Kernfussklinge

Begonnen von Steinkopf, 29. Dezember 2018, 22:21:50

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Steinkopf

Hallo,

nachdem Daniel hier ein interessantes Fundstück dieser Kategorie eingestellt hat,
möchte ich ein Exemplar aus dem Elbe-Weser-Dreieck zeigen.
Es ist wohl aus einem früh-mesolithischen Kontext.

Auffällig scheint mir hier der steile, gerade Verlauf des 'Rückens' zu sein.
Vielleicht fehlt die Konvexität, die einen kontrollierten Verlauf des Abschlags ermöglicht.
Länge: 7 cm.

LG

Jan

Steinsucher

Hallo Jan,

das sind schöne Fotos eines exotischen Formentyps. Du sagst er stammt aus dem "frühmesolithischen" Kontex. Das ist sicher abhängig von der Gegend.

Hier im Rheinland sehen die Teile genauso toll aus und gehören auch in die Zeit des Mesolithikums. Sie tauchen schon im Hambacher Mesolithikum auf, also ziemlich früh. Sinn?- K.A. Aber es sind auch fast immer Gebrauchsretuschen da. Es sind wohl in erster Linie Korrekturabschläge um Kerne besser oder effektiver abbauen zu können.

Ein schönes und erfolgreiches 2019,

Fritz

Nanoflitter

Ich kenne die Teile nur als Schlagunfall, so was macht keiner gewollt. Gruss..

thovalo

Zitat von: Nanoflitter in 29. Dezember 2018, 22:44:57
Ich kenne die Teile nur als Schlagunfall, so was macht keiner gewollt. Gruss..

Doch, um den Winkel der Abbaufläche zu regulieren ......  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinsucher

Zitat von: Nanoflitter in 29. Dezember 2018, 22:44:57
Ich kenne die Teile nur als Schlagunfall, so was macht keiner gewollt. Gruss..

Das nimmt man erst einmal so hin.

Es hat dann aber wohl viele Schlagunfälle gegeben.

Wenn man dann aber sieht, was hier im Forum als Super-Dooper Fine-Art Flint Napping Shotter-Art eingestellt wird, fängt man an den Kopf zu schütteln.

Diese Teile sind mindestens eine Type die immer wieder "abfiel" weil sie in einem Arbeitsablauf so vorgesehen war. Zeitlich auch eingrenzbar. Aber eben +- 2000 Jahre.

FR

Steinkopf

#5
Wir haben doch noch gar nicht Sylvester - und dann solche Beiträge?

Was war drin im Tee?

LG

Jan

Steinsucher

Zitat von: Steinkopf in 29. Dezember 2018, 23:06:56
Wir haben doch noch gar nicht Sylvester - und dann solche Beiträge?

Was war drin im Tee?

LG

Jan

Ich vergass, es war dein Beitrag. Auch Dir einen neuen Anfang.

Wir werden uns hier wohl nicht mehr so oft treffen.

Steinkopf

#7
Dieser Tread ähnelt einem Schlagunfall.
   Der geplante und auch vorbereitete Verlauf entglitt.

Jetzt mal ernsthaft und zur Sache:
   Ich kenne keinen Flintknapper, der diesen aus der geplanten Richtung laufenden Schlag nicht als Schlagunfall
   ansieht, wie Nanoflitter es hier auch schreibt.
   Für den Aufbau einer neuen Schlagfläche gibt es andere, deutlich erkennbare und intentionell gesetzte Abschläge.
   Über Kernpräparation brauche ich Thomas nichts zu erzählen.

Das Credo des geplanten Abschlages von langen 'Spänen' ist: Konvexität. Das ist schon bei der Levallois Technik erkennbar.
   Klingenkerne beginnen mit (starker) Wölbung in Querrichtung und (leichter) Wölbung in Längsrichtung.
   In dem oben abgebildeten Beispiel ging diese Wölbung verloren.


In der Hoffnung, dass dieses Forum durch die Ernsthaftigkeit der Mitglieder seine konstruktive Richtung weiterhin
   im Ton und in der Sache behält, wünsche ich Allen (mit der Hilfe von drei Flintknappern) ein gutes neues Jahr:      Jan

RockandRole

Guten Morgen Leute,

erstmal vielen Dank an Jan, der uns sein tolles Fundstück gezeigt hat. Das erinnert mich an einen weiteren Fundbeleg von mir. Die Zeitstellung könnte auch passen!

Ihr habt es ja schon mehrmals genannt, es geht um Konvexität. Ich kann mir vorstellen, dass ein geübter Steinschläger diese in einigen Fällen effektiver mit einer Kernfußklinge wieder herstellen konnte, wie mit einigen wenigen gezielten Abschlägen quer zur Abbaufläche. Der Vorteil von einer Kernfußklinge ist ja, dass die Leitgrate erhalten bleiben. Wahrscheinlich ist am allerbesten eine Kombination von beiden Techniken und von Fall zu Fall abgewogen worden. Leider kann ich jetzt keine Literaturangaben machen, aber ich meine das so auch gelesen zu haben. Ich versuche mal etwas herauszufinden.

Die 2019 ist ganz großes Kino. In der Zeit so etwas herzustellen, findet man mehr Zeit sich zu besinnen, wie die meisten anderen wahrscheinlich.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Im Hahn wird eine Kernfussklinge auch als "durchgeschlagen" also verunfallt beschrieben, an anderer Stelle dort auch noch so,
Zitat: "Falls die Koordination dieses Vorgangs, der etwa eine fünftausendste} Sekunde dauert, nicht gelingt,
führt sie zu kräftigen Bulben, Klingen mit Kernfuß oder zu kurzen Abhebungen." Sorry für meine etwas kurze Einschätzung oben. Gruss..

Danske

Zitat von: thovalo in 29. Dezember 2018, 22:56:38
Doch, um den Winkel der Abbaufläche zu regulieren ......  :winke:

Dem stimme ich zu. Ich meine, der ideale Winkel lag bei 70 Grad. https://www.youtube.com/watch?v=AmbUg6tYHBQ

Liebe Grüße und allen im Forum einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Nanoflitter

Hallo Holger,  das Video zeigt zwar anschaulich, wie eine solche Klinge entsteht, doch muss ich dem dort gesagten widersprechen. Es handelt sich, wie auch im Titel des Videos kurz zu sehen, um einen im englischen auch Overshot genannten Schlagunfall. Die dort genannte Präparation ist durchaus notwendig, den Auslauf der Klinge zu optimieren oder den Kern zu präparieren, doch nach einem richtigen Durchschlag ist an so einer Seite kein sinnvoller Klingenabbau mehr möglich, da die folgenden Klingen dem Trend folgen, um den Kernfuss zu laufen. Kannst gern mal bei mir ausprobieren, genug Material ist da  :-)
Gruss..

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Moin zusammen,

@Jan: Danke für den Thread und die toll gemachte "2019". Schöne Idee :Danke2:

@Nanoflitter: Gerne komme ich auf dein Angebot des Flintknappings bei dir zurück. Ich arbeite in Wiesbaden da ist ja nur ein Katzensprung zu dir. Zu meiner Schande muss ich gestehen, noch nie Flint bearbeitet zu haben. :schaem:
Vielleicht können wir für das Neue Jahr was ausmachen...

Habe heute Abend noch mal ein wenig zu dem Thema Fachliteratur gelesen und gegoogelt. Ganz eindeutig sind die verschiedenen Aussagen nicht, einige sprechen von Präparationsabschlägen zur Korrektur des Winkels der Abbaufläche, andere von Schlagunfällen. Vielleicht trifft beides zu. Am 12. Januar werde ich an einem Treffen der AG Altsteinzeit Hessen in Marburg teilnehmen. Dort werde ich das Thema mal ansprechen. Lutz Fiedler, der auch da sein wird, bezeichnet Kernfußklingen in seinem Buch "Altsteinzeit von A-Z" als "ein Abbauprodukt, bei dem das terminale Ende eines Klingenkerns durch einen zu starken Schlagimpuls mit abgespalten wurde". Also Schlagunfall :schaem: :kopfkratz:

Liebe Grüße
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

hargo

Zitat von: Danske in 31. Dezember 2018, 01:17:33
...Lutz Fiedler, der auch da sein wird, bezeichnet Kernfußklingen in seinem Buch "Altsteinzeit von A-Z" als "ein Abbauprodukt, bei dem das terminale Ende eines Klingenkerns durch einen zu starken Schlagimpuls mit abgespalten wurde". Also Schlagunfall :schaem: :kopfkratz:
...

Ja, immer Schlagunfall.

mfg

Nanoflitter

@Holger, bin da auch noch Laie im Klopfen, aber ausprobieren können wir alles mögliche, gerne. Gruss..

Steinkopf

#16
Moin,

in der Zwischenzeit hab ich ein wenig in der Literatur unserer Nachbarn geblättert.

Jaap Beuker aus den Niederlanden' (Vuurstenen Werktuigen) stellt dies als Schlagunfall dar:
                                                   "De Form van een afslag en wat er mis kon gaan."

Peter Vang Petersen in 'FLINT fra Danmarks oldtid' beschreibt die 'überlaufende Klinge' als 'Fehlprodukt'.

Interessant war mir dann ein Beitrag des dänischen Archäologen, der selbst ein excellenter Flintschläger ist,
Mikkel Sörensen:
                          In seinem Beitrag: 'Teknologische  traditioner i Maglemosekulturen',
                          in 'Stenalderstudier'  Hrsg.: Jysk Arkeologisk Selskabs Skrifter 2006 (Red.: Berit Valentin Eriksen),
                          zeigt er die mesolithischen Schlagtechniken Süd-Skandinaviens.
                          So auch eine notwendige Kernpräparation, die einen Kernfuß entfernt und eine neue steilere
                          Schlagfläche anlegt. Dieses Ziel wird durch einen Präperationsabschlag erreicht, der etwa dort ansetzt,
                          wo der Schlag der oben gezeigte Kernfussklinge austritt. Also andersherum.
                          Den obere 'Klingenteil'  (wie beim oben abgebildete Fundstück)  gibt es dabei nicht.
LG

Jan

Danske

Moin,

danke für die ausführliche Info, Jan. Die Korrekturen könnten also vom Kernfuß aus erfolgt sei. Sehr interessant. Das würde zu Daniels kurzem Fußstück aus Radiolarit passen.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.