Interessanter Klingenkern mit kleiner Kristalldruse

Begonnen von Jondalar, 11. September 2025, 10:14:49

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Jondalar

Hallo zusammen,

auf dem ersten abgeernteten 'meiner' verdächtigen Felder mit sandigen Untergrund in der Nähe eines Bächleins fand ich diesen, wie ich finde, interessanten Klingenkern. Nicht nur, dass sich auf der einen Schlagfläche eine kleine Quarzkristalldruse befindet, sondern der Abbau wurde von zwei Seiten betrieben. Aber nicht wie bei 'normalen' bipolaren Kernen auf der gegenüberliegenden Seite, sondern 90° zur ursprünglichen Schlagrichtung (am besten auf Foto 1 unten zu erkennen). Spricht man in einer solchen Fall ebenfalls von einem bipolaren Kern oder gibt es dafür einen anderen Ausdruck?

Interessant finde ich, dass es scheint, als ob um die Druse auf der Schlagfläche 1 herumgeschlagen wurde, so dass die Kristalldruse unbeschädigt blieb. Das ist vermutlich ein Zufall, sonst ließe sich ja sogar mutmaßen, dass es sich bei dem Fund um ein Stück aus der Kollektion der legendären Frau mit dem kristallenen Schaber handeln könnte...     ;)

Länge: 43mm
Breite: 38mm
Höhe: 32mm
Gewicht: 67 gr.
Fundort: Landkreis Gifhorn

Viele Grüße 

Jondalar
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)

Jondalar

...war mit dem Bild der Druse noch nicht so recht zufrieden...
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)

Steinkopf

Moin Jondalar,

ein interessantes Fundstück, ein kleiner abgearbeiteter Kern. Zum Schluß waren Steckenbleiber
wohl der Grund zur Aufgabe.
Die Kristalldruse hat für den heutigen Betrachter ihren Reiz.
Ob der Flintarbeiter sich damals auch darüber gefreut hat bleibt offen.

LG
Jan

Jondalar

Hallo Jan,

vielen Dank für Deinen detaillierten Blick.
Sicherlich hast Du recht, dass es offen bleiben muss, ob sich der Bearbeiter über den kleinen kristallgefüllten Hohlraum gefreut hat. Bei Fossilien bin ich mir recht sicher, dass sie zumindest bei einigen Menschen Beachtung fanden. Habe gerade das Buch 'Fossile Schätze' aus der ehemaligen DDR hervorgekramt, wo über einen Fund einer 39-teiligen Fossiliensammlung in einer Urne aus der vorrömischen Eisenzeit in der Nähe von Bernburg berichtet wird... Habt Ihr Kenntnis von fossilen Grabbeigaben bei steinzeitlichen Bestattungen? Mir ist so, als ob mir so etwas schon häufiger 'über den Weg gelaufen ist', aber ich kann es nicht konkret benennen...
Viele Grüße

Jondalar
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)

Persephone

Moin Jondalar, ich kann dir leider nicht mit Quellen dienen, allerdings hat es wohl ein "Fürstengrab" in MV in der RKZ gegeben, in dem u. a. steinzeitartefakte des frühen neolithikum beigelegt wurden. Interessanterweise hat mir grade vorgestern beim Fossilien gucken, ein Freund von einer bronzezeitlichem Bestattung erzählt, die sowohl Seeigel, als auch klappersteine enthielt. Musst du mal googeln. Offensichtlich kann man unseren Vorgängern eine gewisse Begeisterung und ästhetisches Empfinden, nicht absprechen. Wenn wir beim Lernen.mit Kristalldrüse sind, wird es spekulativ.

 :winke: Persephone

Steinkopf

#5
Moin Jondolar,
du fragst: " Habt Ihr Kenntnis von fossilen Grabbeigaben bei steinzeitlichen Bestattungen?"
Tatsächlich wurde in Jütland ein Grab mit fossilen Seeigeln und weiteren Raritäten
ausgegraben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die hinterbliebene Ehefrau ihre Chance
genutzt hat, den ganzen Krempel ihres Mannes zu End- oder Entsorgen."

Es lassen sich sicherlich noch weitere Beispiele finden.

LG

Jan

Jondalar

Hallo Persephone,

danke für Deinen Impuls. Eine Recherche mit den Stichworten 'steinzeitliches/bronzezeitliches Grab' und 'versteinerter Seeigel' ergab nur Vages. Es ließ sich lediglich ein gebohrter Seeigel als Anhänger finden. Auf derartige Belege aus dem Niger hatte vor einiger Zeit schon Michael hingewiesen: 

'Ansonsten kenne ich noch Anhänger aus der Sahara, die aus kompletten versteinerten Seeigeln gefertigt wurden.'

Ich werde diesbezüglich aber die Augen und Ohren weiter aufhalten   ;)  
Viele Grüße

Jondalar
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(Konfuzius)

Jondalar

Zitat von: Steinkopf in 12. September 2025, 18:13:14Ich könnte mir gut vorstellen, dass die hinterbliebene Ehefrau ihre Chance
genutzt hat, den ganzen Krempel ihres Mannes zu End- oder Entsorgen.
Jan, ich bin ob Deiner Interpretation des Motives für die Grabbeigaben entsetzt!  ;)

Aber ein durchaus pragmatischer Ansatz. In meinem Fall, müsste dann allerdings das auszuhebende Loch doch recht groß sein...   ;)
Viele Grüße

Jondalar
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Neos

Hallo, Jondalar,

erst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem klasse Kern! Gefällt! :super:

Zitat von: Jondalar in 12. September 2025, 16:06:31Habt Ihr Kenntnis von fossilen Grabbeigaben bei steinzeitlichen Bestattungen?

Es gibt einige Beispiele von Gräbern, in denen man den Verstorbenen Fossilien als Grabbeigaben mitgegeben hat. Am beeindruckendsten finde ich den Fall in Dunstable Downs in England. Hier wurden einer Frau mit Kind mehrere Hundert Seeigel-Fossilien mit ins Grab gelegt: Digital Digging

Auf meinen Exkursionen finde ich immer mal wieder Seeigel-Fossilien inmitten steinzeitlicher Siedlungen und Lagerplätze. Dass diese durch menschliches Zutun hierhergelangt sind ist zwar naheliegend, muss jedoch nicht zwangsläufig so sein. Spannend ist es allemal, finde ich.

Viele Grüße

Frank

Wiedehopf

ZitatHabt Ihr Kenntnis von fossilen Grabbeigaben bei steinzeitlichen Bestattungen? Mir ist so, als ob mir so etwas schon häufiger 'über den Weg gelaufen ist', aber ich kann es nicht konkret benennen...

Moin zusammen,

dieses Thema wird immer mal wieder am Rande erwähnt, ohne dass es, nach meinem derzeitigen Wissensstand, konkret belegt wird.

z.B. hier:

https://www.steinkern.de/kurioses-und-humor/424-fossilien-und-volksglaube.html 

Oder hier:

ZitatKarl W. Struve, Die Einzelgrabkultur in Schleswig-Holstein (1955)

Zu einem ebenfalls verschollenen Grabinventar gehörte ein 'schneckenartiges' Gebilde, wahrscheinlich eine Versteinerung. Der Brauch, Seeigel oder dergleichen dem Grabe beizulegen, ist für die mitteldeutsche Schnurkeramik und die rheinische Becherkultur bezeugt.

Viele Grüße
Michael

p.s. Danke Frank für den link zu der Dunstable Downs Bestattung, sehr interessant.

Wiedehopf

ZitatAuf meinen Exkursionen finde ich immer mal wieder Seeigel-Fossilien inmitten steinzeitlicher Siedlungen und Lagerplätze. Dass diese durch menschliches Zutun hierhergelangt sind ist zwar naheliegend, muss jedoch nicht zwangsläufig so sein. Spannend ist es allemal, finde ich.

Hallo Frank,

in Dänemark galten spätestens ab der Wikingerzeit versteinerte Seeigel als 'Schutzzauber' gegen Blitzschlag. Sie werden deshalb häufig auf Siedlungsplätzen gefunden.

https://www.danskesøpindsvin.dk/    (leider nur auf Dänisch) 

Viele Grüße
Michael

Jondalar

Hallo Frank,

vielen Dank für Deinen Zuspruch und vor allem für den Hinweis des beeindruckenden Grabes in Dunstable Downs. Man hat fast den Eindruck, dass der Seeigelkreis die Verstorbenen abschirmen oder gar beschützen sollte...

Der Hinweis auf Deine eigenen Funde ist spannend. Ich halte das durchaus für naheliegend. Auch heute nimmt doch fast jeder einen fossilen Seeigel mit, wenn er denn vor den Füßen liegt. Warum sollten da unsere Altvorderen anders gewesen sein?
Viele Grüße

Jondalar
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)

Jondalar

Hallo Michael,

vielen Dank für Deine Anmerkungen.

Da die Hinweise ja oft doch recht unkonkret zu sein scheinen, möchte ich noch ein paar Infos zu der von mir erwähnten Urnenbestattung anfügen. Leider ist es mir nicht gelungen über diesen Fund etwas im Internet zu finden. Es handelt sich bei der Urnenbestattung um einen Mann der La-Tène-Zeit und es fanden sich 1898 bei Groß-Wirschleben bei Bernburg neben seiner Asche 39 Exemplare verschiedener oligozäner (alttertiärer, 33 Millionen Jahre alter) Schnecken, Muschel und Grabfüßer (siehe Rudolf Daber und Jochen Helms: Fossile Schätze, 1981 Edition Leipzig). 
Das Ganze sieht auch nicht viel anders aus als in einer meiner Schublade die ähnlich alten Funde aus dem Tagebau Amsdorf...
Viele Grüße

Jondalr
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)

Neos

Hallo, Jondalar,

Zitat von: Jondalar in Heute um 09:55:58Der Hinweis auf Deine eigenen Funde ist spannend. Ich halte das durchaus für naheliegend. Auch heute nimmt doch fast jeder einen fossilen Seeigel mit, wenn er denn vor den Füßen liegt. Warum sollten da unsere Altvorderen anders gewesen sein?

natürlich kann man nicht die heutige Denkweise oder auch die Vorstellung von Schönheit auf die damalige Zeit übertragen. Dass aber Fossilien zumindest vereinzelt einen gewissen ,,Wert" bzw. eine Bedeutung für Einzelne gehabt haben muss, sieht man bei der von mir erwähnten Grabstelle in Downstable Downs auf beeindruckende Art. Ich persönlich halte das Sammeln seltener und dadurch besondere Dinge für ein typisches menschliches Verhalten.

Viele Grüße

Frank