Mahlstein Schleifplatte

Begonnen von Nanoflitter, 10. März 2018, 17:14:43

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Nanoflitter

Mal wieder ein grösseres Fragment eines Mahlsteins. Schön hohlgeschliffen. Stammt von einem bandkeramischen Platz im Rhein-Main-Gebiet. Gruss..

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiesenläufer

Moin,
wie heißt es so schön; "klein aber fein"   :super:
Die Mulde ist gut zu erkennen.

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Nanoflitter

#3
Dank euch, mit den doch zahlreichen Mahlsteinen hier hab ich immer so meine Probleme, die eingeschliffene Fläche auf den Fotos gut rüberzubringen. In der Hand sind die Teile sofort klar zu erkennen. Muss da noch was ausprobieren. Gruss ..

thovalo

#4


Tag auch!  :winke:


Kannst Du auch etwas zum verwendeten Gestein und dessen Herkunft sagen? Die Mahlsteine sind ja vergleichsweise schwergewichtige Stücke und werden in der Archäologie als Anzeiger für eine längere Siedlungstätigkeit (Aussaat, Aufzucht und Ernte des Mahlgutes) am Fundort bewertet.

Zudem werden sie nachgefragte Austauschprodukte gewesen sein.

Für eine 2003 am Niederrhein entdeckte neolithische Großsiedlung und überregionalen Zentralort für den Austausch nachgefragter Güter über den Rheinlauf hinweg in die Hellwegzone, wird Eschweiler KohlestandStein (EKS) als Ausgangsmaterial angenommen, wobei man laut des Geologischen Instituts in Krefeld auch annehmen kann, dass es Vorkommen von Kohlensandstein ("Eschweiler" bezeichnet nur die örtliche Bestimmung einer Lagerstätte) auch im Ruhrgebiet geben wird, das dem Siedlungsbereich näher liegt. Die wahrscheinlichen Lagerstätten im Ruhrgebiet sind vermutlich durch die massive Überbauung und den Abbau von Kohlevorkommen nicht mehr zugänglich und (bislang) nicht fassbar. Im "Kohlensandstein" sind oft mit eingeschlossene Kohleflitter erkennbar.

Mahlsteine aus (Eschweiler ?) Kohlensandstein sollen zu den fern ausgetauschten Gütern gehört haben, die auch bis nach Hessen gelangt seien. Was überhaupt nicht erstaunlich wäre, bedenkt man für die ältere Jungsteinzeit die sehr umfangreiche Distribution von dem gegenüber noch viel "exotischeren" Amphibolit aus dem heutigen Polen (Zobten in Schlesien) als Ausgangsgestein für die Herstellung von enormen Mengen an Hiebgeräteeinsätzen (Dechselklingen und sog. "Setzkeile").

Leider ist derzeit die archäolgisch wissenschaftliche Forschung stark reduziert und limitiert und hat sich lange schon nicht mehr mit neuen Fragen zur Distribution von materiellen Gütern auseinander gesetzt. Wie bildeten und entwickelten sich Netzwerke, wie funktionierten sie, wie gelang der Transport über oft erstaunlich weite Strecken, wer führte diesen Austausch, was waren die gegenseitigen Austauschprodukte der Abnehmer, was der Gewinn für den Aufwand in einer Zeit ohne feste Strassen, Straßenausschilderungen zu bestimmten Orten und Routenplaner die über die Wege führen konnten.

Begriffen wie so und so viele "Kilomter in Luftlinie" Entferung in der Archäologie sind modern und rational geprägt, bilden aber nicht die real zu bewältigenden Strecken ab. Auf unbefestigten Wegen musste man Rücksicht auf Weghindernisse wie Sümpfe, die Querung von Gewässern nehmen und möglicherweise Siedlungsgebiete meiden zu denen ggf. keine freundlichen Beziehungen bestanden. Wer konnte und "durfte" Lagerstätten betreten und nachgefragte Materielien abbauen? Gab es "Materialexpeditionen" an die Vorkommen oder DOCH das, was bislang wenig klar ist: war dieser Austausch deutlicher "organisiert" und wurde er für spezielle weit nachgefragte Produkte wie den Amphibolit auch "planmässig organisiert" betrieben?

Wer wusste wo welcher Bedarf bestand, wer meldete ihn wie und bei wem an, wie gelangten Produkte an die Orte die tatsächlich auch konkreten Bedarf und Nachfrage hatten ........  das sind wirklich spannenden aktuelle Fragen, die Organisationsstrukturen, deren Durchführung und deren Träger betreffen.

Die materiellen "Markenzeichen" verschiedener "Kulturen" und die Typologie der Artefaktinventare sind dem gegenüber weitgehend geklärt.

Wir nehmen das oft fraglos hin, aber im Bereich der jungsteinzeitlichen Urgeschichte sind insbesondere die Fragen zu materiellen Austauschbeziehungen und überhaupt der Organisationsstrukturen und Verhaltensweisen noch kaum angegangen worden oder gar geklärt.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Interessantes Thema, danke für die Ausführung. Der Stein hier dürfte aus dem vom Main transportieren Sandstein stammen, also Spessart usw. Davon gibts hier jede Menge Rohmaterial auf den Äckern und Terrassen. Auch die Kiesgruben sind hier voller Drifteisblöcke und Schotter aus dem Sandstein. Also eine natürliche Ressource. Gruss..

thovalo

Zitat von: Nanoflitter in 11. März 2018, 15:51:22
Interessantes Thema, danke für die Ausführung. Der Stein hier dürfte aus dem vom Main transportieren Sandstein stammen, also Spessart usw. Davon gibts hier jede Menge Rohmaterial auf den Äckern und Terrassen. Auch die Kiesgruben sind hier voller Drifteisblöcke und Schotter aus dem Sandstein. Also eine natürliche Ressource. Gruss..


Bist Du dir sicher das dies ein reiner "Sandstein" ist?  :glotz:
Der würde einem Mahlvorgang nicht viel Widerstand leisten und einen hohen Anteil an Steinabrieb liefern, was gar nicht gut für die Zähne gewesen wäre!

lg Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Ja, Sandstein, allerdings mit Quarzitanteil, so hält sich der Abrieb in Grenzen. Es gibt hier viele von der Sorte. Gruss..

thovalo

Zitat von: Nanoflitter in 11. März 2018, 18:53:30
Ja, Sandstein, allerdings mit Quarzitanteil, so hält sich der Abrieb in Grenzen. Es gibt hier viele von der Sorte. Gruss..


Danke für die Auflösung!

Quarzitisch gebundener Sandstein muss es mindestens sein! Den EKS erkennt man daran dass er ein grobsandiges Gefüge mit eingelagerten gerundeten Quarzbestandteilen hat, ein Konglomerat, das für den Verwendungszweck ideal gewesen ist. Auf den Mahlflächen sind dann selbst die Quarzbestandteile mit plan geschliffen.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Es gibt hier auch sehr häufig ortsfremden, mit groben Quarzkörnern durchsetzten Sandstein, den hab ich hier schon oft gezeigt. Der passt aber farblich leider gar nicht zu deinen Stücken aus Kohlesandstein. Gruss...

thovalo

Zitat von: Nanoflitter in 12. März 2018, 08:36:27
Es gibt hier auch sehr häufig ortsfremden, mit groben Quarzkörnern durchsetzten Sandstein, den hab ich hier schon oft gezeigt. Der passt aber farblich leider gar nicht zu deinen Stücken aus Kohlesandstein. Gruss...

Dann hättest Du ja ein spannendes "Nachforscungsprojekt"!  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Heino

Hallo,
Hier aus dem rechtsrheinischen Mittelgebirge Fotos von dem Endstück eines Mahlsteines aus Eschweiler Kohlensandstein. Die Form war ursprünglich ähnlich eines Brotlaibs.
Heino

Nanoflitter

Na, wenn der auch so rötlich ist, dann weis ich auch nicht mehr weiter. Hatte den Kohlesandstein eher grau in Erinnerung.  :nixweiss: Gruss..

Heino

Hallo,
ich dachte auch es müsste ein anderes Material sein, aber er wurde vom Archäologen definitiv als EKS angesprochen, trotz der rötlichen Färbung.
Gruß Heino

Nanoflitter

Na ja, ich hab mittlerweile über 5 Varianten von Schleifsteinmaterial vom Platz, ob die einer alle richtig zuordnen kann.. :kopfkratz: Gruss..

thovalo

Zitat von: Nanoflitter in 12. März 2018, 18:39:37
Na ja, ich hab mittlerweile über 5 Varianten von Schleifsteinmaterial vom Platz, ob die einer alle richtig zuordnen kann.. :kopfkratz: Gruss..



Hast Du diese Literatur?

Beile – Äxte – Mahlsteine
Zur Rohmaterialversorgung im Jung- und Spatneolithikum Nordhessens


Nicole Kegler-Graiewski


Ich glaub Du kannst das hier rüber downloaden:

http://kups.ub.uni-koeln.de/2160/

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Ja, die hab ich. DANKE trotzdem.  :super: Aber trotzdem schwierig, anhand dessen meine Steine einzuordnen. Gruss..