Schöne und interessante Auflagen auf Steinzeug.

Begonnen von haasa2003, 31. März 2011, 23:25:38

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haasa2003

Hallo Freunde,

Levante hatte eine Idee, die mir gut gefällt und hier möchte ich, wenn's gestattet
ist, den Anfang machen.

Zu sehen ist eine Model auf Siegburger Steinzeug, mit der schönen
und wohl damals schon attraktiven Bezeichnung "Die Hure Babylon".
(Sex sells, auch schon vor 5 Jahrhunderten)

Zu dieser Auflage:

Die Model zeigt ein Thema der verschiedenen Variationen des ,,Antichrist". Auf der Model ist eine Darstellung aus der Offenbarung des Johannes, der Apokalypsis (Enthüllung) zu sehen. Gezeigt wird die Anbetung des lasterhaften Weibes, welches trunken auf einem siebenköpfigen Ungeheuer reitet und einen Kelch mit dem Blut der Heiligen emporhält.

Auf dem Schriftband im Himmel ist die genaue Bibelstelle genannt: Johannis XVII. Das lasterhafte Weib symbolisiert die "Hure Babylon".

Der Bibeltext Johannis XVII lautet:

Und es kam einer von sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, redete mit mir und sprach zu mir: Komm, ich will dir zeigen das Urteil der großen Hure, die da auf vielen Wassern sitzt.
Mit welcher gehuret haben die Könige auf Erden und die da wohnen auf Erden, trunken worden sind von dem Wein ihrer Hurerei.
Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah das Weib sitzen auf einem rosinfarbenen Tier, das war voll Namen der Lästerung und hatte sieben Häupter und zehn Hörner. Und das Weib war bekleidet mit Scharlach und Rosinfarbe und übergüldet mit Golde und Edelgestein und Perlen und hatte einen güldenen Becher in der Hand voll Greuels und Unsauberheit ihrer Hurerei; und an ihrer Stirn geschrieben den Namen, das Geheimnis: Die große Babylon, die Mutter der Hurerei und ALLER Greuel auf Erden.
Und ich sah das Weib trunken von dem Blut der Heiligen und dem Blut der Zeugen Jesu. Und ich verwunderte mich sehr, da ich sie sah.

Die Hure Babylon ist eine der biblischen Allegorien für die Gegner der Gläubigen im Allgemeinen und das römische Weltreich im Speziellen.
In der Reformationszeit haben Martin Luther, John Knox, ein schottischer Reformator, Calvin, Bengel und andere im verweltlichten Papsttum die Hure Babylon erkannt.

                         
----------------------------

Nun ist es mir doch ein wenig spät geworden und ich möchte hier schließen. Das Gefäß hat aber noch andere Auflagen außer der "Hure Babylon" und Ihr könnt ja schon einmal rätseln, was noch alles zu sehen ist. Ich werde mich im nächsten Posting dazu äußern.

Gruß Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Levante

#1
Hallo Winfried,

von der Model hast du mir schon mal berichtet, schön sie endlich mal "fast Live" betrachten zu dürfen. Wie groß ist denn das ganze Gefäß, um mal eine Vorstellung zu bekommen, handelt sich wohl um eine Pulle?


Ich schieße aber gleich mal Quer, und schweife von Siegbrug ab ins Hessische.  :zwinker:

zuerst mal meine absolute Lieblingsauflage, ich hatte sie schon mal hier im Forum gezeigt, aber ich habe gerade mal wieder nichts zum Knipsen.

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,36204.0.html

Ein solches Gefäß mal in den Händen halten zu dürfen, ist immer-noch ein großer Traum von mir. Leider habe ich auf unseren Reisen noch immer nichts passendes gesehen.

Auch wenn das Steinzeug aus Sachsen schon sehr ähnlich ist.  
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

So hier mal einige Bilder von schönen Auflagen auf Steinzeug.

Bei den Stücken handelt es sich ausschließlich um Raerener Steinzeug.

Unter anderem Fragmente von einem Bauerntanzkrug, einem Landsknechtskrug und einem Kurfürstenkrug und ein Susannenkrug.

Die Fragmente zeigen doch sehr deutlich, das damals in unterschiedlichen Qualitäten gefertigt wurde.

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Gratian

Hier ein Trichterhalsbecher den ich mal auf einer Bauschuttdeponie bergen durfte....Fuß und Trichter sind ergänzt. 3 Bildauflagen : 1 x Jonas wird vom Wal ausgespuckt und 2 x Ein Frauen Portrait CLAVDIA METE Wer ist oder war sie? Besitzerin des Bechers oder eine in ihrer Zeit bekannte Persönlichkeit?
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

thovalo

#4
 :winke:

            Das ist ein sehr interessantes Motiv auf einem TrichterhalsKRUG (!) an dem Hals, Fuß und auch der Henkel ergänzt sind!


                                                   CLAVDIA METE  war sicher nicht die Bestellerin!



Gratian lies und Staune:  



Lesbia

1.       Die Frau, die Catull in seinen Gedichten als Lesbia bezeichnet, ist nach verlässlicher Überlieferung Claudia bzw. Clodia, geb. 94 , eine der drei Schwestern des Publius Clodius Pulcher und Appius Claudius Pulcher.
Spätestens 63 ist sie mit ihrem Cousin Q. Caecilius Metellus Celer verheiratet. Als praetor urbanus des Jahres 63 beteiligt er sich an der Bekämpfung Catilinas, geht 62 als Statthalter nach Oberitalien und hat 60 das Konsulat inne. Als Statthalter der provincia Narbonnensis stirbt er 59 unerwartet und macht damit die Provinz für Cäsar frei, dessen Ackergesetze er bekämpft hatte. Politische amicitia verbindet ihn mit Cicero, aber sein Bruder Q. Caecilius Metellus Nepos greift als Volkstribun des Jahres 62 Cicero wegen der Verurteilung der Catilinarier heftig an. Der besorgte Cicero wendet sich an die in Rom weilende Gattin des Metellus Celer, Claudia (Cic.fam.5,2,6), um Vermittlung.

2.       Ein Jahr später macht sich Cicero P. Clodius Pulcher zum Todfeind, als er diesen im sogenannten Bona-Dea Prozess schwer belastet. Im Jahr 59 lässt sich Clodius vom Patrizier- in den Plebejerstand versetzen, um gegen Cicero vorgehen zu können. Nun versucht Ciceros Freund T. Pomponius Atticus durch Verbindung mit Clodia deren Bruder günstig zu stimmen. In Briefen an Atticus (Att. 2,1,5; 2,9,1 u.a.) nennt Cicero Clodia boopis - die Kuhäugige, einmal vertrauter nostra boopis. Mit diesem Beinamen wird Hera, Schwester und Gattin des Zeus bezeichnet. Der stets spottlustige Cicero könnte zwei Dinge angedeutet haben: erstens, dass Clodias große Augen eine besondere Anziehungskraft ausüben, und zweitens, dass Clodia ein inzestuöses Verhältnis zu ihrem Bruder hat. Diesbezügliche Anspielungen finden sich in einigen Reden Ciceros. Auch c. 79 legt ein solches Verhältnis nahe.

3.       Aus Briefstellen Ciceros kann also hinreichend erschlossen werden, dass Clodia eine stadtbekannte Persönlichkeit war, die ihre Künste auch in der Politik einzusetzen verstand. Catull wird vermutlich von ihr gehört haben, bevor er sie zum ersten Mal sah.
Es ist anzunehmen, dass Catulls Vater Beziehungen zu Metellus Celer unterhielt und Catull so Zugang zu dessen Haus fand.

4.       In Clodia sieht Catull ein würdiges Spiegelbild seiner selbst. Sie besitzt einen unabhängigen Geist, literarische Bildung, Witz, Schlagfertigkeit, kultivierte Umgangsformen, Empfindsamkeit und Schönheit, die er in c. 86 preist. Indem er sie durch den Namen Lesbia mit Sappho vergleicht, verleiht er ihrer Persönlichkeit eine Einmaligkeit, die sie über ihre Standesgenossinnen erhebt.

5.       Clodia fühlt sich vielleicht das erste Mal in ihrem Leben um ihrer selbst willen geliebt und im Innersten angesprochen. Sie erkennt, dass Catulls Liebe ihrer Person einen geistigen Wert gibt und lässt sich von ihr erfassen und – eine begrenzte Zeit – leiten. Als der Älteren bleibt ihr andererseits bewusst, dass sie Catull die Erfüllung gegenseitiger Liebe gewährt.

6.       Seine Liebe zu Clodia hat für Catull höchste existentielle Bedeutung, da sich in ihr auch sein dichterisches Programm erfüllt. Seine innerste Erfahrung ist, dass er eine dauerhafte personale Bindung eingegangen ist und er glaubt, dass auch Clodia sich an ihn gebunden fühlt. Dies zumindest wird aus seinen Gedichten spürbar, in denen er sie mit mea Lesbia und besonders mea puella anspricht – obwohl sie doch 10 Jahre älter ist.

7.       Catulls dichterisches Programm trägt seiner Liebe zu Clodia voll Rechnung. Ohne zu wissen, wie sein Verhältnis zu ihr enden wird, hält er den jeweiligen Stand ihrer Beziehung dokumentarisch im Gedicht fest.

8.       Beide sind sich bewusst, dass ihre Liebe im Geheimen bleiben muss. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass Clodia durch die Ehe Verpflichtungen auferlegt sind, Catull nicht. Catull mag seine Liebe dadurch rechtfertigen, dass er die gängige aristokratische Verheiratungspraxis als Verstoß gegen wahre Liebe versteht. Wie eine Reihe von Gedichten zeigt, lehnt er die Ehe als Erfüllung der Liebe aber keineswegs ab. Carmen 70 z.B. spiegelt ein Gespräch zwischen ihm und Clodia über dieses Thema wieder.

9.       Clodia lässt sich eine Zeitlang von Catulls Liebe ganz in Besitz nehmen. Doch hat sie schon vor Catulls Erscheinen eine selbstbewusste Rolle in der Gesellschaft gespielt. Dies konnte sie auch dank ihrer ehelichen Stellung. Ihr Sonderverhältnis zu ihrem Bruder bedeutet eine fortwährende Verpflichtung in familiärer und politischer Hinsicht, offenbart aber auch einen labilen Bereich ihres Charakters.

10.   Doch wie wird sie sich nach dem Tod ihres Mannes verhalten, wenn die gewohnten Wirkungsmöglichkeiten entfallen? Welche Rolle wird sie weiterhin in der Gesellschaft spielen können? Ist es denkbar, dass sie die gewohnten gesellschaftlichen und familiären Einflussmöglichkeiten zugunsten einer dichterischen Existenzform an der Seite Catulls aufgibt?

11.   Unabhängigkeitsdrang und Eigenwille setzen sich offenbar in Clodia durch. Sie kann die Höhe der versprochenen Liebesbeziehung nicht halten, die für sie immer eine gewisse Nähe zu schöngeistig-literarischem Spiel hatte. Sie kann auch mit Catulls dichterischem Ehrgeiz nicht mithalten, weigert sich zunehmend, seinen idealen Ansprüchen zu genügen und mag den Verdacht hegen, als Objekt dichterischen Ehrgeizes zu dienen. Sie wendet sich anderen Männern zu, meidet Catull aus Schuldbewusstsein und gleitet ab in Haltlosigkeit und Ausschweifung.

12.   Catull musste einen hohen Preis für eine Liebe zahlen, die ihm gesetzlich nicht gehörte. Entgegen seiner einfühlsamen Haltung zur Ehe glaubte er an einen "immerwährenden Bund heiliger Freundschaft" (c. 109), der neben Clodias Ehe bestehen könne. Doch diese ideale Überhöhung hielt auf Dauer der konkreten Wirklichkeit nicht stand. Catull schrieb sich seine eigene Tragödie – und der Nachwelt unsterbliche Gedichte.




:dumdidum:

My sweetest Lesbia, let us live and love,
And, though the sager sort our deeds reprove,
Let us not weigh them: heaven's great lamps do dive
Into their west, and straight again revive,
But, soon as once set is our little light,
Then must we sleep one ever-during night.

If all would lead their lives in love like me,
Then bloody swords and armour should not be,
No drum nor trumpet peaceful sleeps should move,
Unless alarm came from the camp of love:
But fools do live, and waste their little light,
And seek with pain their ever-during night.

When timely death my life and fortune ends,
Let not my hearse be vexed with mourning friends,
But let all lovers, rich in triumph come,
And with sweet pastimes grace my happy tomb;
And, Lesbia, close up thou my little light,
And crown with love my ever-during night



Und noch mehr zur tieferen humanistischen Bildung:


http://www.google.de/imgres?imgurl=http://lh5.ggpht.com/_qaEO9niMUgg/TNHEg4c8nVI/AAAAAAAAQ54/cYQeq8SFE2Q/LesbiaClaudiaMete12.jpg&imgrefurl=http://www.edutarian.com/2010/11/monday-poetry-lesbia.html&usg=__X5mcKlvb5UKuYkpetYMAhEeB7NQ=&h=181&w=182&sz=21&hl=de&start=1&zoom=1&um=1&itbs=1&tbnid=EZKpVj8flRgTwM:&tbnh=100&tbnw=101&prev=/images%3Fq%3D%2522claudia%2Bmete%2522%26um%3D1%26hl%3Dde%26client%3Dsafari%26sa%3DN%26rls%3Den%26tbm%3Disch&ei=QbSYTYn8KMXMsgar0uC0CA
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Gratian

Hallo Thovalo,  :super:

:Danke2: HUT AB! Erst mal für das gute Auge....in der Tat der Henkel ist auch ergänzt. Als ich das Krüglein fand war nur der Bauch ganz erhalten ein guter Freund hat mir dann den Hals den Boden und den Henkel ersetzt.

Dann zum Zweiten  :boh: für Deine Ausführungen zur Clodia bzw. Claudia....Mete....ich bin fasziniert was hinter einem vermeindlich einfachen Portrait alles steckt. Ich habe zwar selbst mal versucht hinter das Geheimis von Claudia zu kommen ...aber vergeblich obwohl ich im aufspüren von Internethinweisen eigentlich ganz gut bin ( dachte ich).

Nochmals vielen Dank!  :winke:  :super:

Gut Fund!   :engel:
Gratian

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thovalo

#6
Gern geschehen !   :winke:

Ich habe mich selber sehr gefreut und war erstaunt zu lesen welche spannende Geschichte dahinter steckt!
Bleibt noch offen zu enträtseln ob diese Darstellung auch etwas mit der Geschichte von Jonas und dem Wal zu tun haben kann.
Da schlaf ich aber erst mal drüber!

Zudem habe ich mich Heute auch dahinter geklemmt zu kapieren was auf einem der Krüger hier TITVS mit JVLIVSA zu tun hatte und wurde gleichfalls "fündig" ........ zwei seiner Töchter hiessen so und die erste ist wohl gemeint. Eine kleine Familiengeschichte in Ton sozusagen! Sicher gibt es dazu auch eine Annekdote aus der Zeit der Renaissance.....

Ich kann gut nachvollziehen, das neues Wissen die Beziehung zum und die Sicht auf das Fundstück vertiefen kann.
Die Auflage der CLAVDIA METE habe ich im Übrigen noch nicht gesehen! Das Aufheben und Bewahren war sehr lohnend!

lG  thomas  
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Danke liebe Freunde,

für diese schönen Bilder und die spannende Geschichte der Claudia Mete.
Diese Model kannte ich bis heute auch nicht.
Der Thread fängt wirklich gut an. Ich bin begeistert.  :Danke2:

Hier nun , wie versprochen, die Siegburger Pulle mit den weiteren Modeln.

Diese Pulle ist aus meinem Blickwinkel Beweisstück für eine zufällige Auswahl der Auflagen durch den Töpfer, wobei hier, bei dieser Pulle zwei äußerst gegensätzliche Themenkreise aufgebracht sind. Auf der kugeligen Leibung stellen die drei mittleren Auflagen identisch die ,,Verkündigung an Maria" dar. Maria kniet vor einem Betpult, ein schwebender Engel ist rechts zu sehen, darüber in einer Mandorla der Christusknabe mit Kreuz,
der Innenraum ist durch Fliesenboden und eine Bettstatt gekennzeichnet. Hatte der Töpfer klare Vorgaben oder Vorstellungen, als er die Modeln für diese Pulle zusammenstellte, was meint Ihr dazu?

Die linke Model zeigt die Auferstehung Christi auf dem von Kriegsknechten umgebenen Grabmal, im Hintergrund eine Landschaft mit zwei Städten.
Auf der rechten Model ist (wie zum Treadbeginn beschrieben) eine Darstellung aus der Offenbarung des Johannes, der Apokalypsis. Gezeigt wird die Anbetung des lasterhaften Weibes, welches trunken auf einem siebenköpfigen Ungeheuer reitet und einen Kelch mit dem Blut der Heiligen empor hält.

Gruß Winfried  :winke:






Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Gratian

Das Jonasmotiv ist eng verflochten mit der Wiedergeburt bzw. dem Symbol der Auferstehung ...ich sehe da zunächst keinen Zusammenhang zur Clodia.

Ich gehe wie Winfried von einer mehr zufälligen und willkürlichen Auzwahl und Verwendung der Model aus. In meinem Fall ist sogar die Reihenfolge als willkürlich zu betrachten. Der Krug hat 3 Auflagen. Von links nach rechts erst 2 x die Claudia Mete, dann das Jonasmotiv. Aus ästhetischen Gründen würde man ja den Jonas in der Mitte und drum herum die Mete erwarten...oder aber drei verschieden Motive so wirkt das Krüglein irgendwie lieblos verziert....

Ich denke die Modelhersteller hatten schon konkrete Vorlagen ihrer Zeit aus Büchern die sie nachahmten.Daher kommen einem die Motive beim Anschauen auch oft bekannt vor...
Gut Fund!   :engel:
Gratian

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thovalo

#9
Zitat von: Gratian in 04. April 2011, 23:04:24
Das Jonasmotiv ist eng verflochten mit der Wiedergeburt bzw. dem Symbol der Auferstehung ...ich sehe da zunächst keinen Zusammenhang zur Clodia.

Ich gehe wie Winfried von einer mehr zufälligen und willkürlichen Auzwahl und Verwendung der Model aus. In meinem Fall ist sogar die Reihenfolge als willkürlich zu betrachten. Der Krug hat 3 Auflagen. Von links nach rechts erst 2 x die Claudia Mete, dann das Jonasmotiv. Aus ästhetischen Gründen würde man ja den Jonas in der Mitte und drum herum die Mete erwarten...oder aber drei verschieden Motive so wirkt das Krüglein irgendwie lieblos verziert....

Ich denke die Modelhersteller hatten schon konkrete Vorlagen ihrer Zeit aus Büchern die sie nachahmten.Daher kommen einem die Motive beim Anschauen auch oft bekannt vor...


Auf jeden Fall haben die Töpfer Musterbücher und Sammlungen von Stichen besessen aus denen auch Maler, Kupferstecher, Holzschnitzer, Gold- und Silberschmiede ihren Fundus an bildlichen Darstellungen geschöpft haben. Es gibt tatsächlich eine Menge an Auflagenzusammenstellungen die irgendwie zusammengepappt worden sind. Doch eben auch tief gehend durchdachte "Kompositionen" und Bildprogramme. Denen nachzuspüren macht den Spaß am Ganzen aus!

Die Umsetzungen waren nicht immer fein und gekonnt sondern, wie auch im Falle der Frau METE ziemlich dilettantisch in äußerst naiven Ausdruck ausgeführt.

lG   :winke:



Exegese zu Jona

Dem Buch geht es also darum, daß das als unbedingt angesagte Unheil doch noch abgewendet werden kann. Gott ist in seinem Handeln souverän, größer, als Jona es begreifen kann (Kap. 4). Allerdings ist die Botschaft des Buches sehr umstritten. Man hat in christlicher Exegese in ihm beispielsweise eine Anklage gegen den jüdischen Partikularismus sehen wollen, der von Gott selbst überwunden wird. Andere sehen das Thema der Umkehr als Mitte des Buches an. Wahrscheinlich will die Schrift aber offen sein für verschiedene Deutemöglichkeiten, die alle in ihr angelegt sind: Daß es auch außerhalb Israels gültigen Glauben an JHWH gibt, daß ein einzelner aus aussichtsloser Lage gerettet werden kann (Jona und der Fisch), daß man sich vor Gottes Ratschluß nicht verbergen kann. Über allem steht die Aussage von der überragenden Barmherzigkeit Gottes mit allen Menschen/ Geschöpfen: "ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und reich an Huld", 4,2.


Unter diesen breit gespannten Schirm passt auch Frau METE  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Hallo liebe Freunde,


Heute möchte ich an dieser Stelle eine Frechener Scherbe mit einer weiteren religionspolemischen Darstellung vorstellen, über die, nach meinem Wissen, noch nicht veröffentlicht wurde und daher ggf. unbekannt ist. Die von kleinen Rosen umgebene Model auf dieser Scherbe eines vielleicht 25-30 cm hohen Kruges, zeigt ein Ungeheuer mit drei zusätzlichen Hälsen, die aus dem Kopf des Ungeheuers erwachsen. Der linke Kopf zeigt den Teufel, der Hals dieses Teufelskopfes mit den zwei Hörnern zeigt boshafterweise zwei weibliche Brüste, der mittlere Kopf mit Bart trägt einen Turban, den rechten Kopf ziert ein Galero, ein Kardinalshut.

Die gewundenen Hälse vereinigen sich am Kopf des Drachens. Der Leib des Untiers ist stark geschuppt und zeigt zwei mit scharfen Klauen bewehrte Beine wie ein Raubvogel. Der schuppige Leib geht über in einen langen gewundenen Schwanz. Der Drache wird von zwei Kirchen rechts und links flankiert. Die rechte Kirche, monumentaler als die linke, kann auch eine Hohe Domkirche, das Haus Gottes und des Kardinals, darstellen. Die Entstehungszeit dieser Model würde ich in die 1560iger - 70iger Jahre einordnen.

Diese Model ist fein gestochen und die Details sind gut zu erkennen. Der Scherben zeigt einen schönen Tigerbrand.

Da die Darstellung sich nicht von selbst erklärt, ist es von Vorteil Vergleiche mit Vorbildern, Flugblättern, Pamphleten und Textstellen der Reformationszeit und der Zeit des Augsburger Interims zu ziehen. (für Erklärungen zum "Augsburger Interim" empfehle ich Wikipedia        http://de.wikipedia.org/wiki/Augsburger_Interim          für zeitgenössische Religionspolemik empfehle ich:      http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen17.htm

Fündig wird man bei zeitgenössischen Darstellungen aus dem Raume Magdeburg, dem Zentrum des Widerstandes gegen das Interim.

Die dort ansässigen Lutheranhänger wie Nicolaus von Amsdorf, Erasmus Alber und Mattias Flacius Illyricus standen als höchst streitbare Gegner hinter einem Großteil des Propagandamaterials gegen das Interim.

Offenbar aus Magdeburg stammt die Personifizierung des Interims als Interimsdrache mit den drei Köpfen: Türke-Papst-Engel, der mit seinem Schwanz die Sterne, Sinnbild für die Gemeinschaft der Christen, hinweg fegt.

Der dreiköpfige Drache ist deutlich abgeleitet von dem siebenköpfigen Untier, auf dem, wie wir zum Anfang des Threads gesehen haben, die Hure Babylon reitet.

Vielleicht symbolisieren die drei Köpfe des Interimsdrachen die drei Autoren des Interims: Julius Pflug, Bischof zu Naumburg, Michael Helding, Weihbischof zu Mainz und den evangelischen Hofprediger Johann Agricola.

Dass einer der Köpfe einen Kardinalshut trägt, ist selbsterklärend. Der Kardinal repräsentiert die angefeindete katholische Kirche und damit, nach protestantischem Verständnis, den Antichrist. Der Türke, eine zu damaliger Zeit hochaktuelle Figur der vorangegangenen
kriegerischen Bedrohungen durch die Türken, war damals als gottlos und ungläubig apostrophiert.

Die Frechener Model ist im Zusammenhang mit Darstellungen auf den Siegburger (Raerener, Kölner) Interimsschnellen zu sehen, deren Drachen ich (wenn gewünscht) das nächste Mal zeigen werde. Hier wird auf den drei Hälsen der Papst, der Türke und ein Engel gezeigt.

Eins noch zu der Scherbe, sie stammt nicht aus einer Raubgrabung, sondern wurde nachweislich im Handel erworben.

Gruß Winfried

(Lit.:
Barbara Lipperheide: Das rheinische Steinzeug und die Graphik der Renaissance,
Ingeborg Krueger: Reformationszeitliche Bildpolemik auf rheinischem Steinzeug, Bonner Jahrbuch 1979,
Ingeborg Unger: Der Kapuzinermönch aus dem Casteel Culemborg Niederlande, ein figürliches Gefäß des 16. Jahrhunderts aus Siegburger Steinzeug.)



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Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

#11
Eine wirklich kuriose und interessante Auflage. Die Umsetzung ist schreiend NAIV und das Umfeld um die Hauptfigur ist ganz einfach gestaltet. Da wurden zwei Kirchenbauten als Darstellung der "alten" und der "neuen" Kirche in einfachsten Darstellungsstil hingesetzt und fertig war die Laube.

Der Kopf in der Mitte trägt nach vielfachen Hinsehen definitiv keinen Turban, sondern wohl doch eher die dreiteilige Tiara des Papstes !  :glotz:

Die Reformation entdeckte die Satire als publizistisches Mittel der polemischen Agitation im Streit um die christliche Lehre. Je nach religiöser Zugehörigkeit ihrer Autoren richteten sich die satirischen Streitschriften und Flugblätter gegen die Katholische Kirche (Erasmus, Ulrich von Hutten, Dunkelmännerbriefe) beziehungsweise gegen die Vertreter der Reformation (Thomas Murner). Dabei wurden sowohl die widerstreitenden Gruppen, als auch erstmals ihre individuellen Exponenten Ziel der satirischen Angriffe. Der Papst als Esel oder Drache, Johannes Eck als Schwein, Thomas Murner als Katze, oder der Theologe Lemp als bissiger Hund und dazu kontrastierend Luther als siebenköpfiges Ungeheuer (Hans Brosamer) oder des Teufels Dudelsack.
Vielfach erfolgte im Rückgriff auf biblische Situationen eine aktualisierende Zuspitzung auf das Tagesgeschehen. Gestalten der Apokalypse versah man mit den päpstlichen Insignien, die Hure von Babylon trägt die Tiara, an Stelle von Babylon schildert die Septemberbibel das zugrunde gehende Sündenbabel Rom.
Bildsatiren der Reformationszeit wurden in hoher Zahl und vielfältigen originellen und vor allem derb-volkstümlichen Exemplaren aufgelegt und verbreitet. Gleichwohl erfolgten die Veröffentlichungen der Karikaturen aus Gründen des Selbstschutzes häufig anonym. Berichtet wird von Haftstrafen für Zeichner, Drucker und Kolporteure für ihre ,,Schmähschriften".
In Bern waren es nicht Predigten sondern die antikatholischen Fastnachtsspiele von Niklaus Manuel, die der Reformation zum Durchbruch verhalfen.


Vorbild dieser Auflage war vielleicht eher noch ein ähnlich grober Holzschnitt als ein feiner Kupferstich!

Das Untier steht klar im Mittelpunkt und damit die versinnbildlichte Personifikation der verrohten und verdorbenen katholische Kirche die mit dem Teufel im Bunde steht ..... sorry, STAND!

FAMOS KURIOS !   :super:

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haasa2003

#12
Lieber thovalo,


Nun habe ich mir bei der Beschreibung der Model so viel Mühe gegeben, Literatur gewälzt, Vermutungen
angestellt, und und und...
Dann schaust Du Dir die Fotos an und entdeckst in kurzer Zeit Dinge, an denen ich vorbeigeschaut habe. Zwei zusätzliche Augen sehen wirklich mehr!
Deine Kommentare zu der Darstellung haben mich weiter bereichert und zusätzliche Betrachtungs-Facetten geliefert!
Klasse! Vielen Dank!  :Danke2:

Ich hoffe auf noch mehr Augen! "Das Forum kann was"  :year:

Gruß Winfried
Je länger man lebt,
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Romano Guardini, 1885 - 1968

haasa2003

Hi Gratian,

heute habe ich Deine Claudia Mete gefunden. Unter der Katalognummer 479 ist diese Model
im Katalog des Hetjensmuseums D'dorf im Buch Siegburger Steinzeug, Ekkart Klinge beschrieben.

Viele Grüße

Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
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Romano Guardini, 1885 - 1968