Funktion unbekannt: Ein Spitzschläger

Begonnen von Neos, 29. Mai 2021, 23:53:20

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Neos

Moin, zusammen,

auf einem neolithisch/bronzezeitlichen Fundplatz in unmittelbarer Nähe zur Ostsee fand ich vor einiger Zeit dieses Exemplar eines Spitzschlägers. Bis auf eine kleine, etwa fingernagelgroße rezente Blessur ist dieses Dreikantgerät vollständig erhalten. Es ist rundherum retuschiert, läuft spitz zu und weist überall Sichelglanz auf, den man auf den Fotos jedoch nicht erkennen kann.

Meines Wissens ist die Funktion des Spitzschlägers noch nicht final geklärt. Schaut man sich die Spitze des von mir gefundenen Stückes an, fällt auf, dass dieses z. B. nicht getrümmert ist. Sprich: Es wurde nicht etwa als Pickstein verwendet. Der vorhandene Sichelglanz spricht für eine Verwendung in Kombination mit einem pflanzlichen Material.

Hier die Daten des Spitzschlägers:


  • Fundgebiet: Nördliches Schleswig-Holstein
  • Länge: 128 mm
  • Breite: 8 - 32 mm
  • Dicke: 4 - 28 mm

Viele Grüße

Frank

Steinkopf

#1
Moin Frank,

meinen Glückwunsch zu einem ausgefallenen Fundstück.
Man muß es wohl hinnehmen, dass es  nicht seriös gedeutet
werden kann. Da hilft auch PVP nicht weiter.
Dein Fund ist bemerkenswert gut erhalten sogar die Oberfläche.

LG

Jan

Fischkopp

Hallo Neos,
Ein sehr schöner klassischer Fund!
Danke für das zeigen einer Geräte  Form,  die leider in der Literatur viel  zu kurz kommt.

LG Fischkopp

thovalo



Wirklich ein ungeklärter "Fall" und wiedermal wunderbar dargestellt in den Fotos!  :super:

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Neos

Zitat von: Steinkopf in 30. Mai 2021, 00:12:59
meinen Glückwunsch zu einem ausgefallenen Fundstück.
Man muß es wohl hinnehmen, dass es  nicht seriös gedeutet
werden kann. Da hilft auch PVP nicht weiter.
Dein Fund ist bemerkenswert gut erhalten sogar die Oberfläche.

Moin, Jan,

dank dir!  :-) Und, ja, manches bleibt (noch) nebulös bei dieses Teil.

Viele Grüße

Frank


Zitat von: Fischkopp in 30. Mai 2021, 02:07:04
Hallo Neos,
Ein sehr schöner klassischer Fund!
Danke für das zeigen einer Geräte  Form,  die leider in der Literatur viel  zu kurz kommt.

Hallo, Fischkopp,

es war mir eine Freude! Du hast vollkommen Recht mit deinem Hinweis auf die wenige Literatur, die sich mit diesem Artefakte-Typ beschäftigt. Das ist wirklich schade.

Viele Gänse

Neos :zwinker:


Zitat von: thovalo in 30. Mai 2021, 11:40:03
Wirklich ein ungeklärter "Fall" und wiedermal wunderbar dargestellt in den Fotos!  :super:

Moin, Thomas,

dank dir vielmals! :Danke2: Die Artefakte ins rechte Licht zu rücken ist zwar recht viel Arbeit, macht mir aber auch ungemein viel Spaß!

Viele Grüße

Frank

Marienbad

Moin Frank,

ein schönes und sehr interessantes Fundstück. :super:

Hier nun die Gedanken eines Machers zu Deinem Fundstück.
Die Abmessungen und Form könnte sehr gut in ein Zwischenfutter aus Holz oder Geweih passen.  :zwinker:
Mit viel Glück habe ich noch ein sehr ähnliches Spitzgerät in meiner Grabbelkiste, hatte vor drei Jahren einen Studenten bei mir, er schrieb gerade an seiner Arbeit über die mesolithischen "Geweihmasken". Es ging bei den Rothirschschädeln um die Herstellungsmöglichkeiten der Löcher im Schädelknochen und deren Spuren. Ich hatte einige Flintkerne von schlanker Form vorbereitet und nutzte diese zum durchpicken vom Schädelknochen. Es lagen mehre Fotos von einigen durchlochten "Geweihmasken"vor. Meine Pickungen mit diesem "Spitzschläger" erzeugten bei drei von fünf verschiedenen Funden die gleichen Pickspuren. Der Student war sichtlich erstaunt, da er an gebohrte Löcher glaubte.
An den Spitzen der gebrauchten "Spitzschläger" gab es keine Ausbrüche von der pickenden Arbeit, die Ränder (etwa 1/3) von der Spitze aus zeigten leichten Glanz. Die Ränder der Löcher wurden mit dem gleichen Flint geglättet (gebohrt). Der Glanz stammt bei meinem Versuch sehr sicher vom Fett der frischen Schädelknochen.
LG
Manfred

Neos

Moin, Manfred,

dank dir, dass du uns alle an deiner These teilhaben lässt. Spannend!  :super:

Zitat von: Marienbad in 31. Mai 2021, 00:06:04
Mit viel Glück habe ich noch ein sehr ähnliches Spitzgerät in meiner Grabbelkiste, hatte vor drei Jahren einen Studenten bei mir, er schrieb gerade an seiner Arbeit über die mesolithischen "Geweihmasken". Es ging bei den Rothirschschädeln um die Herstellungsmöglichkeiten der Löcher im Schädelknochen und deren Spuren.

Ich kenne diese Arbeit. Gefällt!  :super:

Zitat
An den Spitzen der gebrauchten "Spitzschläger" gab es keine Ausbrüche von der pickenden Arbeit,
...

Das wundert mich in der Tat, denn ich wäre bei der Bearbeitung von Knochenmaterial davon ausgegangen, dass dieses derart hart ist, dass man eine Trümmerung am Flint deutlich sehen müsste. Aber - keine Frage - ich bin auch keiner, der hier aus der Praxis sprechen kann so wie du.

Zitat
...
die Ränder (etwa 1/3) von der Spitze aus zeigten leichten Glanz. Die Ränder der Löcher wurden mit dem gleichen Flint geglättet (gebohrt). Der Glanz stammt bei meinem Versuch sehr sicher vom Fett der frischen Schädelknochen.

Ich verstehe. Gehe ich recht in der Annahme, dass du damit vermutlich nicht ausdrücken möchtest, dass bei dem hier vorgestellten Spitzschläger der Sichelglanz vom Fett der Schädelknochen stammt, oder?

Beste Grüße

Frank

hargo

#7
Zitat von: Neos in 31. Mai 2021, 23:45:37
...Gehe ich recht in der Annahme, dass du damit vermutlich nicht ausdrücken möchtest, dass bei dem hier vorgestellten Spitzschläger der Sichelglanz vom Fett der Schädelknochen stammt, oder?
...

Wie kommst du auf Schädelknochen?
Aber egal, also nicht der Schädelöffnung zur Entfernung z.B. eines Tumors diente.
Das ist auch erst heute und jetzt erfolgreich möglich.

Aber damals konnte man ja mal gucken ; )
Die betroffene Kreatur zählte ja zwischenzeitlich immer mal wieder nichts.

mfg

Steinkopf

@ hargo

Du schreibst:  "Aber egal, also nicht der Schädelöffnung zur Entfernung z.B. eines Tumors diente.
                     Das ist auch erst heute und jetzt erfolgreich möglich."

Es gibt steinzeitliche Schädelfunde mit wohl verheilten runden Löchern im Schädel - Trepanation.

Beispiel:   https://www.n-tv.de/wissen/Schaedeloeffnungen-nachgewiesen-article4582261.html

LG
Jan


Marienbad

@ Neos

  ZU .....       (An den Spitzen der gebrauchten "Spitzschläger" gab es keine Ausbrüche von der pickenden Arbeit)


Einen flachen Knochen wie zB einen Schädel,Schulterblatt,Rippe oder Beckenknochen lassen sich recht einfach mit einem Pickstein bearbeiten um den Knochen zu durchlochen. Bei Röhrenknochen müssen die Picksteine schon sehr robust sein, hier fallen auch "Abplatzer" an der Spitze an.

Bei der Arbeit am Schädelknochen sollte die Person schon etwas geübt sein. Mit feinfühligen Schlägen ist es schon möglich ein Loch ohne Blessuren am Pickstein zu hinterlassen. Der Pickstein wird entsprechend bearbeitet, die Spitze sollte den richtigen Winkel aufweisen und den entsprechenden Durchmesser haben.


  ZU.....         (Glanz)


Der Glanz an deinem Fundstück mag wie auch immer entstanden sein, könnte aber auch von einer bohrenden Tätigkeit stammen. Bei dem Alter sehr sicher NICHT vom Fett.



LG    Manfred   :winke:






Marienbad

@ Hargo


hier handelt es sich um ein Beispiel, eine Geweihmaske, keine Trepenation zum Zweck einer OP.
Die Löcher in der Maske sollen zum fixieren mittels Schnüren dienen.

Alles zu diesem Beitrag soll zur Aufklärung von dem Fundstück von Neos dienen.


LG   Manfred

hargo

Hallo Manfred,

danke für den Hinweis.
Das habe ich gestern überlesen.
Es geht um Geweihmasken.

mfg

Neos

#12
Zitat von: Marienbad in 01. Juni 2021, 09:52:59
Mit feinfühligen Schlägen ist es schon möglich ein Loch ohne Blessuren am Pickstein zu hinterlassen. Der Pickstein wird entsprechend bearbeitet, die Spitze sollte den richtigen Winkel aufweisen und den entsprechenden Durchmesser haben.

Moin, Manfred,

Super interessant! DAS hätte ich nicht erwartet.  :super:

Zitat
Der Glanz an deinem Fundstück mag wie auch immer entstanden sein, könnte aber auch von einer bohrenden Tätigkeit stammen. Bei dem Alter sehr sicher NICHT vom Fett.

Alles andere hätte mich jetzt auch irritiert.

Viele Grüße

Frank


Zitat von: Steinkopf in 01. Juni 2021, 09:02:19
Es gibt steinzeitliche Schädelfunde mit wohl verheilten runden Löchern im Schädel - Trepanation.

Beispiel:   https://www.n-tv.de/wissen/Schaedeloeffnungen-nachgewiesen-article4582261.html

Moin, Jan,

dank dir für den Hinweis und den Link zu dem Artikel. Ich habe einmal zum Thema Trepanation gelesen, dass in der Steinzeit vermutlich wesentlich mehr Menschen einen solchen Eingriff überlebt haben als beispielsweise im 18. Jahrhundert. Als Grund dafür vermutet man u. a., dass in der Steinzeit mit "sterilerem" Werkzeug, sprich: Flint, gearbeitet wurde als in späteren (Metall-)Zeiten. Ferner wurde eine Trepanation in der Steinzeit offensichtlich häufig "sanfter" durch Aufschaben der Schädeldecke vorgenommen als durch Bohrungen, was die Überlebenschance eventuell weiter steigerte. Allein der Gedanke daran ...  :nono:

Hier der Link zum Wikipedia-Artikel: [wiki]Trepanation#Urgeschichte[/wiki]

Viele Grüße

Frank