Mesolithikum nur sehr wenige Menschen, im Verlgiech zu heute unglaublich wenige Menschen, in den Regionen von Rhein, Main und Maas. Es wird angenommen, dass sie bestimmte Routen, insbesondere an Wasserläufen orientiert, nutzten und das innerhalb von Territorien, die sie teilweise überlagert haben. So kamen sie einerseits in Kontakt und hatten anderseits ihre Territorien deren Ressourcen sie gut nutzen konnten.

Möglicherweise gehört die hier gelegene Region, die mittelalterlich-politisch zum Niederbergischen Land/Rechten Niederrhein gehörte, zu diesen Übergangssräumen,  mit dme klaren Schwerpunkt in Richtung Westfalen mit einer Begrenzung durch den RHheinlauf.

Da der Fluß sicher nicht so tief war wie heute sondern in viele Rinnen und Altarme aufgeteilt, wird er möglicherweise zumindest zu bestimmtne Jahrenzeiten auch watend zu überqueren gewesen sein. Bei jahrezeitlichen zyklischen Wanderungen zum Beispiel der Lachse war er sicher auch das Ziel der Jäger- und Sammlergruppen zu der entsprechenden Jahreszeit wenn die Fischwanderungen durch den Fluss und die angrenzenden kleineren Flussläufe führten.

Dabei mussten die Lagerplärzte gut gewählt werden um sich nicht in die direkten Aktivitätszonen der Raubtiere dieser Zeit zu begeben.


Erst im Bergischen Land gibt es mesolithische Fundstellen die wohl auch einige Belege von Wommersomquarzit aus den Niederlanden mit überliefert haben. Da scheinen die Menschen entweder selber diesen langen Weg gegangen zu sein oder man hatte ein paar Kernstücke aus dieser Region von einer anderen Gruppe ein - oder austauschen können.



Soweit ich mich an die Literatur erinnern kann, ist Rijckholtfeuerstein in mesolithischen oder älteren Fundinventaren rechts des Rheinlaufs bislang noch nicht identifiziert worden, was bei so kleinen Stücken auch kaum möglich ist. Insofern ist das hier auch nicht möglich und kaum wahrscheinlich.


Thomas  :winke:

Danke für die ausführliche Darstellung.

mfg

Robert

ich sehe leider auch nichts was vom Feuer stammt, nur Abnutzungen durch den Gebrauch.

Ro
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr

thovalo




Guten Morgen!


   :glotz:    auf der Seite auf die eine Signatur in Blau geschrieben ist liegt rechts ein angeschrammter Bereich. Ich meine dass man da das rau gewordende angeflammte Material erkennen kann. Leider wird das Bild kaum größer wenn man es öffnet und wenn man es hoch zieht wird es sofort unscharf. Eine solche Beschädidung müsste bei einem natürlich gebliebenen Feuerstein muschelig gebrochen sein und würde nicht so rau körnig erscheinen.


liebe Grüße
Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.