Steine - mitnehmen oder liegen lassen?

Begonnen von StoneMan, 25. September 2015, 00:36:38

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StoneMan

Moin,

grundsätzliche Frage, wie haltet ihr es?

Welche Maßstäbe legt ihr an? Welche Kriterien müssen (eure) Fundbelege erfüllen?
Mitunter keine einfache Entscheidung - oder doch?

Vier zufällige Beispiele ~ 6/8 x 4/5 cm.
Mitnehmen oder liegen lassen?


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinereihe


Gute Frage!

Auf meinen Fundort gibt es viele tausende Abschläge.
Ich habe angefangen einfach alles mit zu nehmen. Zu hause sah ich dann das einige wunderschön retuschiert waren.

Aber jetzt habe ich schon viele gut gefüllte Kisten mit alle mögliche klare und unklare Stücke. Das kann so nicht weitergehen. 

Ich hebe noch immer alle Flintstücke auf, aber bin jetzt etwas selectiver mit mitnehmen und brauche mindestens einige klare Artefakt-merkmalen.
Aber eigentlich finde ich Abschläge noch immer fast genau so interessant als die Werkzeugen.

Wissenschaftlich gesehen sollte mann eigentlich alle Funde dokumentieren, auch die nicht so klare. Die Archäologen hier werfen die Stücke aber auch weg wenn die Merkmalen nicht da sind...

LG, S.

Nanoflitter

Ich sammle alle Stücke ein, hier gibt es keinen natürlichen Flint, alles, was hier liegt, ist vorgeschichtlich oder ein Flintenstein.
Bild 2 und 3 würde ich übrigens für Frostsprünge halten....
Gruss..

hargo

#3
Zitat von: StoneMan in 25. September 2015, 00:36:38
Vier zufällige Beispiele ~ 6/8 x 4/5 cm.
Mitnehmen oder liegen lassen?

Hallo Jürgen,

bei der Masse an Geschiebefeuerstein im Norden sollte man es sich nicht so schwer machen.
Lass dir vom örtlichen Bodendenkmalpfleger mal zeigen wie viele Kisten mit eindeutigen Stücken er bereits im Archiv hat!

Nummer 2-4 kann man getrost liegen lassen. Bei Fundstück 1 wäre noch mit dem Finger zu prüfen, ob die eine Laterale unter der Dreckschicht nicht doch retuschiert ist. Der ,,Bucht" würde ich keine Bedeutung beimessen.

mfg

p.s. Ansonsten ist in meiner Region jeder Feuerstein verdächtig. Ich sammle alles ein.

teabone

ich sammle auch alles ein und seien es Abschläge. Das Bild einer Fundstelle wird auch durch kleine Abschläge klarer. In Verbindung mit Kernen zeichnen sich dann Werkplätze ab. Im Laufe der Zeit erzählt der Acker seine Geschichte.
Aufgrund der Beobachtungen finden sich andere Fundplätze leichter.
Weit weg vom natürlichen Gesteinsvorkommen haben alle Funde hier einen artifiziellen Ursprung.
Auch Kiesel werden genau angesehen und entpuppen sich nicht selten als Klopfsteine.
Im Jahr kommt meist nicht mehr als eine Schuhschachtel zusammen. Daher habe ich auch kein Platzproblem.

LG Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

thovalo


Ich habe den unsagbaren Vorteil, dass hier alles was Silex ist in die Tüte kommen kann und der jeweiligen Fundstelle zugeordnet wird.

Alle Maasfeuersteinbelege, die aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden hier an den Platz über den Rhein hinweg nach Osten ausgetauscht worden sind gehören in einen "Austauschkomplex" in dem auch die kleinsten Absplisse und "flakes" ihren Platz als Teil eines komplexen Ganzen haben. Dann kommen als lokale Feuersteinvarietäten die sog. "Maaseier" und als regionale Varietät der "nordische" / "baltische" Feuerstein mit hinzu. Alle angeschlagenen Maaseier kommen mit dazu und ebenso alle "nordischen/baltischen" Silices, auch wenn es sich um nicht bearbeitete Rohstücke handelt, da sie in diesem Fall als "Rohmaterialvorrat" angesehen werden können.

Also habe ich es im Grunde schon recht leicht:

Silex  =  Aufsammeln


Bei den Felsgesteinvarietäten ist es eher die Pest, da hier auch Flussschotterablagerungen angepflügt sind. Da braucht es ein sehr geübtes Auge um die Belege von Beilklingen, Mahlsteinen, Schleifwannen und insbesondere der Schlagsteine heraus zu fummeln.


In Bezug auf die Keramik kommt bis zum Zeitabschnitt des 17. Jhs. dann Alles mit, was insbesondere bei den Mengen unverzierter eisenzeitlicher Keramikbelege wieder eine Herausforderung dar stellt

Beides gleichzeitig sorgfältig aufzulesen finde ich erheblich anstrengend. Daher setzte ich immer einen Schwerpunkt. Entweder Silices und die Keramik die dazwischen kommt, oder die Keramik und dann die Silices die mit vor die Flinte kommen.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Zitat von: thovalo in 25. September 2015, 12:37:16

In Bezug auf die Keramik kommt bis zum Zeitabschnitt des 17. Jhs. dann Alles mit, was insbesondere bei den Mengen unverzierter eisenzeitlicher Keramikbelege wieder eine Herausforderung dar stellt


Ich hab dieses Jahr aufgehört, unverzierte Wandscherben vorgeschichtlicher Keramik mitzunehmen. Kaum bestimmbar und in solchen Mengen vorhanden, das ich mit der Dokumentation ein Problem kriege. Verzierte Scherben, Rand Boden Henkel Knubbel und besonders große Wandscherben verschaffen mir schon genug Arbeit...

Gruss...

thovalo



Ja, das ist auch eine gute Entscheidung, nur geben die Mengen und ggf. Anpassungen und auch die Größen der Wandungsfragmente auch Anhalt wie weit eine Stelle schon "hin" ist oder aktuell einer näheren Ansicht wert wäre.


Randfragmente, Henkel, verzierte Stücke sind gegenüber den Wandungsfragmenten ja nur in einem proportional geringen Anteilen vertreten.


Aber das finde ich kann man so oder so angehen!


Mir geht hier insbesondere die Eisenzeit auf den Sack mit ihrer grobschlächtigen Drißkeramik, da sind selbst Verzierungen kaum vorhanden und die Randformen auch meist absolut eintönig.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Hallo Jürgen,

Diese Frage haben sich schon viele Sucher gestellt.

Aus dem Spektrum dieser Antworten, die alle auch gut nachvollziehbar begründet sind,
kannst Du Dir jetzt die für die jeweilige Region und Situation passende aussuchen.

LG

Jan


StoneMan

Moin Leute,

erst einmal vielen Dank für eure Kommentare.
Vielleicht kommen ja noch weitere dazu, auf jeden Fall werde ich auf eure Antworten
noch ausführlich eingehen.

Nur so viel, die oben gezeigten Beispiele sind alle auf dem Acker geblieben...  :besorgt:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Furchenhäschen

#10
Hallo Jürgen,
das ist eine ebenso gute wie auch interessante Frage!

Von meinen paläolithischen- und mesolithischen Plätzen wird ein jedes Stück mitgenommen, also Splitter, Abschläge, Kerne, Werkzeuge.
Das hat nun folgende Gründe:

1. ich bin der einzige, der diese Plätze begeht und durch die komplette Mitnahme ergeben sich natürlich auch nebenbei interessante statistische Auswertungsmöglichkeiten
   über das Mengenverhältnis Abschlag / Werkzeug usw. usw..
2. es lässt sich aus der Fundkonzentration und der Fundlage  (Abschläge/Werkzeuge/Kerne/Splitter) auch eine Menge herauslesen, sofern die Lesefunde auf Karten oder per GPS erfasst
    werden.
3. Es lässt sich auch noch das aufgelesene Material auslesen, Herkunft und oftmals Material das über einige hundert Kilometer den Weg auf den Fundplatz fand.
4. Evtl. sind auch noch Zusammenpassungen möglich. (siehe mein MP Faustkeil, hier schon gezeigt, Bestand aus 3 Teilen)
5. gerade bei sehr frühen mesolithischen Artefakten ist es schon alleine Aufgrund der geringen Größe unumgänglich sämtl. Stücke einzutüten. Oftmals lässt sich erst nach dem Abwasch eine
   feine Retusche und ein Werthzeug erkennen.
6. Bei der Suche auf neolithischen Siedlungsplätzen handhabe ich das etwas differenzierter. Kerne, Klopfer, Schlagsteine, Klingen, Werkzeuge werden eingetütet, Splitter und dergleichen
   bleiben liegen

Grüße
Peter