Eine kleinformatige Spitzklinge aus Feuerstein vom maasländischen Typ Rullen

Begonnen von thovalo, 19. April 2025, 12:10:27

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thovalo




Guten Morgen!


Vorgestern sah ich mir die Feldflure am Rhein an. Da ist derzeit keine vernünftige systematische Prospektion möglich. Alle Flure sind in "Rippen" gegliedert worden um Kartoffeln anzupflanzen oder flächendeckend sind Salatpflänzchen unter weißen Planen gebracht worden.

An einer Stelle waren die Planen noch nicht aufgezogen, sodaß ich dort ein kleinere Partie begehen konnte.


Dabei fand sich diese kleine Spitzklinge aus Rullenfeuerstein mit leider frisch abgebrochener Basis. Kleinformatige Spitzklingen treten im älteren und mittleren Neolithikum regelmäßig auf. In Kombination mit der Verwendung von Feuerstein vom Typ Rullen und dem Vorkommen von Bischheimer Keramik auf diesem Flurstück, deutet sich für die kleine Spitzklinge, auf diesen Fundbeleg, eine Datierung in das mittlere Neoplithikum an.

In der Region Düsseldorf/Duisburg wurden in den vergangenen über einhundert Jahren nur einige wenige "mögliche" älter neolithische Funde aufgelesen. Die Rössener Kultur gilt hier bislang als Innovationskultur, die nun auch die sandigen bis gleyhaltigen Böden des linken und rechten Rheinufers weitflächig aufsiedelte.

Vom Norden der Stadt Düsseldorf, bis zum Stadtgebiet Ratingen im Osten ist die Konzentration von Rössener Fundnachweisen beidersit des Rheinlaufs sehr ausgeprägt und endet im Krefelder Stadtgebiet bei Ürdingen. Keramik der Bischheimer Kultur liegen bislang nur von dem Fundplatz der kleinen Klinge vor.

Es scheint sich um einen den Fluß übergreifende größere Siedlungskammer der Rössener Kultur gehandelt zu haben.


lG Thomas    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Heino

Hallo Thomas,
im letzten Jahr habe ich eine ähnliche Spitzklinge aus Rullen-Silex gefunden. Mittelgebirge südliches NRW 200 m Höhe. Immer wieder taucht dieser Feuerstein auch hier auf. die Klinge war ca.7 cm lang und ganz.Ich habe nur dieses Bild, da sie schn beim Amt ist.
Gruß Heino

thovalo



Einen schönen Ostermorgen!


Das Material ist in NRW eng mit der Rössener Kultur verbunden. Die Bandkeramik starb ja im fast wörtlichen Sinne "aus", die Menschen waren zumindest aus NRW verschwunden.

Dann folgte die Rössener Kultur, die vielleicht erst wieder neue Rohmaterialquellen suchen und finden musste und dabei deshalb vielleicht den Rullenfeuerstein in den Fokus nahm.

Auch am Kölner Vorgebirge fanden sich in Rössener Fundzusammenhang fleichfalls nur Artefakte aus dieser Feuersteinvarietät.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Heino

Hier eine Fundstreuung bei der sich ausnamsweise Keramik erhalten hat. Nicht viel aber wohl eindeutig.Es ist der Rand eines Kugelbechers, eine Wandungsscherbe mit weißen Inkrustationen und dazu zwei Klingen, die etwa 300 m von der Spitzklinge entfernd lagen. Das ist im rechtsrheinischen Mittelgebirge schon sehr ungewöhnlich.
Noch schöne Osterfunde Gruß Heino

thovalo

Zitat von: Heino in 20. April 2025, 08:48:18Hier eine Fundstreuung bei der sich ausnamsweise Keramik erhalten hat. Nicht viel aber wohl eindeutig.Es ist der Rand eines Kugelbechers, eine Wandungsscherbe mit weißen Inkrustationen und dazu zwei Klingen, die etwa 300 m von der Spitzklinge entfernd lagen. Das ist im rechtsrheinischen Mittelgebirge schon sehr ungewöhnlich.
Noch schöne Osterfunde Gruß Heino

Ja, ein tolles kleines Ensemble und die Funde ermöglichen eine sehr klare Einordung!


lG Thomas :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Heino

Hallo Thomas,
klar Mittelneolithikum, aber ob Rössen oder Bischheim, dafür reichen die zwei Scherben meines erachtens nicht. Oder siehst Du das anders?
Gruß Heino

Danske

Zitat von: thovalo in 20. April 2025, 08:03:18Das Material ist in NRW eng mit der Rössener Kultur verbunden. Die Bandkeramik starb ja im fast wörtlichen Sinne "aus", die Menschen waren zumindest aus NRW verschwunden.
Dann folgte die Rössener Kultur, die vielleicht erst wieder neue Rohmaterialquellen suchen und finden musste und dabei deshalb vielleicht den Rullenfeuerstein in den Fokus nahm.

Hallo Thomas,

auch in Rheinland-Pfalz und im Rhein-Main-Gebiet ist der Rullen-Feuerstein charakteristisch für das Mittelneolithikum und hier vor allem für die Rössener Kultur. Aber bereits in der LBK erscheint diese Feuersteinvarietät, wenn auch noch in geringem Umfang, im Fundspektrum.

Die Ursachen des Endes der Linienbandkeramischen Kultur sind noch nicht eindeutig erforscht. Sie verschwindet ja auch nicht von einem auf den anderen Tag. Vieles bleibt auch im Mittelneolithikum erhalten, z.B. der Bau von Langhäusern und die Verwendung der Dechselklingen aus Amphibolit resp. AHS in annähernd gleicher Form.

Die LBK zerfällt mit Beginn des 5. Jahrtausends in kleinräumige Gruppen als Ergebnis regionaler Entwicklungen, die bereits in der jüngeren und jüngsten LBK eingesetzt haben.

Die Menschen allerdings bleiben, sie verschwinden nicht.

LG
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

thovalo

Zitat von: Heino in 20. April 2025, 17:19:46Hallo Thomas,
klar Mittelneolithikum, aber ob Rössen oder Bischheim, dafür reichen die zwei Scherben meines erachtens nicht. Oder siehst Du das anders?
Gruß Heino
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Zitat von: Heino in 20. April 2025, 17:19:46Hallo Thomas,
klar Mittelneolithikum, aber ob Rössen oder Bischheim, dafür reichen die zwei Scherben meines erachtens nicht. Oder siehst Du das anders?
Gruß Heino


Genau, mittelneolithisch und welche von beiden Kulturen ist offen!


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: Danske in 20. April 2025, 20:26:00Hallo Thomas,

auch in Rheinland-Pfalz und im Rhein-Main-Gebiet ist der Rullen-Feuerstein charakteristisch für das Mittelneolithikum und hier vor allem für die Rössener Kultur. Aber bereits in der LBK erscheint diese Feuersteinvarietät, wenn auch noch in geringem Umfang, im Fundspektrum.

Die Ursachen des Endes der Linienbandkeramischen Kultur sind noch nicht eindeutig erforscht. Sie verschwindet ja auch nicht von einem auf den anderen Tag. Vieles bleibt auch im Mittelneolithikum erhalten, z.B. der Bau von Langhäusern und die Verwendung der Dechselklingen aus Amphibolit resp. AHS in annähernd gleicher Form.

Die LBK zerfällt mit Beginn des 5. Jahrtausends in kleinräumige Gruppen als Ergebnis regionaler Entwicklungen, die bereits in der jüngeren und jüngsten LBK eingesetzt haben.

Die Menschen allerdings bleiben, sie verschwinden nicht.

LG
Holger


Ehrlich gesagt habe ich das für da Rheinland anders in Erinnerung. Die Siedlungen brechen ab und die Menschen die die LBK getragen haben verschwinden und kehren nicht wieder.


Eine neue Besiedlungswelle erreicht dann das Rheinland und diese Menschen errichten dann trapezförmige Rössener Bauten, die die noch erkennbaren Standorte der Gebäude der Linienbandkeramiker nicht überbauen, weil diese Standorte mutmaßlich noch erkennbar waren.

Ich bin gerade in einer komplexen Umzugssituation. Wenn ich wiederZeit dafür habe suche ich mal die Literatur dazu heraus.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Servus  :winke:

Rullenfeuerstein konnte ich bei mir noch nicht identifizieren, was nicht heißen soll, dass unter den Artefakten nichts aus diesem Material ist. Da mein Einzugsgebiet ja bis ins Maindreieck reicht, sollte da ja was darunter sein, muss ich mal drauf achten  :winke:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Danske

Zitat von: RockandRole in 21. April 2025, 17:39:12Rullenfeuerstein konnte ich bei mir noch nicht identifizieren, was nicht heißen soll, dass unter den Artefakten nichts aus diesem Material ist. Da mein Einzugsgebiet ja bis ins Maindreieck reicht, sollte da ja was darunter sein, muss ich mal drauf achten  :winke:

Moin Daniel,

Rullenfeuerstein tritt in der LBK örtlich bereits auf, wenn auch im Vergleich zu Rijckholtflint in sehr geringem Umfang.

In Bruchenbrücken liegt das Verhältnis 20,9 % zu 1,4 %, In Königshoven 72,5 % zu 2,6 %, in Weisweiler 72,6 % zu 8,3 %, in Niedermerz 62,6 % zu 6,1 % und in Langweiler 41,8 % zu 4,7 %.

Für deinen Suchbereich habe ich noch kein Zahlenmaterial gefunden.

LG
Holger
Ignoramus, ignorabimus.

Danske

Zitat von: thovalo in 21. April 2025, 16:55:40Ehrlich gesagt habe ich das für da Rheinland anders in Erinnerung. Die Siedlungen brechen ab und die Menschen die die LBK getragen haben verschwinden und kehren nicht wieder.


Eine neue Besiedlungswelle erreicht dann das Rheinland und diese Menschen errichten dann trapezförmige Rössener Bauten, die die noch erkennbaren Standorte der Gebäude der Linienbandkeramiker nicht überbauen, weil diese Standorte mutmaßlich noch erkennbar waren.

Ich bin gerade in einer komplexen Umzugssituation. Wenn ich wiederZeit dafür habe suche ich mal die Literatur dazu heraus.

Hallo Thomas,

habe Literatur gefunden, die deine These zumindest für das Rheinland oder Bereiche des Rheinlands teilweise bestätigt.
https://www.robinpeters.net/wp-content/uploads/2019/11/Peters-2012.pdf

Auszug aus Seite 331:
"So liegen im mittleren Merzbachtal zwischen der Linearbandkeramik und der ersten Großgartacher Siedlung hundert Jahre ohne eindeutigen Besiedlungsnachweis.Auch wenn es nicht als völlig gesichert angesehen werden kann, dass das Rheinland zwischen Alt- und Mittelneolithikum vollkommen bevölkerungsleer war, lässt sich diese Zeit als Fortsetzung der Ω-Phase interpretieren. Die Reorganisation der Linearbandkeramik findet nicht
im Rheinland statt, sondern vollzieht sich unter anderem im Rhein-Main-Gebiet.
Zimmermann et al. halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die gesamte bandkeramische Bevölkerung des Rheinlands innerhalb von 100 Jahren ausstarb (Z IMMERMANN U. A. 2007, 34). Möchte man von einer (partiellen) Emigration der rheinischen Linearbandkeramiker in andere Gebiet ausgehen, bedeutet das, dass die rheinische
LBK auch in der Auflösungsphase resilient warund durch Mobilität die Krisensituation bewältigen konnte."


Der Forschungsstand im Rheinland ist aber nicht auf andere Regionen 1:1 übertragbar. In Rheinland-Pfalz folgen Hinkelstein und Großgartach ohne zeitliche Lücke der jüngsten LBK, Hinkelstein besteht sogar eine gewisse Zeit parallel zur LBK. Hier denke ich, dass sich Hinkelstein aus der LBK entwickelt hat, die Menschen sind die gleichen.

Wie es in anderen Siedlungsbereichen aussieht, enzieht sich meiner Kenntnis. Aber, wie auch immer, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bandkeramiker großflächig verschwinden, emigrieren. Für bestimmte Gebiete mag es allerdings zutreffen.

LG
Holger :winke:
Ignoramus, ignorabimus.

Steinkopf

Meinen Glückwunsch!

Ein interessantes Fundstück mit Bezug zur regionalen Vorgeschichte.
Interessant dargeboten!

LG
Jan

thovalo

Zitat von: Danske in 21. April 2025, 23:53:03Hallo Thomas,

habe Literatur gefunden, die deine These zumindest für das Rheinland oder Bereiche des Rheinlands teilweise bestätigt.
https://www.robinpeters.net/wp-content/uploads/2019/11/Peters-2012.pdf

Auszug aus Seite 331:
"So liegen im mittleren Merzbachtal zwischen der Linearbandkeramik und der ersten Großgartacher Siedlung hundert Jahre ohne eindeutigen Besiedlungsnachweis.Auch wenn es nicht als völlig gesichert angesehen werden kann, dass das Rheinland zwischen Alt- und Mittelneolithikum vollkommen bevölkerungsleer war, lässt sich diese Zeit als Fortsetzung der Ω-Phase interpretieren. Die Reorganisation der Linearbandkeramik findet nicht
im Rheinland statt, sondern vollzieht sich unter anderem im Rhein-Main-Gebiet.
Zimmermann et al. halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die gesamte bandkeramische Bevölkerung des Rheinlands innerhalb von 100 Jahren ausstarb (Z IMMERMANN U. A. 2007, 34). Möchte man von einer (partiellen) Emigration der rheinischen Linearbandkeramiker in andere Gebiet ausgehen, bedeutet das, dass die rheinische
LBK auch in der Auflösungsphase resilient warund durch Mobilität die Krisensituation bewältigen konnte."


Der Forschungsstand im Rheinland ist aber nicht auf andere Regionen 1:1 übertragbar. In Rheinland-Pfalz folgen Hinkelstein und Großgartach ohne zeitliche Lücke der jüngsten LBK, Hinkelstein besteht sogar eine gewisse Zeit parallel zur LBK. Hier denke ich, dass sich Hinkelstein aus der LBK entwickelt hat, die Menschen sind die gleichen.

Wie es in anderen Siedlungsbereichen aussieht, enzieht sich meiner Kenntnis. Aber, wie auch immer, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bandkeramiker großflächig verschwinden, emigrieren. Für bestimmte Gebiete mag es allerdings zutreffen.

LG
Holger :winke:


Vielen Dank für Deine Mühe!  :winke:


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.