einzige Westerwälder Steinzeugamphore aus dem Barock?

Begonnen von haasa2003, 18. Juli 2011, 12:50:09

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

haasa2003

Hallo Freunde,

man soll ja nichts erwerben, was unbekannt und in der Literatur nicht erwähnt ist.
Bei dieser aus Scherben zusammengesetzten Amphore mit größeren Löchern und einem fehlenden
Henkel, die im Handel in Holland angeboten wurde, konnte ich nicht widerstehen.

Datiert 1645 und signiert mit den Buchstaben GRW und einer Töpferhausmarke (oder Wappen)
brachte mich die Amphore zum intensiven Suchen in meiner Literatur.
Die Auflage und die kleinen Rosetten fand ich dann endlich im Buch "Kannenbäcker in Altenrath"
von Frau Dr. Ursula Francke. Ein Bruchstück mit identischer Auflage fand sich in der
Sammlung Düppenbecker/Altenrath. Frau Dr. Francke äußerte zu meiner Frage, dass diese Model
aber auch im Westerwald vorkomme und sich bei den ca. 15000 Scherben in Altenrath, keine fanden, die ein
solches Gefäß für Altenrath belegen.

Die Signatur GRW wurde schon vor geraumer Zeit in der Literatur den Grafen von Wied zugesprochen, welches ich jedoch
für unwahrscheinlich erachte, da die Grafen von Wied bestimmt größere Wappen/Allianzwappen und keine
begleitende Töpfermarke bevorzugten. (Unter Vorbehalt)

Nirgendwo in meiner Literatur fand ich bis heute ein vergleichbares Gefäß. Ein wenig ähnlich wäre vielleicht eine Amphore, abgebildet
unter der Nr. 749 im Katalog des Kunstgewerbemuseums der Stadt Köln von Gisela Reineking-Von Bock.
Dort ist eine Amphore abgebildet, die die Autorin zeitlich in den Anfang des 19. Jahrh. einordnet.
Meine Amphore ist meines Erachtens älter, in die Zeit der Datierung auf der Model, 1645, einzuordnen, ggf. 20 Jahre später.
Das Spiel mit der Ei-Form des Westerwälder Renaissance-Trichterhalsbechers, die noch schlichte Form des Henkels,
der Ansatz des Henkels, lassen mich das vermuten. Die Form des Amporenhalses und der Henkel des Gefäßes aus
dem frühen 19. Jahrh. im Kunstgewerbemuseum Köln lassen schon die zukünftige, prächtige Form der Westerwälder Amphoren
des Historismus von Gerz oder Hanke erahnen.
Bei meiner Amphore ist davon noch keine Spur zu sehen.
Was meint Ihr Fachleute dazu???
Kennt jemand die Töpfermarke/das Wappen und die Initialen???

Inzwischen habe ich die Amphore (reversibel) restauriert, geklebt mit Ponal Express. Die ersetzten Teile sind
aus Zweiphasen-Autospachtel, auch mit Ponal eingesetzt, sodass der Fundzustand wieder hergestellt werden kann.
Die Farbe ist Acrylfarbe und kann mit Aceton jederzeit wieder entfernt werden.

Gruß - Winfried











Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

haasa2003

Nun noch ein paar Bilder von der Restaurierung:
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

haasa2003

Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Grafino


Hallo Lieber Winfried,

bei der Menge an Fotos keines vom Boden?
Das Gefäß geht stilistisch einher mit den typischen Dreihenkelvasen aus Raeren.
Zeitlich würde ich das Stück aber eher nicht ins 17 Jhd. setzen.
Gefühltes 19 Jhd. eher Mitte als Anfang.
Bin aber weder Fachmann für die Keramik der Renaissance noch der des Barock
LG
Guido

Grafino


Ach ja, die Initialien...
Ich denke die Buchstaben GR ( außerhab des Wappenschildes ) sind der George Rex.
Das große W scheint seperat dem Töpferzeichen zugehörig.

haasa2003

Hi Guido,

danke für Deine Zuschriften,
ich habe den Boden vergessen zu fotografieren.
Der Boden war unbeschädigt und so meiner Aufmerksamkeit entgangen.
Der Boden meiner Amphore ist identisch zu den Renaissance-Trichterhalsbechern Siegburgs.
Das erste Bild zeigt den Boden meiner Amphore, die folgenden Bilder eine, allerdings prächtige,
Amphore des Historismus mit Bild ihres Bodens.
Ob ich ein Foto mit Text der Amphore aus dem Katalog des Kunstgewerbemuseums Köln einstellen darf?
Oder verletze ich damit das Copyright?

Gruß Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Levante

Hallöchen,

ich denke das das Stück recht eindeutig um 1640 einzuordnen ist, für Historismus passt das alles nicht so richtig zusammen.

Der ehemalige Brocken ist wirklich sehr gut geworden, Hut ab. :-)

Und jetzt bedanke dich gefälligst mal für die CD`s.  :wuetend: :wuetend: :wuetend:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

haasa2003

#7
Hi Levante,

hier, ganz öffentlich, ganz herzlichen Dank für die CD's auch im Namen meiner Eltern.
Habe ich aber erst Samstag bekommen. Sehr, sehr schön.
Und bedankst Du Dich bei mir für die vielen Bilder, die ich im Schweiße
meines Hemdes Dir 'rüberschickte?  :wuetend: :wuetend:
Wenn Du es nicht mehr weißt: Vanitas Krug usw.

Liebe Grüße - Winfried



Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Grafino


Hallo Winfried,

ich denke das Bild und den Text aus dem Buch der Reineking von Bock kannst du hier reinstellen.
Wenn du Bedenken hast mache ich es für dich :friede:
...aber nur wenn du dich dann bei mir artig bedankst :winke:
LG
Guido

haasa2003

Ich hab die Bilder schon auf dem PC, bedanke mich aber trotzdem bei Dir.
ich habe nach einem Copyright im Katalog gesucht, jedoch nichts gefunden.

Bild und Text: Steinzeug, Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln, bearbeitet
von Gisela Reineking-Von Bock 2. Auflage Köln 1976

Gruß - Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

#10
@ LEVANTE: Ich lese 1645


@ Winfried


Ein SEHR kurioses Stück!

GR als Georg Rex aufzulösen ist die gängige Hypothese.

Die GR-Gefäße gingen bevorzugt nach Großbritannien und zwar in der Zeit der drei Georg (Englische Könige aus dem Haus Hannover).
Dafür ist es 1645 deutlich zu früh!!!!!!!!

"Georg I. Ludwig (engl. George Louis; * 28. Mai/ 7. Juni 1660 in Hannover; † 11. Juni/ 22. Juni 1727 in Osnabrück) war einer der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg und seit 1698 Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg ("Kurhannover") sowie Erzbannerträger (und später Erzschatzmeister) des Heiligen Römischen Reiches und ab 1714 auch König von Großbritannien und Irland und Titularkönig von Frankreich."

Wenn der Fundort bekannt wäre (nicht auch die NIEDERLANDE?), wurde hier ein Gefäß in der charakteristischen und hoch beliebten Färbung der Delfter Blautradition (Fayence) in Steinzeug nachgeahmt und korreliert mit der Zeit der Tulpenmode? Altenrath finde ich in Bezug auf die Färbungs- (insbesondere die Manganfärbung) und Bildungsweise der Dekorelemente als Ort der Traditionsmerkmale eine recht gute Adresse. Nicht zu vergessen: auch die Altenrather Töpfer sind, wie die Siegburger und viele Raerener Töpfer, zuletzt in den Westerwald ausgewandert und haben nach dort ihre Traditionen mit ein- und zu einer eigenen Farb- und Formensprache zusammengeführt.

GR: George Rex (König von England/mit 1645 zu früh datiert!) ........ die Hausmarke steht zunächst tatsächlich ABSOLUT gegen eine solche Ansprache und das W mit dem überkreuzten kleinen v als "von Wied" zu interpretieren halte ich für ÄUSSERST fragwürdig!
(GR als GRafen ....  ist Unsinn!) ....... und mit von Wied hat die Hausmarke GAR NICHTS zu tun!

Hauszeichen (und Wappen) wurden den Töpfern in der Regel vom Besteller zugesendet und von Ihnen in Ton umgesetzt.

Hier besteht eine eher ungewöhnliche Kombination, denn ein Hauszeichen bedürfte nicht zwingend zusätzlicher Initialen.
Hier könnte es der Fall sein !? !?


Es handelt sich aus meinem Verständnis heraus eindeutig nicht um eine AMPHORE, denn zwei Henkel machen noch keine Amphore, das ist ein viel gebrauchte Fehlansprache, sondern ausdrücklich um eine VASE!

Eine BLUMENVASE ....... ein vollkommen neuer Gefäßtyp und damit ein ggf. früher Beleg solcher Traditionen.
Da ich in Delfter Fayence nicht fit bin, würde ich anregen doch einmal Delfter Formen der ersten Hälfte des 17. Jhs. intensiver durch zu sehen!

Gibt es dort häufiger solche Formen? .... sind DAS Anregungen für Altenrather Töpfer im Westerwald gewesen? .... die mussten ja auch mit der Mode und mit der Zeit gehen!

Das ist AUSDRÜCKLICH keine Ausführung in einer Bestellung des ADELS sondern entweder ein Stück mit dem Hauszeichen eines Töpfers oder eines PATRIZIERS!

Ein vorläufig zwiespältig zu interpretierendes Stück!  :dumdidum:


Ein Gefäßfragment (!), gefunden in den Niederlanden (?), hergestellt in Westerwald/Höhr-Grenzhausen mit Altenrather Reminiszenzen(!?), als Sonderform (ggf. zur Werbung für Westerwälder Produkte?) hergestellt und als Blumenvase (!) gefertigt!


In welcher Zeit bleibt für mich immer noch näher zu klären!

GR und Hausmarke ist tatsächlich ein bisschen viel auf einmal: .....
.............  wie die "Amphore" aus Höhr aus der Sammlung Zais: ich befürchte .........  Historismus



glG thomas

http://www.auktionshaus-ginhart.de/tl_files/Katalog/Juli_2011/Porzellan/DSCN3428.JPG

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

1645... als wenn ich mir das so genau angeschaut hätte.  :dumdidum:

Hm... Winfried, leider habe ich deine Bilder nicht mehr gefunden..... aber dennoch Danke.  :narr:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

haasa2003

Hi Thovalo,

hier die Funddaten vom Verkäufer:

Die Vase ist gefunden in Delft im alten Stadskanal bei der Bau einer
Tiefgarage im Zuiderstaat.

Frau Dr. Francke beschreibt in Ihrem Buch die Model, Zitat: "Gerahmtes Wappenmedaillon mit Wappenschild und Hausmarke.
Initialie GR, datiert 1648. [Scherbe einer] Sternenkanne (Franzen). Vergleichbares Stück bei Reineking Von Bock 1986 Kat. Nr. 403
(DB). Taf.65.4"

Gruß - Winfried



Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

Das ist total spannend. So ein Gefäß habe ich noch nicht gesehen. Die Auflage stammt nach Franke aus Altenrath oder bereits aus dem Westerwald? Bei Franke 1648 !?
Aus dem Stadtkanal ist natürlich eine Referenz für ein Original!

Das so ein Produkt in dieser Zeit nach Delft gelangt ist, in die Stadt die eine so herausragende Produktion von Fayencen und speziellen Vasenformen entwickelt hatte finde ich so bemerkenswert, wie es das Gefäß hier dann als Original wäre!

Ich denke da gehört noch viel Recherche hinein zu investieren!

glG thomas

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Liebe Freunde,

vorab ein herzliches Dankeschön für Eure Posts. Das Forum ist großartig.

Ein Bekannter von mir, Levante kennt ihn auch, hatte, anlässlich eines Besuches, diese Vase in der Hand.
Er ist mit Steinzeug ganz eng vertraut und meinte sofort: Die Vase ist echt, aus der Zeit um 1650 - 1680 und
keinesfalls jünger.

Mir sind bei der Restaurierung ein paar Sachen durch den Kopf gegangen.
Die Vase hat eine deutliche Delle in der Lippe direkt am Henkel. Zu sehen auf meinem allerersten Bild,
vor der Restaurierung. Das wäre im 19. Jahrh. bestimmt nicht nach Holland verkauft worden. Außerdem hätte Holland zu diesem Zeitpunkt,
wie thovalo überlegt hat, keinen Bedarf an Vasen aus dem Westerwald gehabt, da die Holländischen Blau-Manufakturen
zu dieser Zeit prächtig funktionierten.

Meine Vase ist sehr ungleichmäßig bemalt, die Kobaltbemalung auf den großen Flächen ist sehr wolkig, von hellblau bis
tiefblau. Meine Westerwälder Krüge, zumal die Späteren aus der Zeit um 1780, zeigen alle einen viel gleichmäßigeren
Farbauftrag.

Ich habe in meiner Sammlung eine große unbeschädigte Kanne aus Altenrath, die die gleiche Wölkung der Manganfarbe
zeigt. Auch der etwas unbeholfene Auftrag des Manganviolett ähnelt dem Farbauftrag auf der Altenrather Kanne.
Im Anhang dazu Bilder.

Leider vergaß ich die Höhe meiner Vase anzugeben. Sie beträt 21 cm.

Im 19. Jahrhundert hätte der Töpfer bestimmt nicht, seine wahrscheinlich in Holland unbekannte, Hausmarke
als einzigen Schmuck (neben den Buckelfriesen und den Kerbrillen) mitten auf die Leibung gesetzt. Er hätte entweder
nichts oder Zierelemente, wie Blumen, Tiere, Arabesken usw. auf die Leibung aufgebracht. Und diese geritzt oder gestempelt.

Was meint Ihr dazu?

Gruß - Winfried





Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Grafino


Lieber Winfried,

ich weiß nicht wann mich das letzte mal ein Stück so beschäftigt hat.
( Abgesehen von Thomas seiner polychromen Scherbe....)
Also ich lese und suche und denke und....melde mich wenn ich "  wahre Erkenntnis " erlange.
Sollte es wirklich aus dieser frühen Zeit sein dann ist das doch eine kleine Sensation da diese Form
doch eben für diese Zeit unbelegt ist, oder?
Super spannend.
LG
Guido

haasa2003

Übrigens, lieber Guido,

Du kennst den Bekannten von mir auch,
er hatte Dir vor nicht allzulanger Zeit eine Langerweher Doppelhenkelkanne
mit Bleiplombe gezeigt.

Vielen Dank für Dein Interesse, ich bin auf weitere Erkenntnisse des Forums
sehr gespannt.

Liebe Grüße - Winfried

Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Levante

Zitat von: haasa2003 in 19. Juli 2011, 12:27:14
Übrigens, lieber Guido,


er hatte Dir vor nicht allzulanger Zeit eine Langerweher Doppelhenkelkanne
mit Bleiplombe gezeigt.




Wem er die wohl noch alles gezeigt hat.  :zwinker:


Auf jeden Fall ein absolut spannendes Stück und wenn man das Westerwald-Blau mag, dann findet man dieses Gefäß eventuell sogar schön.  :zwinker: :dumdidum: :winke:

P.S. Außer uns scheint hier wohl kaum einer mitzulesen.
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

haasa2003

Hi Levante,

als gläubiger Christ kennst Du doch:

"... wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18,20)"

Gruß - Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Grafino

Sollten doch Interessierte mitlesen zeige ich hier zwei Fotos die zeigen wie
üblicherweise Nachahmungen aussehen.
Diese weichen von den bekannten Historismusgefäßen erheblich ab und sind
dennoch schnell als Nachahmungen zu identifizieren.
Völlig überfrachtet oder aber von der Form her völlig missraten.
Aber sollte die Vase ( Amphore ) von Herrn Löwenich eine Nachahmung sein muss ja etwas zum
nachahmen dagewesen sein.....

haasa2003

Hi Guido,

die Peter Lövenich zugeschriebene Amphore ist ganz bestimmt nicht von ihm.
Ich habe mich mit Peter Lövenich auseinandergesetzt und kann ihn in dieser
Amphore (19.) nicht wiederfinden.

Gruß - Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

#21
Die Spur verweist in Richtung Altenrath .....  :glotz:
Ich muss mich da selber mal tiefer rein wühlen, das ist total spannend  .....!

Da sich meine Kiefer-OP, zwei Tagen nach Aufnahme meiner Arbeit wieder entzündet hat und heute Abend wieder aufgeschnitten werden mußte,   :hilfe3:  hab ich dazu aktuell auch Zeit .....  (.... ich könnte vor Wut kotzen! So´n Sch......  :heul:)

Wenn das Stück tatsächlich in Delft gefunden worden ist dann ist das äußerst bemerkenswert!


Das 17. Jh. war das berühmte: "Goldene Zeitalter", die Zeit Vermeers van Delft und der Blüte der Keramikmanufakturen!

Nachdem sich Porzellan aus dem chinesischen Nanjing mit hohen Gewinnspannen auf dem europäischen Markt für Luxuswaren verkaufen ließ, begannen holländische Manufakturen, die exotischen Motive und die kostbare, feine Machart der Keramik mit Delfter Fayencen nachzuahmen. Die Delfter waren dabei am erfolgreichsten. Bald wurden zusätzlich typisch holländische Motive verwendet, die insbesondere den Bildern Vermeers und de Hoochs entnommen waren. Als ab 1657 wegen politischer Unruhen in China der Import gestört war, fand die Delfter Keramik in ganz Europa reißenden Absatz. Um 1600 hatte es gerade einmal zwei Töpfereien in Delft gegeben, 1660 waren es 26, und 1695 hatten sich 32 Porzellanmanufakturen in Delft niedergelassen, die durch den gleichzeitigen Niedergang der Brauereien und Webereien auf geeignete Räumlichkeiten und arbeitswillige Handwerker und Helfer zurückgreifen konnten und mehr als 1.600 Personen beschäftigten.

Diente das Gefäß als Anregung? War es von einem Altenrather Töpfer mit nach Delft genommen worden der sich dort nieder gelassen hat .... da sind ja eine Menge Möglichkeiten zu überprüfen ... die Personenstandregister der Einwohner in dieser Zeit und die Auflistungen der Zuwanderer ....


glG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Mannomann, lieber thovalo,

bei Dir habe ich das Wissensfass nun richtig angestochen, und es sprudelt nur so, dass es eine
Freude ist, Deine Texte zu lesen. Chapeaux!

Delft, was für eine schöne Stadt und was für eine Historie. Eine der ältesten niederländischen Städte.
Heute Nacht könnte ich noch hinfahren..... :-)
aber morgen muss ich wieder arbeiten......  :heul:

Noch keines meiner Sammlungsstücke hat mich so in seinen Bann gezogen, wie diese Vase, in Scherben gefunden.
In ihrer rätselhaften Form stellt sie mir permanent Fragen.

Du hast Recht mit Deiner Klassifizierung: Vase
Du hast bestimmt Recht mit deiner Käuferzuordnung: Patrizier
Du hast es auf den Punkt gebracht mit der Frage, warum verirrt sich eine ggf. aus Altenrath bei Siegburg stammende
Vase um ca. 1650 nach Delft, wenn dort schon allerlei einheimische Manufakturen hervorragende Fayencen produzieren.
Und warum eine Vase, die augenscheinlich schludrig gearbeitet ist.
Sollte sie wirklich als formgebendes Muster dienen?

Fragen über Fragen.

Nun, jetzt werde ich mich zu Bett begeben und freue mich schon auf einen weiteren Diskurs.
Frau Dr. Francke hat mir auf meine Email zu dieser Vase geantwortet und mir versprochen, dass sie sich weiter
in der Literatur der Keramik des Westerwaldes sachkundig machen will.
Sollte sich aus dieser Richtung Weiteres ergeben, werde ich Euch informieren.

Habt Ihr auch den Eindruck, dass die Keramik des Westerwaldes literarisch völlig unterrepräsentiert ist?

Gruß - Winfried


Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

#23
Insbesondere weil die Farbgebung und die wolkige Auftragsweise so nahe stehend IST,
halte ich die Keramiktradition von ALTENRATH für die derzeit viel versprechendste Spur!

Jedoch weil man manchmal auch im "Ausschlussverfahren" weit schauen muss und sollte:

http://www.toepfereimuseum.de/raerener_funde.htm

Die Baare mit hellgrauen Scherben, Wappenauflage und Blaufärbung (ein Bodenfund!) ist für Langerwehe wirklich bemerkenswert und liegt sicher nicht an erster Stelle im Erwartungsspektrum. Die Auflage zeigt ein sicher identifiziertes Wappen und die dort ebenfalls in der Auflage mit eingestellten Initialen, lassen sich nicht mit dem Namen des Wappens in direkte Übereinstimmung bringen!

Das Gefäß darüber zeigt in der Auflage des Reichswappen die Initialen I. M.
In diesen Fall wird es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das Monogram des Töpfers oder des Bestellers handeln!


Interessant in diesem Zusammenhang erscheint mir dieser (w.1jpg) der Produktion des Westerwaldes zugeschriebene Krug ab ca. 1650 mit dem Wappen von AMSTERDAM und den darüber eingeschriebenen Initialen F. G., der die frühere Tradition von Gefäßen mit dem Amsterdamer Wappen als Handelsgut aus Raeren und Siegburg weiter fort zu führen scheint!

(Zwischen Delft und dem Westerwald bestanden ab dem späten 16. Jh. durch Wilhelm von Oranien und seine Familie klare Bindungen und Beziehungen die möglicherweise auch wirtschaftliche Kontakte oder Kontaktversuche mit einbezogen haben können.)

Der Unterscheid zu den viel später datierenden und den Englischen Königen gewidmeten Krügen ist eindeutig!


glG thomas

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#24
Inzwischen habe ich zwei 1688 datierte Krüge, die der Produktion des "Westerwaldes" zugeschrieben worden sind, im Katalog STEINZEUG des Kölner Kunstgewerbemuseums von Reinking von Bock ausfindig gemacht, die gleichfalls die SIGNATUR G R aufweisen (Nr.504 und 505).

1645 - 1688 sind immerhin 43 Jahre Abstand doch man wurde auch in dieser Zeit durchaus mal 85 Jahre alt, mit einer Rente war eh nix ......  
Wenn G. R. ggf. aus Altenrath stammte, seine früh datierte Vase noch dort oder in der Altenrather Tradition getöpfert hat und dann in den Westerwald abgewandert war um dann dort als Meister weiter zu werken ......
traf er zudem auf ausgewanderte Töpferfamilien aus Köln, Siegburg und Raeren.  

Ergänzend sind die Westerwälder Gefäße mit den Signaturen I R datiert 1665 (Nr.529); W R datiert 1681 (Nr.530) und P R datiert 1680 (Nr.531) zu nennen, die auf die Töpfereitradition einer Familie im Westerwald hindeuten können.

Die starren Zunftregeln in den Produktionszentren für Steinzeug führten zu solchen handwerklichen Familientraditonen wie die der Knütgen , Flach und Simons in Siegburg, der Mennicken, Emens und Kran in Raeren usw.


Völlig kurios bleibt dennoch die Gefäßform und der (angegebene/angebliche) FUNDORT

glG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Grafino


Hallo Thomas,
Das ist ein sehr interessanter Ansatz.
Es gibt doch die bekannte Töpferfamilie Remy.
Der Stammvater ( Jacques Remy ) ist bereits im 16 Jhd. aus Lothringen in
den Westerwald eingewandert und hat dort getöpfert. Diese Familientöpfertradition setzte
sich sehr, sehr lange fort. Vielleicht gab es einen G. Remy?
LG
Guido

thovalo

#26
Zitat von: Grafino in 20. Juli 2011, 13:13:47
Hallo Thomas,
Das ist ein sehr interessanter Ansatz.
Es gibt doch die bekannte Töpferfamilie Remy.
Der Stammvater ( Jacques Remy ) ist bereits im 16 Jhd. aus Lothringen in
den Westerwald eingewandert und hat dort getöpfert. Diese Familientöpfertradition setzte
sich sehr, sehr lange fort. Vielleicht gab es einen G. Remy?
LG
Guido

Das wusste ich nicht!  :super:
Da wird die Spur doch gleich NOCH interessanter!   :super: :super: :super: :super:

http://www.bendorf-geschichte.de/bdf-0109.htm

http://books.google.de/books?id=Y6f3p4Nd_f8C&pg=PA114&lpg=PA114&dq=Remy*delft&source=bl&ots=DtqAHhvWdx&sig=caTSTzo_55A8pnXYL-QJaaN_0cY&hl=de&ei=hrwmTtWjGM_1sgaKo7mUCQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=2&ved=0CCUQ6AEwAQ#v=onepage&q=Remy*delft&f=false

Dann man los ............................       :popcorn:

..... Jakob Remy hatte zwei Söhne, die jeder wieder 11 Kinder hatten und in den folgenden Generationen war der Kinderreichtum in diesem Geschlecht noch größer. Wenn auch nach der Zunftsordnung nur ein Sohn in dem väterlichen Geschäft Meister werden konnte und die anderen Söhne entweder bei dem Bruder als Gesellen arbeiteten oder einem anderen Beruf ergreifen mussten, so sind doch viele Nachkommen Jakob Remys auf dieselbe Weise, wie ihr Stammvater Eulnermeister geworden und zwar nicht nur in Grenzhausen, sondern auch in Höhr, Hilgert, Mogendorf, Bendorf und an anderen Orten. Besonders in Höhr nahmen die Remys rasch zu. Ein besonders hervorragendes Mitglied der Grenzhäuser Familie war der Hoffaktor Wilhelm Remy ( W R - 1681). 1662 als Urenkel des Jakob Remy ( I R - 1665 ) geboren, war er erst Eulnermeister in Grenzhausen, dann Handelsmann in Höhr und schließlich Kaufmann und Hoffaktor in Vallendar..........



.........   1661 im Eulenerverzeichnis: "GILLES REMIS" ...... usw. oder auch ......  Guillaume = Wilhelm ......  :dumdidum:


glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Liebe Freunde,

das wird ja immer spannender!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :ildf:

Gilles Remy war Töpfer!

Ich habe einen Beitrag von Gerd Kessler unter:

http://chronik.gemeinde-hilgert.de/dzk/lit/kessler/alex.htm

gefunden, der dies aussagt. Die Bilder in der Mitte zeigen Scherben, die genau
so wolkig gefärbt sind wie meine Vase.

Die Frage ist nur, womit Kessler den Gilles Remy identifizieren konnte.



dankbare Grüße - Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Grafino




Hallo zu später Stunde,

ich habe  ( bei einer guten Flasche Wein ) die Arbeiten der Frau Reineking-von Bock:
" Die Herkunft der Salzglasierten Steinzeugkrüge mit dem Monogramm GR " ( Keramos Nr. 51 von 1971 ) und
die von Paul Engelmeier " Westerwälder Steinzeugkrüge mit dem Monogramm GR " ( Keramos Nr. 44 von 1969 )
studiert. Und bin ........so schlau als wie zuvor :kopfkratz:
Frau R.vB verweist stets nur auf den oder die Georges ( George I, George II, sogar George III ), erwähnt noch WR ( William Rex ) und AR
( Anna Rex ) ignoriert aber PR und IR.
Herr E. erwähnt einen Georg Rensing aus Ochtrup, der noch bis 1710 dortselbst wohnte, als " Eigentümer "dieser Initialien, verwirft diese These aber selbst mit der Begründung, das in Ochtrup kein Ton vorhanden sein konnte der einen Westerwälder SteinzeugKrug hätte entstehen lassen können. ( Bei the way - im Raum Ochtrup ist m.W. nur Irdenware hergestellt worden ).
Interessant finde ich das der Gedanke einer Töpferfamilie mit dem Nachnamen R bei beiden ( zumindest in den Jahren 69 und 71 ) absolut keine Rolle gespielt hat.
Und jetzt lasse ich noch meine beiden Katzen zum Mäusefangen raus und gehe ins Bett.
LG
Guido

haasa2003

#29
Hallo liebe Freunde,

Dir, lieber Guido, wünsche ich eine gute Nacht, und schlaf gut.  :winke:
Gerade bin ich von der Probe im Männergesangverein zurück, wo ich mir
auch, nach Probenschluss, eine gute Flasche Roten eingegossen habe.   :prost:

Dein Post, lieber Guido,
ist spannend zu lesen, allerdings weiß ich im Moment nicht so recht, warum Herr Engelmeier Ochtrup, nahe Groningen,
mit den GR Krügen zusammenbringt. Leider habe ich kein einziges der Keramos Jahresbücher. Da gibt es ja inzwischen
zig Jahrgänge und die kosten alle viereckiges Geld. Das Antiquariat Götz bietet z.Z. allerlei Jahrgänge an, aber dazu bin ich
wohl zu geizig.  :peinlich:

Heute habe ich mit Herrn Kessler, einem über 80jährigen Herrn, wegen Gilles Remy telefoniert. Gerd Kessler hat das Buch: "Zur Geschichte des Rheinisch-Westerwäldischen Steinzeugs der Renaissance und des Barock" geschrieben. Von ihm stammt auch der Aufsatz 2005 über die Fundsituation Alexanderplatz in Höhr. Ihr erinnert euch, dass er hierbei "Gilles Remy" als Töpfer erwähnte. Ich habe Ihn nach Gilles Remy befragt, ob er Scherben fand, die auf diesen Töpfer explizit hinweisen.
Daran konnte er sich leider nicht erinnern, verwies mich jedoch auf das berühmte Werk von Otto Von Falke: "Das Rheinische Steinzeug",
wo Gilles Remy erwähnt sei. Natürlich habe ich sofort bei Falke nachgeschaut und fand den folgenden Hinweis: Zitat " ..... Die Sammlung Zais besitzt in einer Höhrer Matrize eine Abart davon mit der Bezeichnung G. R. 1690 (Gilles Remy von Grenzhausen), als merkwürdiges Zeugnis für das lange Nachleben einzelner Renaissanceformen noch im Barocksteinzeug (Abb. 222)"

Gilles Remy war also wirklich Töpfer. Die verschiedenen Töpfer der Familie Remy benutzen das  "R" in Wappen/Hausmarken/Mascarons mit den verschiedenen Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen ( J. R. - Jakob Remy, P. R. - Peter Remy, W. R. 1667 - Wilhelm Remy von Höhr  ).
Gilles Remy war zu der Zeit, als meine Model datiert wurde (1648), 18 Jahre alt. Vielleicht war er mit 18 schon ein guter Töpfer, der die tradierte Hausmarke? seines Großvaters/Vaters mit dem Anfangsbuchstaben seines Vornamens "G" in jungen Jahren in Besitz nahm.

Fragen über Fragen. Da könnte noch allerlei Recherche nötig sein. (Wer? Wo? Wann? Wie?)

Anbei noch 3 Bilder aus Falke, die das "merkwürdige Zeugnis" zeigen. "G" und "R" sind in den beiden letzten Bildern im Bildzentrum zu sehen.

müde Grüße - Winfried


Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968