ramponierter Levallois-Restkern mit missglücktem Zielabschlag

Begonnen von RockandRole, 01. Dezember 2015, 13:34:35

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RockandRole

Mahlzeit  :winke:

Dieses, leider etwas geschredderte Kerlchen, durfte ich am Sonntag auf einer MP Fundstelle im Maindreieck auflesen. Bei uns sind die Levallois Kerne nicht so groß, wie man es vielleicht gewohnt ist. Trotzdem sind alle Merkmale vorhanden.

Die Patinierung spricht zusätzlich für ein hohes Alter des Fundstückes. Trotz intensiver Begehung, konnte ich noch nie einen solchen Zielabschlag erkennen.
Naja, hab noch vor ein paar Jährchen zu suchen.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Bei diesem Reststück ging die Vorbereitung des Zielabschlags schon schief, deswegen wurde er wohl dann aufgegeben. Schöner Fund!
Gruss...

Furchenhäschen

Servus Daniel,
ein sehr schönes Stück!
Der Kern war am Ende der Ausbeutung angelangt!
Die Abbaustufen sind bei deinem Exemplar geradezu lehrbuchmässig erhalten!
Sonst hast eh schon alles gesagt dazu.

Grüße
Peter

RockandRole

Hallo Nano,

da ist wirklich sehr viel Gebrösel auf dem Stück zu erkennen. Könnte wirklich sein, dass der (letzte) Zielabschlag hier schief ging. Vorausgesetzt, der Zielabschlag sollte hier von unten erfolgen.

Es gibt ja relativ viele Varianten des Levallois-Konzeptes. Mit einem Zielabschlag, mehreren parallelen Zielabschlägen, zentripetal, orthogonal und Levallois-Spitzen.
Bei der durchschnittlichen Rohmaterialgröße von dort oben, war man sicherlich etwas eingeschränkt mit der Auswahl der Verfahren.

Bei den Kernen, die ich für Levallois Kerne halte, waren meistens die Zielanschläge misslungen. Ergo dürfte man sie manchmal gar nicht als Levallois-Kern bezeichnen. Bei einem Endstadium von einem Kern in Kombination mit diesem Rohmaterial, halte ich das Misslingen von Zielabschlägen aber nicht für ungewöhnlich. Ein paar mit geglücktem Zielabschlag (wenn auch klein) waren auch darunter, ein orthogonal und ein Levallois-Spitzen Kern.

Ui, Peter war schneller. Ja, leider ist halt die Macke so groß, das man ihn nicht zu Ende lesen kann. Freu mich darauf, wenn du mal wieder was zeigst  :zwinker:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Furchenhäschen

Zitat von: RockandRole in 01. Dezember 2015, 18:20:59
Hallo Nano,

. Ein paar mit geglücktem Zielabschlag (wenn auch klein) waren auch darunter, ein orthogonal und ein Levallois-Spitzen Kern.

Ui, Peter war schneller. Ja, leider ist halt die Macke so groß, das man ihn nicht zu Ende lesen kann. Freu mich darauf, wenn du mal wieder was zeigst  :zwinker:

Liebe Grüße Daniel

ja, der Kern ist doch wirklich fertig, da ging nichts mehr und das mögliche Resterl nicht mehr rentabel genug.

thovalo



Die Grundidee des frühen Levalloiskonzeptes war darauf ausgerichtet einen einzigen großen Zielabschlag zu erzeugen.
Zurück blieben dabei wuchtige Kerne über deren gewaltige Formate man sich gelegentlich wundern kann.

Mit der Zeit nahm diese Technologie vielfache Facetten an.

Die im Maindreieck lebenden Menschen hatten anscheinend nur geringformatige Materialkapazitäten zur Verfügung. Es scheint ein insgesamt eher später entwickelter Fundkomplex innerhalb des MP zu sein, in dem die Menschen in der Auseinandersetzung mit knappen Materialressourcen kleinformatige Ausprägung der Levalloiskerne entwickelt haben. Sie verwendeten dem zufolge dann auch nur kleinformatige Zielprodukte. Bei entsprechender Übung wird die Zurichtung eines Kerns mit einigen wenigen Schlägen schnell gelungen sein.

Dabei entstanden keine Grundformen für handtellergroßen "Cleaver" und ähnliches, sondern Grundformen für kleinformatige Geräteeinsätze. Es handelt sich wohl um ein schon weiter ausdifferenziertes jüngeres Levalloiskonzept, das dem Eindruck nach deutlich an diese Landschaft und deren Materialvorkommen gebunden war.

Das wäre ein endgeiles Studienprojekt mit dem sich Jemand gezielt und schwerpunktmäßig auseinander setzen müsste!

Darunter ist die Neuentdeckung ein wirkliches "Lehrstück"  :glotz:

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Servus,
das Fundinventar der Fundstelle ist vom Habitus her eindeutig, eigentlich 1:1  vergleichbar mit einem bekannten Fundplatz zwischen Ingolstadt und Neustadt an der Donau.
Ich habe das Fundmaterial gesehen und die parallelen festgestellt.
Daniels Funde gehören m.E. ins Praesolutreen.
Wohl also deutlich Älter!
Dafür gibt es auch deutliche Hinweise in anhängender Datei. Die gezeigten Fundstücke ähneln denen von Daniel gemachten Fundstücken sowohl vom Material als auch vom Werkzeugtyp.
Die in der Datei gezeigten Artefakte dürften sich auch in der weiteren Umgebung gefunden haben.

http://www.kis-badstaffelstein.net/mediapool/43/432564/data/Kunst_Kultur_in_Bad_Staffelstein_I_Koecheler_Birkenberg_107-116.pdf
Grüße
Peter

Nanoflitter

Ich muss wohl den ganzen zerschepperten Kieselschiefern, die auf "meiner" Mainterasse rumliegen, etwas mehr Bedeutung beimessen....
Danke für den Link, Peter! Gruss....

Furchenhäschen

Zitat von: Nanoflitter in 01. Dezember 2015, 22:11:22
Ich muss wohl den ganzen zerschepperten Kieselschiefern, die auf "meiner" Mainterasse rumliegen, etwas mehr Bedeutung beimessen....
Danke für den Link, Peter! Gruss....

ja, in jedem Fall,
entsorgen kann man nach Begutachtung immer.
Ihr habt ja eine äusserst interessante Gegend, prädestiniert für paläolithische Funde.
Gruß
Peter

RockandRole

Hallo Freunde

Mit der Datierung der Funde halte ich mich bisher noch zurück. Da habe ich persönlich noch zu wenig Ahnung! Bin aber wirklich froh, dass ihr mir eure Meinungen mitteilt. Das hilft mir die Situation noch besser beurteilen zu können.
Die Funde dort oben streuen auch so weit, dass ich mir mehrere Belegungen (Begehungen sowieso) dieses Platzes vorstellen kann. Mehrere 10000 Jahre zwischen den Aufenthalten wären da durchaus drinnen.  Außerdem sind sie kulturell ein wenig durchmischt, wenn ich auch bereits auch verschwommene Grenzen und Übergänge sehen kann. Bisher sind dort oben auch keine (klaren) Blattspitzen aufgetaucht, die ein jüngeres Paläolithikum belegen könnten. Faustkeile gibt es auch nicht. Schaber bilden dort die Hauptfundgruppe, die aber ja ein durchlaufender Posten sind. Weiter gibt es dort 2 deutliche Konzentrationen von Belegen des Rohstoffes Quarz. Das wird auch noch mal ein lustiges Thema, welches aber unbedingt geklärt werden sollte.

Der von Peter gezeigte Link zeigt Teile des Spektrums die dort oben zu finden sind auf. Wirklich sehr interessant. Schaber kann ich in dem Link aber nicht so viele ausmachen. Oder ich brauche eine Brille  :smoke: ansonsten finden sich aber wirklich viele ähnliche Stücke darunter. Die Handspitze ist natürlich der Hammer. Sowas hab ich bisher nur in Karlstadt gesehen.

Hey Nano. Nimm die Stücke auf jeden Fall mit und zeig sie hier. Wegschmeißen kannst du sie später auch noch. Könnte mir gut vorstellen, dass da das ein oder andere Stück darunter schlummert.

Zeige bei Gelegenheit mal die Stücke die einer Blattspitze (Vorarbeit) am ähnlichsten kommen.

Hab mir auch mal Gedanken zu dem Fehlen vom diskoiden Konzept dort oben gemacht. Evtl. hängt das auch mit der Größe des Rohmaterials zusammen. Müsste man 2 Seiten von der Rinde befreien, würde m. E. zu wenig 'Fleisch' übrig bleiben, um noch sinnvoll abzubauen. Könnt ihr mir da zustimmen?

Es bleibt spannend.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Zum Material Kieselschiefer, ich hab hier schon Kindskopfgroße Brocken gesehen, aber eher selten, da die Bauern die über die Jahre wegräumen. Das Problem ist aber die Qualität gewesen. Kieselschiefer ohne innere Risse und Einschlüsse zur Verarbeitung
zu finden, da liegt der Hund begraben. Die sind sehr selten, und wenn, recht klein.
Gruss...

Furchenhäschen

Zitat von: RockandRole in 02. Dezember 2015, 08:41:59
Hallo Freunde

Mit der Datierung der Funde halte ich mich bisher noch zurück. Da habe ich persönlich noch zu wenig Ahnung! Bin aber wirklich froh, dass ihr mir eure Meinungen mitteilt. Das hilft mir die Situation noch besser beurteilen zu können.
Die Funde dort oben streuen auch so weit, dass ich mir mehrere Belegungen (Begehungen sowieso) dieses Platzes vorstellen kann. Mehrere 10000 Jahre zwischen den Aufenthalten wären da durchaus drinnen.  Außerdem sind sie kulturell ein wenig durchmischt, wenn ich auch bereits auch verschwommene Grenzen und Übergänge sehen kann. befreien, würde m. E. zu wenig 'Fleisch' übrig bleiben, um noch sinnvoll abzubauen. Könnt ihr mir da zustimmen?

Es bleibt spannend.

Liebe Grüße Daniel

Hey,

10.000 Jahre sind im MP fast gar nix :zwinker:
:winke:

Merle2

Hey Daniel,

ein wunderschönes Stück!!! Bitte mach mal ein Thema zur Altsteinzeit in Mainfranken. Die Stücke sind echt sehenswert und ich denke man erhält nochmal einen allgemeineren Eindruck vom mainfränkischen Paläolithikum. Wirklich große Klasse und danke für die PDFs...
Zeig uns meeeehr :-D

Liebe Grüße
Marc

RockandRole

Servus Marc

Klar, mach ich gerne   :zwinker:   Interessant sind für mich gerade die unklaren Stücke, mit eventuellen Gebrauchsretuschen, und Stücke, wo man sich fragt, warum zum Teufel sind da Retuschen dran.

Aber ich fange vielleicht mal mit den klaren an  :-)

Klar, gern geschehen  :winke:
gefährliches Drittelwissen