Ein Stück freigegeben zur Diskussion

Begonnen von Pipin, 14. Dezember 2014, 12:15:53

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Pipin

Moin Moin Ihr Steinnarren :frech:
und schönen 3. Advent :zwinker:

Ich stelle Euch hier ein Stück zur Diskussion ein:

Ich möchte einem Ergebnis nicht vorgreifen und warte ersteinmal Eure geschätzten Kommentare zu:
1. Artefakt oder Geofakt
2. Art der Herstellung ( bei Vermutung Artefakt )
3. Zeitliche Einordnung anhand des Gesamtbildes ( bei Vermutung Artefakt )

Ich möchte auch nicht vorab sagen, wo ich es gefunden habe, um Neutralität in der Einschätzung zu wahren. Es können also
nur Vermutungen von Euch anhand ähnlicher Funde gemacht werden. Danach teile ich den Fundplatz und meine Vermutung von
Art und Zeithorizont mit.

Ich bitte also um eine objektive Diskussion   :glotz::winke:

neolithi

#1
Hallo Pipin,

so, wie du das Stück vorstellst, wird es deiner Einordnung nach bestimmt ein Artefakt sein. Wahrscheinlich etwas Paläolithisches, weil es für mich hier aus dem Norden der Republik einfach nur wie ein Stein aussieht, allerdings mit fossilem Bewuchs (vielleicht Wurmgänge).

Bin gespannt auf die Auflösung.

HG
neolithi

Pipin

Moin Neolithi,

Ich habe nur versucht auf den Bildern zu zeigen was der " Stein " im Original zeigt.
Es ist ja immer sehr schwer etwas auf Bildern gut zu zeigen.

Ja stimmt, Wurmgänge sind ausgewittert zu sehen!

Gruß Christian


Zitat von: neolithi in 14. Dezember 2014, 14:41:24
Hallo Pipin,

so, wie du das Stück vorstellst, wird es deiner Einordnung nach bestimmt ein Artefakt sein. Wahrscheinlich etwas Paläolithisches, weil für mich hier aus dem Norden der Republik einfach nur wie Stein aussieht, allerdings mit fossilem Bewuchs (vielleicht Wurmgänge).

Bin gespannt auf die Auflösung.

HG
neolithi

Nanoflitter

Für mich sieht das Ding an der einen frischen Bruchstelle nach Flint aus. Die Wurmgänge deuten auf einen Fundplatz irgendwo im Schlick, Hafen, Wattenmeer? Als Laie würde ich mal mesolithische Axt sagen, oder Vorarbeit davon, die Teile sehen für mich alle noch! irgendwie genau so unförmig aus.
Gruss...

Steinkopf

Hallo Pipin,

Da hast Du ja einen grauslichen Brocken aufgetan!

Mit Linien und Pfeilen deutest Du einige Abschlagnegative an, die bei der unruhigen
Textur des Steines schwer zu erkennen sind.

Es ist vielleicht ein sehr opportunistisch angefertigtes Kerngerät
aber so wirklich überzeugt bin ich davon noch nicht.

LG

Jan

StoneMan

Moin,

aufgrund der Bilder mag ich nix dazu sagen. Gerade bei einem so "grauslichen Brocken" bedarf
es bessere Bilder  :glotz:

Die Wurmgänge habe ich auch erkannt, wären die fossil, würde die Frage hier
im Forum ´Steinartfakte´ falsch platziert sein.
Oder hat da etwa einer unserer Altforderen Freude an dem Ornament gehabt?

Zitat von: Steinkopf in 14. Dezember 2014, 17:20:12
...
Es ist vielleicht ein sehr opportunistisch angefertigtes Kerngerät
aber so wirklich überzeugt bin ich davon noch nicht.


Der Begriff "opportunistisch", gefällt mir besonders gut, hatte ich ihn doch in meiner Fundmeldung
zu meinem Geofakt-Bohrer-Problem, meinem Archäologen gegenüber verwendet...  :zwinker:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Pipin

Also schon mal besten Dank für die bisherigen Meinungen.

Mal sehen was noch kommt.

Es ist ein sehr "gruseliger Brocken " ja das stimmt.




Pipin

Hier noch mal 2 Bilder in denen ich die Absplitterungen des Stücks eingezeichnet habe, da diese auf den Bildern
nicht gut zu erkennen sind. Erkennbar ist die "frische und kantige" Absplitterung. Die anderen, ich nenne sie mal
"Negative" sind glattgeschliffen und stark pantiniert.

Die einzelnen "Stoßpunkte" mit den Pfeilen gekennzeichnet, sind auf den Bildern gut zu erkennen
und erinnern meiner Ansicht nach stark an artifiziellen Charakter gezielter Abschläge.

Wir haben 7 "Stoßpunkte oder Abschläge" in einer Reihe aufeinander folgend, ohne weitere Stoßpunkte oder andere
Absplitterungen. :kopfkratz:


Pipin

... ach so, das ist ein Bryozoen Flint.

StoneMan

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

hargo

Der ,,Bewuchs" ist anhand der Fotos nicht als Fossil zu erkennen, die Bryozoa im Flint schon eher. Wallnerlinien wären von Vorteil um es als Artefakt zu identifizieren. Die vermeintliche Schlagfläche ist mir zu wenig. Im Zweifelsfall Frostbruch!

mfg

thovalo

#11


     :-)


Schon die deutliche oberflächige fossile Erhaltung lässt eine artifizielle Verwendung als unwahrscheinlich erscheinen.
Eindeutig ansprechbare artifizielle Merkmale sind aus der Fotoperspektive nirgendwo vorhanden.

Es handelt sich um eine deutlich patiniertes verschiedentlich angetrümmertes Stück.

Ich wohne direkt auf der südlichsten Verbreitungsgrenze des "baltischen Feuersteins".

Die hier auftretenden Silices, darunter auch herrlich klar und bestens erhaltener Bryozenfeuerstein, sind über hunderte Kilometer hierher verschoben worden. Dabei entstanden an den Silexstücken Merkmale die vielfach deutlich näher zu denen menschlichen Einflusses stehen.
Da muss man noch sehr viel genauer hinsehen ob und wie Negative "angelegt" und ausgerichtet sind.

Da kommen bestimmte Formen als Folge von Bruchereignissen und Frostsprengungen vor, die schon sehr nahe an Artefaktformen kommen.

Das deshalb, weil die Bruchmechanik in natürlichen wie in intentionellen Prozessen gleichartig verläuft. Wenn Kanten im jahrtausendelangen Transport dann noch gleichmäßig z.B. über einen der mit geschleiften Granitbrocken gezogen wurden, entstanden selbst noch recht gleichmäßig verlaufende Lateralretuschen.

Das macht bei Begehungen echte Kopfschmerzen!  :staun:


Als Folge werden alle Silices je begangener Bahn, an deren Ende abgelegt und im Abschluß Stück für Stück angesehen, besprochen und analysiert. Allein in dieser intensiven Auseinandersetzung schult sich der Blick auf die vielen Details natürlicher und artifizieller Prozesse die sich in dem Material abbilden.


Das Oben gezeigte Stück hat einen lang-schmalen "natürlichen Rücken".
Dem gegenüber hätte in paläolithischer Manier eine artifiziell zugerichtete Schneide oder Schaberkante liegen können.

Es ist jedoch weder die "Centerline" einer solchen einfachen biface angelegten Gerätekante, noch ist eine Schaberretusche vorhanden.
Somit lassen sich keine Merkmale eines artifiziell zugerichteten "Artefakts" beschreiben.

Dennoch konnte damit auf einen Knochen einhämmern werden ......  das beträfe allerdings rein funktionelle Fragen, die sich makroskopisch nicht unmittelbar am Stein belegen liessen. So etwas wäre ggf. in einem gesicherten Befundzusammenhang mit Schlachtabfällen näher zu diskutieren.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Pipin schreibt:

"Ja stimmt, Wurmgänge sind ausgewittert zu sehen!"

Wir können nur hoffen, dass es wirklich schon fossil ist.

Ansonsten könnte es noch ansteckend sein!

Jan

hargo

Zitat von: thovalo in 15. Dezember 2014, 11:02:43
Schon die deutliche oberflächige fossile Erhaltung lässt eine artifizielle Verwendung als unwahrscheinlich erscheinen.

@Pipin
Sind die vermeintlichen Fossilien auf der Oberfläche des Feuersteins, hart wie Silex, oder kalkig weich?

mfg

StoneMan

Zitat von: Steinkopf in 15. Dezember 2014, 12:57:12
...
Ansonsten könnte es noch ansteckend sein!

Jan
Moin Jan,

da ich zwischen den Zeilen lesen kann :zwinker: sag ich mal, "Ach Quark"  :-D

Netten Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Pipin

#15
Zur Entstehung von Flint oder Silex gibt es viele Mär aber nichts sicheres. Sicher ist, dass es Kieselsäure ist, die in Kalkablagerungen ausfällte. Und wenn dies im Bryozoenkalk geschah konnte Bryozoenflint entstehen. In manchen Fällen ( so erkläre ich es mir ) wurde etwas Kieselsäure im Prozess nicht richtig eingebunden und verband den Flint wie eine Art Klebstoff mit dem umliegenden Kalk. Diese Art " Vermelzung" mit dem Umfeld seines Uhrsprungs ist des Öfteren an Flint aller Art durch eine weiße harte Kalkschicht zu finden. In unserem Fall hier sind es die Exoskelette der Bryozoen hier von uns "Wurmgänge" genannt. Der restliche feine Kalk ist mittlerweile abgetragen. Ich habe mal ein Bild eines nicht verwitterten Beispiels hochgeladen

Pipin

Bryozoen Flint mit weißer "verklebter" Bryozoenkalkschicht

Pipin

#17
Moin Thovalo,
danke für deine Meinung.

Meine Fragen und Meinungen dazu im Verlauf:


"Schon die deutliche oberflächige fossile Erhaltung lässt eine artifizielle Verwendung als unwahrscheinlich erscheinen."

Warum ist eine fossile Erhaltung deiner Meinung nach ein Ausschlusskriterium? Wenn ich den Stein in meiner Hand halte, stört es mich
nicht im geringsten, es ist sogar eine Art "Antirutschschicht" da die vorhandenen Exoskelette etwas rau sind. Warum also, aus ästhetischen Gründen?


"Eindeutig ansprechbare artifizielle Merkmale sind aus der Fotoperspektive nirgendwo vorhanden."

Wenn die Natur den Stein 7 mal hin und her gedreht hat, und dabei in alternierender Weise 7 mal parallel zueinander hart geschlagene
Abbrüche erzeugte, sonst aber den Stein an seiner Oberfläche komplett verschont hat, dann stimme ich dir zu, dann gibt es keine Hinweise.


"Ich wohne direkt auf der südlichsten Verbreitungsgrenze des "baltischen Feuersteins".
Die hier auftretenden Silices, darunter auch herrlich klar und bestens erhaltener Bryozenfeuerstein, sind über hunderte Kilometer hierher verschoben worden. Dabei entstanden an den Silexstücken Merkmale die vielfach deutlich näher zu denen menschlichen Einflusses stehen."

Mal abgeshen von dem Grad der "Nähe zu einem menschlichen einfluss", würden deine Ausführungen doch aber auch bedeuten, das der Erhalt von fossilien Ablagerungen beim Transport und unter so viel Druck abgeschliffen oder zumindest glatt geschliffen sein müsste oder?

"Da muss man noch sehr viel genauer hinsehen ob und wie Negative "angelegt" und ausgerichtet sind.
Da kommen bestimmte Formen als Folge von Bruchereignissen und Frostsprengungen vor, die schon sehr nahe an Artefaktformen kommen."

:glotz:Die zerrütteten Aufschlagpunkte sind meiner Meinung nach auf den Bildern gut zu erkennen. Das schließt Frostsprengung aus. Form und Folge der Bruchereignisse
sind von mir, so glaube ich, auch deutlich farblich markiert dargestelt.


"Das deshalb, weil die Bruchmechanik in natürlichen wie in intentionellen Prozessen gleichartig verläuft. Wenn Kanten im jahrtausendelangen Transport dann noch gleichmäßig z.B. über einen der mit geschleiften Granitbrocken gezogen wurden, entstanden selbst noch recht gleichmäßig verlaufende Lateralretuschen."
Wie schon gesagt, die fossile Erhaltung der Exoskelette von Bryozoen schließt das Schleifen dieses Stückes über Granitbrocken aus, ich glaube hier gibts du mir recht. Desweiteren sind die Kanten unbeschädigt

"Das macht bei Begehungen echte Kopfschmerzen!  :staun:"
Stimmt, da gebe ich dir im Allgemeinen vollkommen Recht, wiederspreche aber in diesem konkreten Fall!

"Das Oben gezeigte Stück hat einen lang-schmalen "natürlichen Rücken".
Dem gegenüber hätte in paläolithischer Manier eine artifiziell zugerichtete Schneide oder Schaberkante liegen können.
Es ist jedoch weder die "Centerline" einer solchen einfachen biface angelegten Gerätekante, noch ist eine Schaberretusche vorhanden.
Somit lassen sich keine Merkmale eines artifiziell zugerichteten "Artefakts" beschreiben."

Der Rücken ist eben und entweder abgebrochen oder Abgeschlagen. Dazu stark patiniert und an der umlaufenden Kante weder beschädigt
noch scharfkantig. Es scheint sogar an der Kante zur " Ventralfläche" etwas verrundet zu sein. Dem gegenüber befindet sich die "Schneide",
die über die komplette Gegenseite und das komplette Distalende angelegt ist. Ich habe die "Schneide" durch meine farblichen Markierungen der
Abschlagsflächen und Anordnung gut nachvollziebar darstellen wollen, schein wohl nicht ganz geklappt zu haben  :heul:.


LG Christian

Pipin

Moin und schönen 4. Advent  :winke:,

Ich danke für die Meinungen zum gezeigten Stück.

Genaues kann nicht dazu sagen nur, dass es sich hier um einen
Oberflächenfund eines neolithischen Fundplatzes an der Ostsee
handelt.
Die Art der Bearbeitung schlägt bei diesem Fundstück aus der Reihe
und die Abschläge sind eindeutig nicht natürlichen Ursprungs. Es wird
hier wohl zu keinem Ergebniss kommen.

Ich wünsche Euch eine Frohes Weihnachtsfest :prost: