neuzeitliche Flaschen, ca. 60 Jahre alt

Begonnen von Wiedehopf, 09. Dezember 2020, 21:48:14

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Wiedehopf

Hallo zusammen,

Um die Ecke wird eine neue Siedlung auf ehemaligem Ackerland errichtet und letzte Woche waren die Bagger zum Ausheben der Baugruben da. Auf einem relativ eng begrenzten Teilstück lagen dort massenhaft Flaschen und Glasfragmente im Aushub, zusammen mit Zeugs wie alten Schuhsohlen, angebrannten Kohlen, Knochen usw.

Von einem Nachbarn habe ich erfahren, dass Anwohner dort in den 1950er bis 1960er Jahren einen Wassergraben mit Hausmüll verfüllt haben.

Ich habe aus Interesse mal ein paar kleinere Fläschchen mitgenommen und grob gereinigt. In 500 Jahren wären die bestimmt Stolz einer archäologischen Privatsammlung geworden. In 2000 Jahren vielleicht im Museum toll beleuchtet präsentiert.

Aber so, zu früh der schützenden Erde entrissen ? Ab in den Glaskontainer ? Noch ein Karton im Keller ? Ich weiss es noch nicht. Vielleicht mach ich auch einfach ein Loch im Garten und gebe ihnen noch eine Chance auf Wertschätzung in der Zukunft.  :prost:

Viele Grüße
Michael

rolfderwolf

#1
Ich find' sowas ja auch spannend. In Freiberg z.B. kann man seit etlichen Jahren Industriearchäologie studieren.
Wie lange ist die Industrialisierung denn her? In Sachsen etwa 200 Jahre. Wenn ich dann mal gedanklich durch Chemnitz
schlendere und meine bescheidene interne Datenbank über völlig oder teilweise verschwundene Betriebe, Gebäude,
Straßen, Infrastruktur oder Denkmäler abgleiche... Das ist zwar derzeit noch sowas wie Heimatforschung, könnte aber bald ein
Thema für die Archäologie werden. Z.B. habe ich aus einem mittlerweile mit Beton verfüllten chemnitzer Gewölbekeller
noch eine Bierflasche mit der Inschrift "Zum letzten Seufzer", wohl die Hausmarke eines verschwundenen Gasthauses.
Auch die zahlreichen aus dem Krieg stammenden Luftschutzräume und -bunker verschwinden
allmählich, obwohl das wichtige Zeitzeugen sein könnten. Das bereits deutlich vor 1933 gerade Infrastruktur der Bahn oder der Energieversorgung
und Nachrichtenübertragung sehr konkret und massiv vor Luftangriffen geschützt wurde - fällt gnadenlos der Abrissbirne zum Opfer.
Eine schwer geschützte Mittelspannungsschaltanlage auf dem Gelände des alten chemnitzer Elektrizitätswerkes fällt mir da ein oder das alte Umspannwerk Altchemnitz, aus meiner Sicht wegen ihres historischen Wertes und der guten Erhaltung Denkmale. So manche Maschine und Einrichtung aus Betrieben der DDR wurde ja direkt nach deren Abwicklung in einem Museum wieder aufgestellt.
OK, ich schwiff ab...
Bergstadt Chemnitz

hargo

Zitat von: Wiedehopf in 09. Dezember 2020, 21:48:14
...Aber so, zu früh der schützenden Erde entrissen ? Ab in den Glaskontainer ? Noch ein Karton im Keller ? Ich weiss es noch nicht....


Wow, sind die cool!
Halte sie in Ehren.

mfg

Danske

Zitat von: Wiedehopf in 09. Dezember 2020, 21:48:14
Ab in den Glaskontainer ?

Da würde mir aber das Herz bluten! Wenn du sie nicht behalten willst oder kannst, es gibt doch sicher Sammler solcher Behältnisse.

LG Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Wiedehopf

Mir ist noch aufgefallen, dass dort neben diesen kleinen Flaschen zwar reichlich Limonade-, Sekt-, Wein- und Schnapsflaschen lagen aber nicht eine einzige Bierflasche. Und das obwohl Bier hier zu den Grundnahrungsmitteln gehört.
Es scheint also damals schon ein gut funktionierendes Mehrwegsystem für Bierflaschen gegeben haben !

Und dann noch, wie wenig Kunststoff dort vorliegt. Nicht eine Plastiktüte, Jogurtbecher, Plastikflasche. Nur ein paar Schraubverschlüsse und eine kleine Magarinefigur aus Plastik, ein Dromedar. Da sehen wilde Müllkippen in ihrer Zusammensetzung heutzutage ganz anders aus. Der ganze Plastikmüll der letzten Jahrzehnte ist ja ein Riesenproblem geworden.        :heul:

Und Holger, die Alternative 'Glascontainer' war nicht wirklich ernst gemeint.

Viele Grüße
Michael

Daniel

Zitat von: Wiedehopf in 10. Dezember 2020, 10:46:27
Mir ist noch aufgefallen, dass dort neben diesen kleinen Flaschen zwar reichlich Limonade-, Sekt-, Wein- und Schnapsflaschen lagen aber nicht eine einzige Bierflasche. Und das obwohl Bier hier zu den Grundnahrungsmitteln gehört.
Es scheint also damals schon ein gut funktionierendes Mehrwegsystem für Bierflaschen gegeben haben !

Bier war damals eine regionale Geschichte und meist auf die Ortschaften um die Brauerei bezogen.
Da gab es schon ein Mehrwegsystem, da die Flaschen ja auch einen gewissen Preis für den Abfüller hatten.
Meist waren die mit dem Namen der örtlichen Brauerei geprägt.
Finde ich persönlich, für die Ortsgeschichte, besonders spannend, wenn man solche Bügelflaschen findet.
Spalttabletten, meine Dame, sind bekömmlich und gesund.
Doch verwirrend ist der Name, sie gehören in den Mund.

Wiedehopf

Hallo zusammen  :zwinker:,

kleine Nachlese von der Baustelle von heute morgen. Unter dem Schlamm kann man schon ein Tintenglas, Senfgläser,  Medizin- und  Schnapsfläschen erkennen.

Viele Grüße
Michael

stratocaster

Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

hargo

Wird immer besser!
Und alle vollständig erhalten.  :glotz:

mfg

Wiedehopf

Hallo,

hier noch Bilder mit dem Endergebnis meiner Begehungen der Baustelle über den Winter, sowie ein paar Einzelfunde. Der Aushub wird nun abtransportiert, so dass dort weitere Funde nicht mehr zu erwarten sind.

Viele Grüße
Michael

ChristophNRW

Tout est chaos
Tous mes idéaux : des mots abimés
Je suis d'une géneration désenchantée
(Mylène Farmer - Désenchantée)