Ein idealtypischer großer Kernstein vom Levalloistyp

Begonnen von thovalo, 14. Oktober 2024, 15:02:32

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thovalo


Moin!

Hier Bilder eines wuchtigen Kernsteins vom Levalloistyp aus Quarzit vom bislang einzigen bekannten altsteinzeitlichen Fundplatz in Namibia, den ich als Belegstück an die Forschungsstelle Afrika an der Universität Köln gegeben hatte.

Entdeckt wurde die Fundstelle vom Wolfgang Sydow (Sekretär der archäologischen Gesellschaf in Süd-West-Afrika) mit dem ich die Stelle gemeinsam besuchen und weiter untersuchen konnte.
 
Es handelt sich um einen in der Levalloistechnik geradezu musterbuchmäßig ausgearbeiteten Kernstein zur Erzeugung eines einzigen Abschlags mit einem breiten, scharfkantigen und im Umriß abgerundeten Ende.
Diese großformatigen Zielabschläge konnten zu Gerätschaften weiter verarbeitet oder so wie sie waren, als "cleaver", axtklingenartige Schlaggeräte, verwendet werden, etwa um dünne Stämme zu durchtrennen, Äste abzuschlagen, die wuchtigen Stoßzähne von verendeten oder getöteten Elefanten zu lösen, oder Knochen zum Herauslösen des Marks aufzuschlagen.

Der Typ des Levalloiskerns ist hier idealtypisch ausgeführt worden.

Was nicht ideal verlief ist der Zielabschlag. Der wuchtigen Schlag wurde mit einem Stein "hart" ausgeführt. Dabei wurde die Schlagenergie Anfangs zu tief in das Gestein eingeleitet, ließ dabei schon nach einem kurzen Stück nach, übersprang dann eine Stufe und lief zu früh vor dem eigentlichen angelegten Randumlauf aus.

Das Zielprodukt war damit nicht ideal gelaufen. Dennoch denke ich, war es f9r einen der genannten Zwecke durchaus noch brauchbar, wenn auch bruchanfälliger, als es bei einem perfekt gelösten Zielabschlag gewesen wäre.

Der Fundplatz liegt auf einer privaten Farm und ist bis heute nicht näher erforscht der datiert  worden. Das Alter der ältesten Artefakte dort, dürfte deutlich über einer Millionen Jahre liegen.
Die Levalloistechnik ist in Europa ab der Zeit um etwa 300.000 vor Heute bekannt. Die afrikanischen Formen können auch noch deutlich älter sein.

Es ist ein riesiger Gebirgszug aus Quarzitgestein an dem einnur periodisch wasserführender Fluslauf ("revier") vorbeiführt.


Der Kern ist über 20 cm lang


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Was ein Apparat  :glotz:  :super: dagegen sind hiesige ja Mikrolithen.

Danske

Was ein Brummer, sehr eindrucksvoll. Danke für die Erläuterungen, Thomas.

Bisher war ich der Meinung, dass die Levalloistechnik unabhängig voneinander vom modernen Menschen in Afrika und dem Neandertaler in Eurasien entwickelt wurde. Ein Alter der Artefakte in Afrika vor 300.000 BP würde bedeuten, dass bereits Homo Erectus die Technik nutzte.

Bei den Kernen, die hier gefunden werden, handelt es sich überwiegend um vollständig abgebaute Stücke. Hier ein Video, welches die Levalloistechnik gut zeigt, auch, wieviel Abschläge von einem Kern möglich sind. Ich glaube, das Video hast du mir mal geschickt, Nano.

https://www.youtube.com/watch?v=AGkU2lXtQ0Y

LG
Holger

Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Fischkopp

Moin Thomas,

ein wirklich außerordentliches Stück Menschheitsgeschichte.

Der zielführende Schlagpunkt ist auf dem letzten Bild rechts angedeutet?

Was denkst du gibt der Kern noch her?

LG Fischkopp

RockandRole

Kawenzmann. Hast recht, wirklich idealtypisch. Mit diesem Zielabschlag hätten die hier noch 2 Levallois-Kerne hergestellt  :smoke:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo




Ja, das hat mich an Deinen Stücken immer sehr irritiert, dass sie im Vergleich so extrem klein sind. Aber Levallois ist Levallois, egal in welchem Format!


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.


Jondalar


Steinkopf

Moin Thomas,,

ein wuchtiges dabei hochinteressantes Fundstück hast Du hier vorgestellt.

Bei Funden aus den Wüsten Afrikas (Sahara und Namibia) wird oft als Material Quarzit genannt.

Quarzit ist ein durch Metamorphose aus Sandstein entstandenes Gestein.
Also in der Tiefe (unter 600 m) und Hitze (über 200 Grad).

Häufig wird ein Gestein verarbeitet, welches sich als Kruste auf den Sandflächen bildet: Silicret.
Grundwasser welches oberflächennah gelöste Kieselsäure und auch Eisenoxide ausfällt dringt nach oben.
Diese aggressive Lösung kann Quarzkörner an- oder auflösen und als Silicret eine neue Kruste bilden.

Diese porenfreie Gesteinsneubildung hat etwa die gleiche Härte wie Quarzit und sieht ähnlich aus.
Mir ist es erst bei Artefakten aus der Sahara aufgefallen.

LG

Jan








Wiedehopf


ZitatHäufig wird ein Gestein verarbeitet, welches sich als Kruste auf den Sandflächen bildet: Silicret.

Hallo Jan,

ein interessanter Hinweis, danke, das kannte ich noch gar nicht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Silcrete
 
Viele Grüße
Michael