Beil oder nicht Beil - das ist hier die Frage (3) - ein 'Rucksackfund'

Begonnen von Jondalar, 06. Juni 2024, 09:27:08

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Jondalar

Nicht dass Ihr denkt, mir seien die Problematika zum Thema Beilklingen schon ausgegangen...   ;)


Hallo zusammen!

In der Nachbarschaft einer meiner 'Hauptjagdgebiete', einer langgezogenen Düne mit einem überwiegend mesolithischen Fundanteil, fand ich dieses Stück. Die Zweifel waren von Anfang an groß, dennoch wanderte es in den Rucksack, wo ich es vergaß. Monate später, als ich den Rucksack mal wieder im Gebrauch hatte, fiel es mir wieder in die Hände. Erinnert an ein Scheibenbeil und es scheinen mir auch Bearbeitungsspuren vorhanden, allerdings von der Dorsal und nicht von der Ventralseite, wie bei diesem Typus ja normal. Und auch die 'Schneide' ist recht steil...

Länge: 73mm
Breite: max. 55mm
Höhe: max. 28mm

Wie würdet Ihr das beurteilen?
Viele Grüße

Jondalar

Wiedehopf

Sehr schwierig ! Ich bin mir gar nicht sicher ob das überhaupt ein Beil ist.

Auf deinem ersten Bild (dorsal) sieht der linke Bereich danach aus als hätte das Teil Feuer abbekommen. Was vielleicht den insgesamt sehr zerütteten Zustand des Fundes erklären könnte.

Viele Grüße
Michael   

Nanoflitter

So ne Art Kernkantenklinge, wenn ich mir die Negative auf dem Dorsalgrat so anschaue.. mehr, wenn überhaupt aber nicht. Gruss..

Neos

Hallo, Jondalar,

ich erkenne auf den Fotos nur natürliche und zerklüftete Oberflächen - also nichts Intentionelles. Ich befürchte, das ist wieder ein Stück für den Garten. 

Viele Grüße 

Frank 

Steinkopf

Moin Jondolar,

wenn man ein Artefakt genau betrachtet, haben die meisten Spaltflächen ein feines Linienmuster,
die Wallnerlinien.

Bei Stücken, die Mutter Natur gestaltet hat, sind diese Linien mehr oder minder konzentrisch.
Man spricht auch von Frostsprüngen, wenn in der Mitte der Linien  ein kleiner 'Nabel' erkennbarer ist.
Bei Artefakten sind diese (Ab-)Schläge von einer Kante gesetzt worden.
Besonders auf deinem letzten Foto kann man diese Linien schön erkennen.

Zum Beispiel füge ich ein Scheibenbeil von der Ostsee an.
Hierauf müssten diese vom Abschlagen erzeugten Linien erkennbar sein.

LG
Jan

Fischkopp

Hallo Jondalar,

zur Einschätzung des Fundes haben meine Vorredner schon das wichtigste gesagt denke ich. Mich erstaunt es dieses Material im Simmental zu sehen. Aufgehoben hätte ich es auch! Eine bräunliche Patina würde ich nicht auf einer Düne erwarten. Wenn der Flint lokal vorkommt ist dieses Stück anders zu bewerten als wenn es importiert ist. Auf alle Fälle ein interessanter Fund.

LG Fischkopp

Fischkopp


thovalo

Moin!


KEIN Beil, keine Frage! Das Stück hat keinen Artefaktcharakter. Es handelt sich um ein Trümmerstück! Artefakte haben charakteristische Merkmale die hier nicht vorhanden sind.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Jondalar

Hallo zusammen,

vielen Dank für Euere Einschätzungen!
Ich finde ja die Abgrenzung zwischen einem Artefakt und einem Geofakt, welches in formal-funktionaler Hinsicht einem Typus schon weitgehend entspricht und dann durch geringe Modifikationen weiter angenähert sein KÖNNTE ja nicht einfach, aber damit auch recht spannend!
Viele Grüße

Jondalar

@Jan: Vielen Dank für das Zeigen des schönen Stückes!

hargo

Hallo,

entscheidend ist der Schneidenschlag (laut Weiner / oder wie benennt er das ?).

Bei deinem Fund leider nicht.
Bei Jan sehrwohl erkennbar... 782.jpg
Siehe unten...

mfg

StoneMan

Zitat von: hargo in 08. Juni 2024, 00:22:48oder wie nennt er das ?
Schneidenschlag nannte er das sicher.

Moin,

der ist so gern gesehen, wie alle typischen Merkmale gern gesehen werden,
um uns die Bestimmung zu erleichtern.

Laut Dr. Sönke Hartz (persönliches Gespräch), ist der Schneidenschlag nicht zwingend.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

#11
@ hargo & Jürgen,

Scheibenbeile werden - wie der Name schon zart andeutet aus einer Scheibe gearbeitet.
Zumeist ist diese Scheibe ein entsprechend groß geratener Abschlag - aber auch
Frostscheiben wurden bei Eignung genommen.

Manchmal hat diese Scheibe bereits eine scharfe Schneide, dann ist zunächst kein
Schneidenschlag erforderlich. Beschrieben auch bei Peter Vang Petersen:
FLINT  fra Danmarks Oldtied, S, 94f.

Erst beim Nachschärfen  wird dieser mehr oder weniger gelungen vorgenommen.
Das abgebildete Exemplar ist ohne diesen 'Schneidenschlag'.
Die Scheibe wurde nur in der Mitte dünner 'gearbeitet'.

Das abgebildete Exemplatr stammt aus den Norden Jütlands und in der Erde patiniert.
Es ist aus einem etwas porösen Feuerstein gearbeitet.
Es ist wohl unbenutzt. Spätestens zum Nachschärfen muß ein Schneidenschlag gesetzt werden.

LG
Jan

hargo

Zitat von: Steinkopf in 08. Juni 2024, 04:26:48... Beschrieben auch bei Peter Vang Petersen:
FLINT  fra Danmarks Oldtied, S, 94f.
...

Sieht aus als würde ich nicht umhinkommen mir den alten "Petersen" nach 20 Jahren doch noch zu beschaffen.
Wenn ich den Norden verstehen will, reicht der "Floss / Steinartefakte" offensichtlich in manchen Details nicht aus (?).

mfg

Jondalar

Hallo zusammen,

sehr interessant Euere Gedanken zu einem 'Schneidenschlag'! Vielen Dank!

Ohne Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur würde mir mein mehr oder weniger ;) gesunder Menschenverstand sagen, dass das vermutlich vom Typus abhängt und dann sicherlich auch vom jeweiligen Stück. Warum sollte ich einen weiteren Schlag riskieren, wenn die Beilklinge schon scharf und gebrauchsfähig ist?
Bei dem rechten Stück auf meinem letzten Foto fand ich für die Einordnung folgenden link hilfreich, den Ihr aber vermutlich schon kennt.

https://www.archaeologische-baubegleitung.de/visuellearchaeologie/m3do/scheibenbeil/scheibenbeil-3d-modell.html

Durch das 3D lassen sich die Kriterien sehr gut studieren. Zumindest bei diesem Stück des Oldesloer Typs war kein Schneidenschlag erforderlich.
Viele Grüße

Jondalar