Die Geschichte geht weiter: ein anpassendes Fragment des Prunkgefäßes des 16. Jh

Begonnen von thovalo, 29. April 2011, 21:14:34

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thovalo

 :-D

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,49134.0.html

Die Fundreinigung heute erbrachte überraschend ein anpassendes Fragmente der Fehlstelle des Trichterhalses des renaissancezeitlichen Großgefäßes das am vergangenen Ostermontag geborgen werden konnte.

Dieses Fragment lag etwas weiter vom Korpus entfernt und ist dadurch von einer Verfärbung durch ein nahe gelegenes Eisenstück verschont worden. So ist die anpassende Bruchkante am Korpus durch die Einwirkung von Eisenoxyden verfärbt, die Bruchkante des Randfragments dagegen ist hell weiß geblieben.

In der Außenansicht wird zudem deutlich, dass das Gefäß, das wohl vollständig in die Fundsituation hineingeraten ist, genau in diesem Bereich den kräftigen Schlag erhielt, der den Sprung des Gefäßes bis tief in die Wandung hinein verursacht hat.

So ermöglicht es dieses vergleichsweise kleine anpassende Teilstück die Geschichte des Gefäßes besser nachvollziehen zu können. Durch die Datierung in die fortgeschrittene zweite Hälfte des 16. Jhs. kann es ggf. auch gelingen den Zerstörungshorizont näher einzugrenzen und vielleicht sogar den Anlass der Entstehung des Fundeintrags zu ermitteln.


lG   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Dann wir der Rest wohl auch noch irgendwo sein.

Die Schuttschichten aus den verschiedenen kriegerischen Handlungen sind mir auch in Nordhessen gut bekannt.

Aber ganze oder nahezu ganze Gefäße sind da die absolute Ausnahme.

Ab und an hat man mal das Glück, das man aus einen Haufen Scherben wieder ein Gefäß basteln kann, aber dies auch nur, wenn man von der Scherbenlinse eine größere Fläche erwischt.

Was sich ja bei Notgrabungen leider etwas schwierig gestaltet.  :zwinker:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

sludsen

Fantastisch, und welchs Gelücks-(Zufall)!!!

Kann man was zu den Umständen sagen, unter denen der Krug damals in die Erde gekommen ist? Gibt da die Grabungssituation Auskunft?

Gruß
Der Slud

haasa2003

lieber thovalo,

Glückwunsch! Toll, toll, toll! :super: :super: :super:

such bitte weiter, die scharfkantigen Scherben lassen mich vermuten,
dass der Bruch des Trichterhalses garnicht so lange zurückliegt.

Gruß Winfried

Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

Zitat von: haasa2003 in 30. April 2011, 09:55:07
lieber thovalo,

die scharfkantigen Scherben lassen mich vermuten,
dass der Bruch des Trichterhalses garnicht so lange zurückliegt.


Gruß Winfried



Das vermute ich zwar auch, aber durch die Verlagerung im Erdreich besteht kaum Hoffnung das ggf. noch zu finden. Ich werde mir Heute den Aushub ansehen ob das Stück vielleicht irgendwo auf dem Abraum mit verkippt worden ist.... und es der Regen Gestern vielleicht noch frei gewaschen hat. Doch insgesamt ist es sehr unwahrscheinlich das letzte Stück noch anzutreffen.

lG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: sludsen in 30. April 2011, 08:22:20
Fantastisch, und welchs Gelücks-(Zufall)!!!

Kann man was zu den Umständen sagen, unter denen der Krug damals in die Erde gekommen ist? Gibt da die Grabungssituation Auskunft?

Gruß
Der Slud

Es gibt zwei Optionen: einer der "üblichen" Stadtbrände oder, eher wahrscheinlich ..... Kriegszerstörungen, denn hier war einschließlich der Wirren des Dreißgjährigen Krieges ständig was los .... die Spanische Besatzung der Niederlande, die Glaubenskriege ..... das will ich die nächsten Wochen mal Filtern!

Die Umstände erscheinen recht deutlich: in einen allgemeinen "Laufhorizont" hinein und darüber ist eine Schicht aus Mauerbruch (Tonziegel und Tuffquader) sowie Ziegelbruch sogar noch mit Bleiruten von Fensterfassungen aus zerstörten Bauten abgelagert bzw aufgetragen worden.
Solche Stelle gibt es auch in den Stadtgräben und vor nicht allzu langer Zeit ist meiner Erinnerung nach bei einer Grabung an weiter entfernter Stelle sogar ein sehr früh datierender "Mauerhaken" ein Geschützrohr das einhakt werden musste, damit es beim Schuss nicht gleich mit weggeflogen ist, geborgen worden.

Bei einer der nahen Burgen hier liegt an unbekannter Stelle im Vorfeld eine in das 11./12. Jh. datierende urkundlich gesichert erwähnte Kapelle im Erdreich nach der kein Amt gesucht hat und auf die auch Niemand bei den Baumassnahmen geachtet hat und auch nicht achtet ........ zwar noch gegen Ende des 19. Jhs. aber zum Schaden der Historie ist in meinem eigenen Ort die ROMANISCHE Kirche, ein bedeutendes Monument, einfach abgerissen worden obwohl sich selbst hohe Regierungsstelle dagegen gestellt hatten, der Dorfapotheker hat in den 1970er Jahren das Kornsgut, den romanischen (!) Zehnthof des Kölner Domkapitels mit Stufengiebelfassade aus Bruchstein für kleines Geld gekauft und dann trotz Denkmalschutz abgerissen. Ein paar tausend DM als Strafe und es war damit alles o.k.  .... SO sieht es hier aus mit dem Denkmalschutz .... beim Abbruch hat mein Großonkel eine Handschrift gerettet: die originale amtliche Schrift des "Theilungsreceß" der Gemarkung der das frühmittelalterliche (!) Gemarkungsrecht für das Dorf im frühen 19. Jh. gegen entsprechende Entschädigungen aufgehoben hat.  Eine unschätzbare Rechtsquelle ..... von hier stammten demzufolge die Bäume zum Bau der Festung Wesel .... im gleichen Zug wurde das örtliche WILDPFERDEGESTÜT des vormaligen Herzogtums von Berg aufgelöst usw..... bei soviel Tradition in der Zerstörung von wertvollen Kulturgut in der Region ...  ist ein wacher Blick und das Glück des Moments, so wie hier geschehen, immer noch das Beste ...... !

lG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

sludsen


thovalo

Ohne ein neues Thema zu eröffnen:

Heute fanden sich bei der Weiterführung der Massnahme unter anderen zwei Randfragmente von großen Trichterhalskrügen, von denen der kleinere Beleg mit rötlicher Färbung durch Ascheanflug zum Krug gehört und anpasst.

Jetzt ist das Ding immer noch nicht vollständig zusammen!
Langsam reicht´s aber!!!  :schlaeger:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Jetzt gib dir aber mal etwas mehr Mühe beim suchen, wie lange soll das denn noch dauern, bis das schöne Stück komplett ist.  :nono: :nono: :nono:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

haasa2003

Also langsam machst Du uns schon ein wenig böse, kannst Du Dir denn nicht
mehr Mühe geben?
Willst Du denn so kurz vor Schluss schon aufgeben?
Hä?   :hilfe3:
Na also! Ran an die Kubikmeter! Du wirst's schon schaffen.

Winfried

Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Tomcat

Oh, dachte sich das kleine Mädchen, das inmitten all der rauchenden Überreste, der Asche und des Schutts etwas blitzen sah - eine ganz weiße kleine Scherbe, gebogen wie die Mondsichel. Schnell griff sie nach der kleinen Kostbarkeit und verstaute sie in ihrem zerlumpten Täschlein, zusammen mit anderen Habseligkeiten, die vom einstigen Prunk ihrer Heimatstadt kündeten. Wie hätte sie auch wissen sollen, dass Jahrhunderte später dieses eine Bruchstück fehlen sollte?

:-D Ich drück Dir die Daumen, dass es das kleine Mädchen nie gab und der Schutt Dir auch den Rest noch preisgibt!

Tct
Life burns!

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Hi thovalo,

eine schöne Geschichte, die vom kleinen Mädchen.

Und wir freuen uns mit Dir über diesen großartigen Fund und seine
Begleitumstände.

Gruß Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

Zitat von: haasa2003 in 01. Mai 2011, 12:35:16
Hi thovalo,

eine schöne Geschichte, die vom kleinen Mädchen.

Und wir freuen uns mit Dir über diesen großartigen Fund und seine
Begleitumstände.

Gruß Winfried


Ich danke Dir / Euch ..... für den Zuspruch!  :zwinker:

Mir ist vollkommen klar das der erste Fundzustand alleine schon höchst außergewöhnlich gewesen ist!
Das nun zwei Teile noch mit dazu gekommen sind freut mich besonders!  :-D

Mir tun alle Knochen weh von der grunddämlichen Körperhaltung und den immer selben "mechanischen" Bewegungen bei solchen Massnahmen.
Dazu habe ich zumeist mit den bloßen Händen gearbeitet um nicht empfindliche Fundbelege, wie das hoch empfindliche Fadenglasfragment, zu beschädigen. Und so sehen die Hände auch aus .......  :heul:    Da waren die Kosten für die letzte Maniküre für die Tonne ...... nix mit herrlich aufgemalten springenden Delfinen und feinstens ausgefeilten Nagelbetten!

Die nächste Zeit besuch ich mal das Hetjensmuseum in Düsseldorf ..... das ist bestens zu empfehlen, gerade auch wenn es um Steinzeug der Renaissance geht.

Aus der Maßnahme von Gestern liegen hier noch einige Stücke zum Reinigen. Wenn die Teile von denen Fragmente vorliegen alle ganz erhalten wären könnte ich gleich eine Haushaltswarengeschäft für Renaissancegeschirr eröffnen und von den ganzen Knochen aus Schlachtabfällen eine Seifenfabrik unterhalten. Damals flog der Müll eben kurz und knapp in jede Kuhle vor und um das Haus und aller Schutt dazu!

Es sind über viele Jahre hinweg sehr umfangreiche Fundkonvolute an das Landesamt überwiesen worden und eine kleine Schausammlung für Ausstellungen, unter anderen auch jährliche Präsentationen für den "Tag des Denkmals" liegen hier.


Über den Krug und dessen Auflagenmotiv recherchiere ich die nächste Zeit weiter .......   ich danke Euch für Eure Unterstützung und Interesse!

lG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

insurgent

Vielen Dank fürs Zeigen  :winke:

Das sind die Sachen wovon man träumt. Habe noch einen Schuhkarton voller Pfeifenreste von einem "Hortfund" aus dem Aushub. Einige habe ich auch schon gefunden die zusammenpassen, aber das ist as für lange Winterabende :zwinker:
Meine Bodenfunde werden gemeldet

thovalo

Gern geschehen!
Es ist allerdings der reine Zufall das so etwas erhalten ist, gefunden wird und gezeigt werden kann!

Wenn es Euch freut, ..... freut es mich auch!


lG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Gratian

Hi Thovalo...kennst du die Kurzgeschichte: "Die Schale" von Hans-Joachim Kann?
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Harkonen

Hallo Thomas,
spannend beschriebener Fundbericht. :super:
Wirklich sensationell, dass immer wieder neue Teile an das schöne Gefäss gepusselt werden können.  :super:
Danke fürs Zeigen

Grüße
Harkonen  :winke: