Ein mehrfach nachgeschärfter Miniaturkratzer vom rechten Niederrhein

Begonnen von thovalo, 04. November 2024, 16:25:34

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thovalo





Moin!

Dan kleine Kratzer mit 17 mm Durchmesser konnte ich Vorgestern auf einer Feldflur am Rhein bei Duisburg auflesen. Die Feldflur ist dort abgeerntet, aber noch nicht weiter bearbeitet worden. Bei der Begehung fand sich auch dieser Kleinkratzer. Diese Miniaturen kommen dort immer wieder mit vor.


An diesem Exemplar sind die Spuren einer mehrfachen Nachbearbeitung an einer Stelle der Randpartie bemerkenswert. Offensichtlich ist mit diesem Kleinstgerät sehr intensiv gearbeitet worden und man hat es bei Bedarf nachgeschärft, sodaß sich oberhalb der Arbeitskante eine regelrechte "Nase" ausbilden konnte.


Somit wurde dieser Fundbeleg dann auch tatsächlich zum "Kratzen" verwendet und zwer intensiv und nachaltig.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiedehopf

Hallo Thomas,

mir ist schon öfter der Begriff 'Daumennagelkratzer' begegnet. Ist dein schöner Fund sowas ?

Viele Grüße
Michael 

hargo

Zitat von: Wiedehopf in 04. November 2024, 20:49:41...

mir ist schon öfter der Begriff 'Daumennagelkratzer' begegnet. Ist dein schöner Fund sowas ?

...

Hier (NRW) eher nicht!
Daumennagelkratzer sind zwar nicht immer, aber tendenziell doch vom Neanderthaler.
Oder?

mfg

Steinkopf

Hallo Thomas,

Das ist ein beeindruckendes Fundstück - es besticht durch geometrische Eleganz in der Winzigkeit.

Es wird nicht überall als Gerät gesehen. Die Typologie 'FLINT' von P.V.Petersen führt dieses
Teil als Spielstein.

Deine Annahme: "man hat es bei Bedarf nachgeschärft, sodaß sich oberhalb der Arbeitskante eine
                         regelrechte "Nase" ausbilden konnte."
sehe ich so nicht.

Un diese geometrische Form - und um die ging es ja augenscheinlich - zu erreichen mussten
immer kleinere und dünnere Partikelchen abgedrückt werden und der Abbauwinkel wird steiler.
Dabei geht der Abdruck nicht bis zum Ende duch und es gibt  'Steckenbleiber.'
Die sind oft an normalen nachretuschierten Kratzerkappen zu sehen.


LG
Jan





an Kratzerkappen zu sehen.

steinwanderer

Moin Thomas,
ich kann Jan´s Aussage nur bestätigen.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Wiedehopf

ZitatEs wird nicht überall als Gerät gesehen. Die Typologie 'FLINT' von P.V.Petersen führt dieses Teil als Spielstein.

Moin Jan,

das ist vielleicht etwas missverständlich. Den 'Spillebrik' führt Petersen unter der Rubrik 'Schaber' auf und schreibt (nach meiner laienhaften Übersetzung)

Spielstein heisst dieser Typ, der mit seiner geringen Größe (1-3 cm Durchmesser) kaum eine praktische Funktion hatte.

Also sieht er es sehrwohl als Gerät an.

Viele Grüße
Michael
   

Steinkopf

Moin Michael,

P.V.Petersen, FLINT:  Nr. 45 Spillebrik:

"Als Spielstein bezeichnet man diesen Typ, der mit seiner geringen Größe (1 - 3 cm Durchmesser) kaum
eine praktische Funktion gehabt hatte. Die kleine umlaufend retuschierte Scheibe ist oft aus einem
Abschlag mit glatter (flacher) Rückseite hergestellt.
'Spillebrikkerne' (Spielsteine) treten gewöhnlich auf Siedlungsplätzen der späten 'Jaettestuertid`
(2. Halbzeit der Trichterbecherkultur; um 3000 vor Chr) Anmerkung des Übersetzers) in Syddänemark auf.
Dieser Typ ist auch gut bekannt auf Siedlungsplätzen südlich der Ostsee."
                                                      Meine Übersetzung nach dem o.g. Buch, 4. Auflage.

MfG
Jan

thovalo

Zitat von: Steinkopf in 05. November 2024, 03:16:15Hallo Thomas,

Das ist ein beeindruckendes Fundstück - es besticht durch geometrische Eleganz in der Winzigkeit.

Es wird nicht überall als Gerät gesehen. Die Typologie 'FLINT' von P.V.Petersen führt dieses
Teil als Spielstein.

Deine Annahme: "man hat es bei Bedarf nachgeschärft, sodaß sich oberhalb der Arbeitskante eine
                         regelrechte "Nase" ausbilden konnte."
sehe ich so nicht.

Un diese geometrische Form - und um die ging es ja augenscheinlich - zu erreichen mussten
immer kleinere und dünnere Partikelchen abgedrückt werden und der Abbauwinkel wird steiler.
Dabei geht der Abdruck nicht bis zum Ende duch und es gibt  'Steckenbleiber.'
Die sind oft an normalen nachretuschierten Kratzerkappen zu sehen.


LG
Jan





an Kratzerkappen zu sehen.


Ja ich kenne die spillebriks (hoffentlich richtig geschrieben). Im Rhienland sind diese Kleinstformen wenig beschrieben worden. Erstmals wurden sie in einem Text zur bislang hier noch nicht benannten Kultur der späten Jungsteinzeit (3.700 bis ca. 2.300 v. Chr) zugeschrieben und werden als Kratzer benannt.


Da auf dem großen Fundareal entweder eine sehr große oder viele aufeinanderfolgende Aufenthalte im späten Neolithikum gegeben haben muss, finden sich die kleinen Kratzer hier tatsächlich auch sehr häufig und zwar insbesondere auf den Stellen auf denen z.B. auch die hier in diese Zeit gestellten Pfeilschneiden uund "ausgesplitterte Stücke" in hohen Stückzahlen vorkommen.

"Un diese geometrische Form - und um die ging es ja augenscheinlich - zu erreichen mussten
immer kleinere und dünnere Partikelchen abgedrückt werden und der Abbauwinkel wird steiler.
Dabei geht der Abdruck nicht bis zum Ende duch und es gibt  'Steckenbleiber.'
Die sind oft an normalen nachretuschierten Kratzerkappen zu sehen."

Wenn es um die Geometrie gegangen wäre/ist, dann trifft das zweifelsohne zu. Aber die Idee eine Tradition von Spielsteinen vom Norden hier in das Rheinland zu übertragen erscheint mir nicht möglich. Da es die kleinen Dinger teils auch randliche Ausbrücken durch Kantenbelastungen/Ausbrücken unter Druckbelastung aufweisen, scheinen sie hier eher der Arbeit gedient zu haben. Das sieht man auch andem hier eingestellten Fundbeleg, wenn auch ie Teifenschäfe nicht ganz auf dne Kanentenulauf geht. Das Stück sollte doch eher klein fein und nutzbar sein.

Dann wäre eine mehrfache Wiederherstellung des untersteilten Kratzerbereichs dennoch auch vorstellbar.

Es gibt kaum einemal eine absolute Lösung.

Umso spannender ist dieser kleine Fundbeleg, den es mit denselben Phneomenen auch in weitaus größeren Formaten gibt.


lG und Danke für das Interesse an dem Kleinling!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Zitat von: Wiedehopf in 05. November 2024, 09:35:13Moin Jan,

das ist vielleicht etwas missverständlich. Den 'Spillebrik' führt Petersen unter der Rubrik 'Schaber' auf und schreibt (nach meiner laienhaften Übersetzung)

Spielstein heisst dieser Typ, der mit seiner geringen Größe (1-3 cm Durchmesser) kaum eine praktische Funktion hatte.

Also sieht er es sehrwohl als Gerät an.

Viele Grüße
Michael
   
Hallo Michael,
diese "Spielsteine' bzw. Rundkratzer, bzw. Daumennagelkratzer treten bei uns im Süden auch noch sehr häufig im Frühmesolithikum auf. Ein interessanter innerdeutscher Vergleich.
Grüße Peter

Danske

Hallo zusammen,

ich sehe die Sache so wie Michael.

PVP führt den Spillebrik, also Spielstein, als Typ der Skrabere, also Schaber, Kratzer auf. Er nennt ihn Spielstein, weil er ihm aufgrund seiner Größe kaum eine praktische Funktion zuspricht.
Es ist also tatsächlich ein Werkzeug. Und warum sollte sich jemand die Mühe machen, einen Spielstein aufwändig rundherum zu retuschieren?

Lutz Fiedler beschreibt den Werkzeugtyp "Daumennagelkratzer" als sehr kleine, Halbrund- oder Rundkratzer, die gelegentlich schon im Altpaläolithikum vorkommen. Sie sind in Keilmesserinventaren häufiger vertreten und gehören im ausklingenden Jungpaläolitzikum und im Mesolithikum zur gewöhnlichen Werkzeugausstattung. Im nordeuropäischen Spätneolithikum /Becher-Gruppen) erlangen sie wieder eine gewisse Bedeutung.

LG
Holger

 
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

Hallo,
kein Geringerer als Claus-Joachim Kind schreibt zum Thema Daumennagelkratzer, die er der Gruppe der "kurzen Kratzer" als Sonderform zuordnet.
Er schreibt: Bei ihnen handelt es sich um relativ kleine Artefakte, die üblicherweise eine maximale Ausdehnung von 3 cm nicht überschreiten. Oftmals ist die Länge und Breite der Geräte gleich groß. Bei einigen von ihnen ist nicht nur die Stirnseite modifiziert, sondern die Retusche wurde umlaufend um die Grundform angebracht.
Sogenannte kurze Kratzer treten auch noch im Mesolithikum auf.

Grüße Peter