Kratzer mit Kratzern

Begonnen von Schabersucher, 23. November 2025, 21:32:42

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Schabersucher

Liebe Leute,

diesen Stein habe ich auch am Ostseestrand gefunden: Ein einfacher Abschlag, der so aussieht, als wäre eine an einer Flintknolle abstehende Pocke abgeschlagen worden. Dieser Abschlag ist dementsprechend auf der Dorsalseite flächig mit Kortex bedeckt. Die Ventralseite besitzt (seitlich) einen Schlagbuckel und die typische Krümmung (in Bild "5" wurde von unten rechts geschlagen). Die lange, distale (?) Seite ist durchgängig auf der Dorsalseite retouchiert, und die gegenüberliegende Seite im Bereich der Spitze, so dass sich auch eine schön scharfe Spitze ergibt.
Außergewöhnlich finde ich an diesem Stein, dass der kreideartige weisse Kortex deutliche "Rillen" oder "Kratzer" besitzt (das sieht man auf den Bildern leider nicht so deutlich wie im Original, wo ich ca 20-30 Kratzer sehe). Diese scheinen auch eine Vorzugsrichtung zu haben, entlang der langen Achse des Steins, und einige der Kratzer sind parallel. Ähnliche Ritzungen habe ich schon in einigen Steinen gefunden, aber nie so deutlich. Mir ist nicht klar, ob das im Prinzip im Entstehungsprozess der Flintknolle entstanden sein könnte, oder ob es vor/während/nach der Anfertigung eines Werkzeugs passiert sein könnte (zB beim Schleifen/Glätten des Kortex), oder später durch Gebrauch, oder ob doch irgendwie anders. Hat jemand von euch so etwas auch schonmal gefunden?

Meine Fragen wären: ist das ein Kratzer, Bohrer, eine Spitze? Und können die parallelen Kratzer im Kortex auch aus der Steinzeit stammen?

Viele Grüße,
Sven

Nanoflitter

Hier kann ich auf den Bildern weder Schlagmerkmale noch planvolle Retuschen erkennen. Natur meiner Meinung nach.. LG

Wiedehopf

ZitatUnd können die parallelen Kratzer im Kortex auch aus der Steinzeit stammen?

Hallo Sven,

ich denke eher, dass diese Schrammen durch eiszeitliche Bewegungen des Steines entstanden sind.

Siehe zum Beispiel mal hier:

https://www.kristallin.de/f_gekri.htm

Ein Artefakt vermag ich leider auch nicht zu erkennen sondern eher ein durch Gletscherdruck entstandenes Geofakt.

Viele Grüße
Michael 

Schabersucher

Zitat von: Nanoflitter in 23. November 2025, 21:53:42Hier kann ich auf den Bildern weder Schlagmerkmale noch planvolle Retuschen erkennen. Natur meiner Meinung nach.. LG
Oh, sorry, das ist tatsächlich oft schwierig, die Steine richtig zu fotografieren... aber schau mal die Kante auf Bild "2" an: Hier ist auf der gesamten Länge die Kante so angenagt, dass der weisse Kortex erst ca auf 2mm Höhe beginnt. Das ist sehr regelmäßig so mit ca 30 einzelnen Retuschen, die Retuschen sind alle etwa gleich groß, und sie gehen alle von ventral nach dorsal... auf natürliche Art kann das kaum so entstehen, und außerdem habe ich einige ähnliche Steine gefunden, was die natürliche Entstehung noch unwahrscheinlicher macht...

Steinkopf

#4
Moin Sven,

Flint hat sich in Kreideschichten gebildet.
Diese Kreide kann als Anhaftung an der Cortex recht hart sein.
Da sind beim Versuch, die Kreide zu entfernen, solche Kratz-Spuren nicht ungewöhnlich.

Bei Geschiebeflint und im sauren Boden-Milieu ist von der Kreide nichts mehr erhalten.
Die Cortex hingegen ist die äußere Schicht, die Oberfläche, der Flintknolle.
Ansonsten sehe ich wie schon nanoflitter und Michael hier kein Artefakt.
Die Ausbrüche an der dünnen Kante  überraschen nicht im Strandgeschenen.
Sie sehen nicht wie eine intentionell gesetzte Retusche aus.

LG
Jan

Schabersucher

Zitat von: Steinkopf in 24. November 2025, 00:23:52Flint hat sich in Kreideschichten gebildet.
Diese Kreide kann als Anhaftung an der Cortex recht hart sein.
Da sind beim Versuch, die Kreide zu entfernen, solche Kratz-Spuren nicht ungewöhnlich.

Bei Geschiebeflint und im sauren Boden-Milieu ist von der Kreide nichts mehr erhalten.
Die Cortex hingegen ist die äußere Schicht, die Oberfläche, der Flintknolle.
Ansonsten sehe ich wie schon nanoflitter und Michael hier kein Artefakt.
Die Ausbrüche an der dünnen Kante  überraschen nicht im Strandgeschenen.
Sie sehen nicht wie eine intentionell gesetzte Retusche aus.
Moin, Jan und Michael,
vielen Dank für die Hinweise! Ja, die Kratzer sind natürlich nur in der Kreideschicht, nicht in dem/der Kortex, das hatte ich falsch beschrieben... ich dachte, die gehört irgendwie dazu... Vielen Dank auch für den link zu den Bildern von gekritztem Geschiebe, also Steine mit Spuren eiszeitlichen Gletschertransports! Solche Steine nehme ich auch immer gerne mit, wenn sie denn in den Rucksack passen ;)
... und noch zur Erklärung: ich "erkenne" öfters mal "Retuschen" an Steinen, die nicht besonders intentionell gesetzt aussehen, zB auch an Trümmern oder Frostsprüngen. Da ich am Strand suche, sind die allzu typischen Artefakte wahrscheinlich oft schon schnell nach ihrem Erscheinen abgesammelt. Ich glaube auch, ich kann inzwischen einigermaßen gut erkennen, ob ein Stein schon lange in der Brandung gelegen hat, oder ob er frisch aus der Steilküste kommt. An diesen "frischeren" Steinen (oft auch mit wahrscheinlich besser sichtbaren Retuschen) finde ich jedenfalls häufiger mal Kratzer in der Kreideschicht, die nicht zu Gletschertransport passen und auch nicht zu einer Zufallsverteilung passen würden. Ich lege jetzt eine extra Schachtel in meiner Sammlung dafür an und werde mal versuchen, bessere Fotos von solchen Kratzern zu machen und euch das dann irgendwann noch einmal hier präsentieren.
Zitat von: Steinkopf in 24. November 2025, 00:23:52Da sind beim Versuch, die Kreide zu entfernen, solche Kratz-Spuren nicht ungewöhnlich.
"Nicht ungewöhnlich" heisst, solche Kratz-Spuren treten häufiger an Steinartefakten auf? Und sind prähistorisch? ... im Floss habe ich nichts dazu gefunden ... gibt es dazu Literatur?
Und: heisst es eigentlich "der Kortex/Cortex" oder "die Kortex/Cortex"? Was ist da die korrekte Bezeichnung oder geht beides?
Viele Grüße, Sven

Fischkopp

Moin Sven,
dein Denkansatz ist eher unkonventionell aber ich bin gespannt auf die gefüllte Schachtel und deine Interpretationen. Ich finde es gut das du deinem Gefühl vertraust! Gedanklich bin ich bis jetzt bei den Vorrednern. Danke für den Beitrag und
LG Fischkopp

Danske

Moin Sven,

ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen und halte dieses Stück für ein Geofakt.

Fundstücke von deinem Suchbereich "Strand" sind mitunter nicht einfach zu beurteilen.
Das Abrollen von Feuersteinstücken zwischen anderen Steinen an der Küste führt zu kleinen Absplitte-rungen entlang dünnerer Kanten, die intentionale Retuschen vortäuschen können. Der bei deinem Stück vorhandenen Retusche fehlt es m.E. aber an einer planvollen Tiefe, um sie als intentional ansprechen zu können, im Gegensatz zu dem von dir gezeigten Fundstück https://sucherforum.de/steinartefakte/bruchstuck-mit-retouche/

LG
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

thovalo

Zitat von: Danske in 28. November 2025, 22:55:01Moin Sven,

ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen und halte dieses Stück für ein Geofakt.

Fundstücke von deinem Suchbereich "Strand" sind mitunter nicht einfach zu beurteilen.
Das Abrollen von Feuersteinstücken zwischen anderen Steinen an der Küste führt zu kleinen Absplitte-rungen entlang dünnerer Kanten, die intentionale Retuschen vortäuschen können. Der bei deinem Stück vorhandenen Retusche fehlt es m.E. aber an einer planvollen Tiefe, um sie als intentional ansprechen zu können, im Gegensatz zu dem von dir gezeigten Fundstück https://sucherforum.de/steinartefakte/bruchstuck-mit-retouche/

LG
Holger



Mopin!

Sogar ein ganz typisches Stück mit randlichen Bestoßungen wie sie sich in einer dynamischen Situation ergeben.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Schabersucher

#9
... siehe unten, hier hat das Bilder hochladen leider nicht funktioniert...
Sie dürfen diesen Dateianhang nicht ansehen.
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Schabersucher

Lieber Holger, lieber Thomas,
hier kommen noch Nachfragen wegen der Abstoßungen oder Retuschen am Rand...
Zitat von: Danske in 28. November 2025, 22:55:01Moin Sven,

ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen und halte dieses Stück für ein Geofakt.

Fundstücke von deinem Suchbereich "Strand" sind mitunter nicht einfach zu beurteilen.
Das Abrollen von Feuersteinstücken zwischen anderen Steinen an der Küste führt zu kleinen Absplitte-rungen entlang dünnerer Kanten, die intentionale Retuschen vortäuschen können. Der bei deinem Stück vorhandenen Retusche fehlt es m.E. aber an einer planvollen Tiefe, um sie als intentional ansprechen zu können, im Gegensatz zu dem von dir gezeigten Fundstück https://sucherforum.de/steinartefakte/bruchstuck-mit-retouche/
LG
Holger
Zitat von: thovalo in 29. November 2025, 11:26:12Mopin!
Sogar ein ganz typisches Stück mit randlichen Bestoßungen wie sie sich in einer dynamischen Situation ergeben.
lG Thomas  :winke:
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mir ist nicht ganz klar, was mit planvoller Tiefe gemeint ist. Hier kann ich schon einen Plan erkennen: Die Retusche befindet sich im Wesentlichen entlang einer Kante, die Kantenretusche ist durchgängig von ventral nach dorsal durchgeführt. Dadurch entsteht durchgängig ein Winkel von etwa 60-90 Grad der Kante zwischen Ventralfläche und retuschierter Dorsalfläche. Das macht die Kante stabiler... Natürlich kann eine Kante auch durch natürliche Bestoßungen entstehen. Aber wieso sind dann alle Bestoßungen so regelmäßig? Und wieso ist nur eine Kante bestoßen und die andere längere Kante nur in einem ganz kleinen Bereich der Spitze? Das kann am Strand oder im Gletscher eigentlich kaum passieren. Wäre der Stein längere Zeit einer so stark stoßenden Dynamik ausgesetzt gewesen, dann hätte der/die Kortex doch auch stärker leiden müssen?

Ich hänge auch noch Fotos von einem Vergleichsstück an, das ich auch am letzten Wochenende am gleichen Strand gefunden habe. Hier keine Kratzer in der Kortex, aber eine vielleicht etwas überzeugendere (weil höhere) Retusche auf der Dorsalfläche. 
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Viele Grüße,
Sven

PS, als nicht besonders erfahrener Sucher habe ich in den letzten Jahrzehnten solche Steine wie diese hier völlig ignoriert. Genauso wie zum Beispiel Bohrer oder generell Abschläge mit Kortex, oder andere Tools, die ich nicht kannte. Aber wenn man man sich ein Muster einmal eingeprägt hat, sieht und findet man es anscheinend überall (und sei es nur in der eigenen Einbildung ...)

Schabersucher

Liebe Leute,
ich hoffe, ich nerve euch nicht, aber ich möchte dieses Forum so gerne für Diskussion nutzen und bleibe deshalb noch ein bisschen bei meinen alten Steinen ...
Hallo Michael,
vielen Dank nochmal für diesen Link zu gekritzem Geschiebe:

Zitat von: Wiedehopf in 23. November 2025, 21:57:14Hallo Sven,
ich denke eher, dass diese Schrammen durch eiszeitliche Bewegungen des Steines entstanden sind.
Siehe zum Beispiel mal hier: https://www.kristallin.de/f_gekri.htm
Ein Artefakt vermag ich leider auch nicht zu erkennen sondern eher ein durch Gletscherdruck entstandenes Geofakt.
Viele Grüße
Michael
Ich war am letzten Wochenende mal wieder am Strand und habe einen Stein2 mit Kratzern gefunden, die ganz gut zu diesem Link zu gekritzem Geschiebe passen würden. Es ist ein Stein ca 12cm x 9 cm x 4 cm mit zwei gegenüberliegenden fast parallel geschliffenen Flächen, auf denen man Rillen / Kratzer erkennen kann.

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- Ein Unterschied zu meinem oben gezeigten Stein mit Kratzern im Kortex ist allerdings, dass beim Stein2 die gesamten Flächen abgeschliffen sind, das muss mit großem Druck und über weite Strecken = Zeiträume geschehen sein. Meine Flintknolle hätte das nicht überstanden, und bei meinem Stein gibt es Kratzer auch in den Tälern zwischen Erhebungen auf der Oberfläche. Wenn die Rillen hier aus einem Gletscherzusammenhang stammen, dann eher aus einer kürzeren und sanfteren Episode...