Bruchstück mit Retouche

Begonnen von Schabersucher, 23. November 2025, 15:57:50

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Schabersucher

Liebe Leute,

nachdem ich den interessanten Beitrag von Jondalar zu seinem schönen Kratzer gelesen hatte, fiel mir ein irgendwie ähnlich retouchierter Stein auf, den ich vor kurzem gefunden habe.

Zitat von: Jondalar in 12. November 2025, 08:57:13Hallo zusammen,
nachdem ich schon zweimal einen Kratzer gemutmaßt hatte und dieser in Verdacht geriet ein Flintenstein zu sein,
diesmal ein (zumindest für mich) zweifelsfreier Abschlagkratzer, den ich vor ein paar Wochen fand. Interessant finde ich, dass die 'Rinde' erhalten ist und die retuschierten Bereiche bereits wieder soweit patiniert sind, dass farblich kaum ein Unterschied besteht.
... Viele Grüße, Jondalar

Mein Stein stammt zwar vom Ostseestrand (in SH), ist aber praktisch überhaupt nicht abgerollt, soweit ich das beurteilen kann. Es scheint ein Frostsprung oder Trümmerbruchstück zu sein, dh. ohne Schlagbuckel, eine Seite ist flächig retouchiert, ansonsten gibt es keine Abtrennung von Material, sodass sehr viel Kortex erhalten ist.
Jedenfalls ist die Kratzerkante noch sehr scharf. Er muss also vor kurzem erst auf dem Steilufer herausgekommen sein... mit allmählich steigendem Meeresspiegel bricht dieses hier immer schneller ab...
An dem Ufer habe ich noch einige weitere Steine mit Retouchen gefunden, jeweils auch mit sehr viel erhaltenem Kortex, allerdings eher Abschläge und keine so flächige Retouche.
Was haltet ihr davon?
Viele Grüße,
Sven

Nanoflitter

Im nordischen würde ich das als Schaber bezeichnen. An Frostsprüngen wie diesem sind die da oben recht häufig angelegt. Für Brandungsgeröll halte ich es auch nicht. Dürfte aber nicht so alt sein... da ist bei Meso halt Ende, im Norden, von wenigen Ausnahmen abgesehen. LG

Fischkopp

Hallo Sven,

ein ähnlicher Fund ist mir hier im Norden noch nicht begegnet. An einen Kratzer denke ich hier auch. Ich bin gespannt was noch so an Meinungen kommt.

LG Fischkopp

Persephone

Mich erinnert das Stück sehr an die BZ Schaber aus dem Norden, die großformatig, oft lieblos gerne aus Frostsprüngen hergestellt wurden.

 :winke: Persephone

Schabersucher

Hallo Nanoflitter, Fischkopp und Persephone,

vielen Dank für Eure Einschätzungen! BZ = Bronzezeit, ca 1800 bis ca 1000 v Chr? Das würde dann ja auch gut dazu passen, dass der Kratzer noch so schön scharf ist. Ob das Konzept hier lieblos ist oder nicht, da habe ich auch eine Weile darüber nachgedacht... das ist ein spannender Aspekt, Persephone! Ich habe schon viele Werkzeuge gefunden mit dem Prinzip "Function follows form", dh., ein Stein oder Trümmerstück wurde wie er ist betrachtet und der/die Flintschlägerin hat dann überlegt, dass die Form schon so ähnlich ist wie ein Kratzer zB und dann diesen daraus hergestellt. Andererseits gibt es ja auch die vielen Werkzeuge nach dem Konzept "Form follows function", d.h., hier wurde ein großer Block Flintstein gesucht und sich überlegt, dass zB ein Beil entstehen soll und dann so lange Material entfernt, bis das Beil übrigblieb. Das erfordert sicher größere Handwerkskunst und Planung, aber das Konzept des Beils hat wahrscheinlich schon jemand anders vorher entwickelt. Wo ist also mehr Phantasie oder Kreativität beteiligt? Wie auch immer, ich habe viele viele Generationen später tatsächlich auch die sehr einfach ausgeführten Stücke liebgewonnen  :-D   

Viele Grüße,
Sven

Danske

Moin,

auch ich halte die Retuschen für intentional und würde das Stück als Scheibenkratzer oder Scheibenschaber aus Frostsprung ansprechen.

Dieser Werkzeugtyp ist als Oberflächenfund schwerlich zeitlich einzuordnen, da sie in dieser Ausformung auf Fundplätzen späten Ertebøllezeit bis in die ausgehende Bronzezeit zu finden sind.

Dazu schreibt PVP in "Flint fra Danmarks oldtid":   

"Solche Schaber (Kratzer) aus Abschlägen sind wohl unsere häufigsten Feuersteinwerkzeuge. Die meisten und am besten geformten, fast kreisförmigen Stücke finden sich in Siedlungen aus der Dolmen- und Ganggrabzeit. Große Scheibenschaber tauchen in der späten Ertebøllezeit auf und sind während der gesamten Jungsteinzeit bis zum Ende der Bronzezeit zu finden. In der Maglemosezeit tauchen viele kleine Exemplare auf. In der Zeit der Rentierjägerkulturen und in der Kongemosezeit sind Scheibenkratzer hingegen selten. In der älteren Ertebøllezeit war dieser Typ offenbar unbekannt."

LG
Holger

Ignoramus, ignorabimus.