Hunneschansware

Begonnen von grünland, 24. Juli 2013, 17:23:55

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

grünland

Hallo,
gerne möchte ich euch ein interessantes Fragment der sogenannten Hunneschansware vorstellen.
Dem größten Fundkomplex dieser Warenart - die Schallgefäße (an die 100 Stück) aus der Pfarrkirche St. Walburga in Meschede - folgernd, sind diese Gefäße um 900 hergestellt worden. Da das abgebildete Fragment in Köln gefunden wurde wird es sich um frühe Vorgebirgskeramik handeln (Pingsdorf, Badorf, Eckdorf...) Uwe Lobbedey, der 1981 selbst 18 Gefäße aus den Wänden und Böden der Pfarrkirche bergen konnte nennt diese Keramik "5 Minuten vor Pingsdorf". Allgemein wird diese Warenart als Zwischenschritt der Keramik Badorfer Art (Rollstempeldekoriert) und der Keramik Pingsdorfer Machart (rot-braune Bemalung) beschrieben. Eine Sonderheit an dem gezeigten Fragment ist die Anzahl der Bandhenkel - mindestens Zwei. Vermutlich waren es sogar drei Henkel und eine Ausgusstülle. In der Regel weisen diese Gefäße einen Henkel mit gegenüber angebrachter Ausgusstülle auf. Zudem kann vermutet werden, dass das Gefäß einen Linsenboden und keinen Standfuß hatte. Bei allen geborgenen Gefäßen aus der Pfarrkirche St. Walburga war auffallend, das alle Stücke mit Standfuß nur Bemalung aber regelmäßig ohne Rollstempeldekor gearbeitet waren. Leider wurden die Funde aus Meschede bis heute nach archäologischen Kriterien weder bearbeitet noch publiziert.
Zu sehen sind einige in der Kaiserpfalz in Paderborn. Einige wohl auch in den Katakomben der Universitätsstadt Münster.
Sollte jemand noch Belegstücke dieser Warenart präsentieren können würde es mich freuen.
Ach ja, ein Foto soll zeigen wie schmal die Bandhenkel im Gegensatz zu den späteren Pingsdorfer Amphoren gearbeitet waren.
Viele sommerliche Grüße
Guido

grünland


Hier noch Fotos der karolingischen Keramik aus dem Fundkomplex Pfarrkirche st. Wallburga - Meschede.

thovalo

 :-)

Aus Meschede befinden sich sogar bis heute nie publizierte und nicht registrierte Gefäße in Privatbesitz!
Es gibt unter den unverzierten Gefäßen höchst kuriose Belege die tatsächlich "orangefarbig" gebrannt sind
und bis Heute keinem Produktionsort zugeordnet werden können. Das Inventar ist in den 90er Jahren im Rahmen
eines Kolloquiums zur hochmittelalterlichen Keramik im Rheinland intensiv besprochen worden.
Dazu erfolgte keine Publikation.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Hüstel,

wenn ihr schon Literaturhinweise postet, bitte auch mit Quellenangaben, sonst muss ich wieder alles durchsuchen, da ich leider nicht jeden Aufsatz im Kopf habe.  :zwinker:

Lieber Guido würdest du bitte noch einen Maßstab anlegen und uns sagen, welche ehemalige Höhe dein Gefäßfragment ursprünglich mal hatte?

Die Stücke in Paderborn sind mir bekannt und ich glaube in Herne gab es mal einen Nachbau vom Kirchschiff mit den Gefäßen, war auf jeden Fall sehr anschaulich und für jeden Liebhaber dieser Warenart der absolute Hammer.


LG


Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

grünland


Thomas: Ich habe ja schon einige Keramiksammlungen sehen dürfen. Aber ich kenne keinen Sammler der über ein solch seltenes Gefäß verfügt. Auch ist noch nie - nicht einmal fragmentiert - ein Gefäß dieser Warenart im Handel aufgetaucht.

Patrick: Es gibt ja leider keine spezielle Literatur / Veröffentlichungen zu diesem Thema.
In einigen Bänden ist es angesprochen. Diese kann ich dir Morgen zusammenstellen und posten.

Signalturm

Erinnert mich stark an die ebenfalls karolingische Bügelkanne, eine Sonderform im Süddeutschen Raum, hier nur mit der Schnurr durch die kleinen Löcher.
Siehe :  http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/677/1/Gross_Die_Buegelkanne_1991.pdf
Gruß Signalturm
Finderglück ist Finderlohn genug.

grünland


Einen guten Morgen vom schwülsten Dachboden Deutschlands....

Signalturm, solche Bügelkannen sind auch im Buch " Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich aus Süddeutschland " abgebildet. Aber dort nicht als so früh mittelalterlich eingeordnet worden. Du meinst aber die abgebildeten Tüllenkannen mit ösenartigen Henkeln. Ja, die erinnern in der Tat an karolingische Formen.

Patrick, das Fragment läßt darauf schließen, dass es einmal eine Höhe von ca. 24-26 cm gehabt haben wird. Zur Literatur empfehle ich dir die kurze Ausführung von Sanke " Die mittelalterliche Keramikproduktion in Brühl-Pingsdorf ", ansonsten Bildmaterial in " 799 -- Kunst und Kultur der Karolingerzeit ". Es wird aber wohl noch mehr Literaturhinweise geben. Vielleicht mal googeln.

Thomas, ich kenne feuerorangefarbende Gefäße nur als Fehlbrandbelege. z.b. aus der letztjährigen Ausstellung des Hetjens-Museum.
Ein Begriff ist aber auch die orangefarbende Straßburger Ware.
Ich denke das bei den Meschede Fundkomplex auch die zylindrisch, rundbodigen Gefäße ( siehe Foto ) Exoten sind.

Ich habe ebenfalls zwei Fotos angehangen die Keramik aus Dorestad zeigen. Sind denn wirklich solche Unmengen importiert worden?

LG
Guido

thovalo

Zitat von: grünland in 25. Juli 2013, 10:52:37
Einen guten Morgen vom schwülsten Dachboden Deutschlands....

Signalturm, solche Bügelkannen sind auch im Buch " Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich aus Süddeutschland " abgebildet. Aber dort nicht als so früh mittelalterlich eingeordnet worden. Du meinst aber die abgebildeten Tüllenkannen mit ösenartigen Henkeln. Ja, die erinnern in der Tat an karolingische Formen.

Patrick, das Fragment läßt darauf schließen, dass es einmal eine Höhe von ca. 24-26 cm gehabt haben wird. Zur Literatur empfehle ich dir die kurze Ausführung von Sanke " Die mittelalterliche Keramikproduktion in Brühl-Pingsdorf ", ansonsten Bildmaterial in " 799 -- Kunst und Kultur der Karolingerzeit ". Es wird aber wohl noch mehr Literaturhinweise geben. Vielleicht mal googeln.

Thomas, ich kenne feuerorangefarbende Gefäße nur als Fehlbrandbelege. z.b. aus der letztjährigen Ausstellung des Hetjens-Museum.
Ein Begriff ist aber auch die orangefarbende Straßburger Ware.
Ich denke das bei den Meschede Fundkomplex auch die zylindrisch, rundbodigen Gefäße ( siehe Foto ) Exoten sind.

Ich habe ebenfalls zwei Fotos angehangen die Keramik aus Dorestad zeigen. Sind denn wirklich solche Unmengen importiert worden?

LG
Guido


Ja,
das sind sie und zwar an die zeitgenössischen Handelsplätze von denen nur wenige bekannt sind (Dorestad, Haithabu, Ribe, Birka, etc.), vermutlich eher als Container für Waren als ein eigentliches Austauschgut.

lG Thomas  :winke:

Wenn Du mal in London bist:
Du findest viele Funde aus Dorestad im "british museum" in London ausgestellt!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

grünland


London, O.K.
Dahin will meine Frau mich sowieso für einen Wochenendtripp "verschleppen". Danke für den Museumstipp :winke:

Also gelangten Gefäße - jetzt mal z.b aus Eckdorf - erst über spezielle / verschiedene Produzenten des zu verhandelnden Inhalts ( vielleicht einem Winzer oder einem Getreidebauern) zu den Handelsplätzen? Da gab es doch auch Holzfässer und Leinensäcke.
Vielleicht wurde das meiste doch als begehrte Ware für die anspruchsvollere Küchenkultur dieser Zeit verhandelt?
Aber wahrscheinlich verdarb die Ware in den keramischen Containern einfach nicht so schnell.
Dennoch: Nichts war so begehrt und beliebt bei der Hausfrau - und nichts machte die Nachbarshausfrau neidischer - als der unverkennbar aus Badorf stammende schick verzierte Kühlschrank (Reliefbandamphore). Ein wahrer Importschlager.

Ach, die Zeitmaschine müsste erfunden werden- dann wüßten wir mehr...

LG
Guido