Angeschliffenes Scheibenbeil

Begonnen von Neos, 03. Juli 2024, 21:15:33

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Neos

Moin, zusammen,

von einer endneolithisch-bronzezeitlichen Siedlung nahe der Ostsee möchte ich euch heute das erste Fundstück vorstellen. Es handelt sich um das erste, angeschliffene Scheibenbeil, das ich bis dato finden durfte. 

Schon auf dem Acker erkannte ich den Schliff und dachte eigentlich, dass dies einfach nur ein umgearbeitetes, also recyceltes, geschliffenes Beil sei. Das ist jedoch nicht so. Dieses Gerät wurde gleich als Schreibenbeil hergestellt und einige Partien an der Schneide geschliffen. Partiell sind Teile der Schneide nicht mehr vorhanden.

Hier die Daten des Scheibenbeils:

  • Fundgebiet: Nördliches Schleswig-Holstein
  • Länge: 88 mm
  • Breite: 28 - 43 mm
  • Dicke: 1 - 17 mm
  • Gewicht: 91 g

Viel Spaß beim Anschauen und viele Grüße

Frank

Wiedehopf

Hallo Frank,

Zitatund dachte eigentlich, dass dies einfach nur ein umgearbeitetes, also recyceltes, geschliffenes Beil sei.

Das wäre auch mein erster Gedanke bei diesen recht kleinen geschliffenen Flächen gewesen. Aber so ? An einem Scheibenbeil habe ich sowas noch nicht gesehen.
Spannendes Stück!

Viele Grüße
Michael   

hargo

#2
Moin,

die Merkmale für "geschliffen", sind (für mich) auf den Fotos leider nicht zu sehen.
Lassen sie sich noch weiter herausarbeiten?
Grundsätzlich will ich "geschliffen", aufgrund deiner Expertise, aber nicht in Frage stellen.

mfg

Danske

Moin Frank,

ein interessanter Fund.

Was mich stutzig macht, ist die Dicke des Nackens. Habe ich bei einem Scheibenbeil noch nicht gesehen.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Neos

Hallo, Michael,

Zitat von: Wiedehopf in 03. Juli 2024, 22:48:41An einem Scheibenbeil habe ich sowas noch nicht gesehen. Spannendes Stück!

das geht mir ganz genau so. Unter den rund 140 Scheibenbeilen, die ich bisher finden durfte, ist es das einzige, das angeschliffen ist.

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, hargo,

Zitat von: hargo in 03. Juli 2024, 23:41:43die Merkmale für "geschliffen", sind (für mich) auf den Fotos leider nicht zu sehen.
Lassen sie sich noch weiter herausarbeiten?

ich habe das mal versucht. Anbei das Ergebnis.

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Holger,

Zitat von: Danske in 03. Juli 2024, 23:57:40Was mich stutzig macht, ist die Dicke des Nackens. Habe ich bei einem Scheibenbeil noch nicht gesehen.

auch das geht mir ebenso. Und da ich nichts Vergleichbares in meiner Sammlung habe, dachte ich mir, ich zeig's hier einfach mal.

Viele Grüße

Frank

Wiedehopf

Hallo Frank,

das Teil ist wirklich rätselhaft. Wenn man bedenkt, dass das Schleifen damals auf flachen Platten mittels einer Art Schleifpaste vollzogen wurde  müsste der Schliff doch viel weiter in die Fläche gehen und nicht nur einen so  eng begrenzten Bereich in der Schneidenregion betreffen. Deshalb kommt es mir eher so vor als hätte das Beil eine 'Vorgeschichte' und dass es aus einem deutlich größeren geschliffenen Teil recycelt wurde. Ist aber nur so ein Gefühl  :nixweiss:

Viele Grüße
Michael         

StoneMan

Moin,

@ Frank, sehr interessant  :glotz:

Aus Zeitgründen nur ein kurzer Hinweis auf mein Scheibenbeil(chen.

Zitat StoneMan > Klick <:
ZitatEine kleine Besonderheit (?).
Ventral ist die Schneide des Beilchens offensichtlich auf einem Schleifstein geschärft worden.
Die Schleiffase ging über die ganze Breite der Schneide, das kann ich unter dem Binokular deutlich sehen.
Teils ist diese vom Gebrauch wieder unkenntlich. 
Der Ausschnitt auf ´Bild sf5´ zeigt den deutlichsten Teil der Schleifkante.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

hargo

Zitat von: Neos in 04. Juli 2024, 21:45:39Moin, hargo,

ich habe das mal versucht. Anbei das Ergebnis.

Viele Grüße

Frank

Danke!
Zum Vergleich vielleicht noch die natürliche(?) Fläche, oberhalb der Markieruhg (ventral) bitte.

mfg

Steinkopf

#10
Moin Frank, Michael, hargo, Holger und Jürgen!

Glückwunsch zum Fund des ausgefallenen  Scheibenbeils an Frank und ergänzend auch Jürgen.

Zunächst zum Schliff:
Peter Vang Patersen, erwähnt Scheibenbeile mit leichtem Schliff in der 'Dyssetid' (ältere Trichterbecherkultur).
zitiert nach PVP: Flint, S. 94f - De aeldste ökser (Die ältesten Beile)-

Zu Holgers Beobachtung
     "Was mich stutzig macht, ist die Dicke des Nackens.
      Habe ich bei einem Scheibenbeil noch nicht gesehen."

Es werden je nach Bearbeitung zwei Typen des Scheibenbeils unterschieden.

 (1) Scheibenbeile die nur 'Kanthugged' sind - also nur an beiden Kanten bearbeitet wurden

und solche die Kanthugged und zusätzlich noch flach bearbeitet wurden (fladhugged).

Bei den Fundstück von Frank sind nur die beiden Kanten bearbeitet.
Daher blieb das Beil auch im Nacken so dick, wie es die Scheibe es hergab.

So ein leichter Überschliff ist in wenigen Minuten zu machen.
Diese Erfahrung habe ich am Strand gemacht, wo ich auf einem geeigneten großen Findling
sitzen konnte und einen geeigneten flachen Stein mit einer Schneide versah.

LG
Jan







Wiedehopf

ZitatZunächst zum Schliff:
Peter Vang Patersen, erwähnt Scheibenbeile mit leichtem Schliff in der 'Dyssetid' (ältere Trichterbecherkultur).
zitiert nach PVP: Flint, S. 94f - De aeldste ökser (Die ältesten Beile)-

Hallo Jan,

danke für den Hinweis, das hatte ich bisher überlesen.

Für mich waren Scheibenbeile immer schnell hergestellte Gebrauchsgegenstände, wenn kaputt machte man sich halt ohne großen Aufwand ein neues.

Es kann natürlich sein, dass auch so eine einfache Beilklinge aufwändig geschäftet war und es sich deshalb lohnte z.B. eine Beschädigung an der Schneide durch Schliff 'auszuwetzen'.

Oder (noch interessanter) wir haben hier einen Beleg dafür vor uns, dass die alteingesessene  Bevölkerung von den TBK-Leuten abgeschaut hatte, dass sich auch Flint schleifen lässt.

Viele Grüße
Michael

 

Danske

Zitat von: Steinkopf in 05. Juli 2024, 03:55:21Es werden je nach Bearbeitung zwei Typen des Scheibenbeils unterschieden.

 (1) Scheibenbeile die nur 'Kanthugged' sind - also nur an beiden Kanten bearbeitet wurden

und solche die Kanthugged und zusätzlich noch flach bearbeitet wurden (fladhugged).

Bei den Fundstück von Frank sind nur die beiden Kanten bearbeitet.
Daher blieb das Beil auch im Nacken so dick, wie es die Scheibe es hergab.

Moin Jan,

danke für den Hinweis, wieder was dazugelernt.

Beim Betrachten der von Frank eingestellten Fotos, insbesondere Foto 02 Seitenansicht rechts, ist mir zuerst eine stark lädierte "Retøkse med V-formet længdesnit" (PVP Nr. 170) mit größter Dicke am Nackenende eingefallen. Auch deshalb, weil ich, wie gesagt, ein "dicknackiges" Scheibenbeil noch nicht gesehen habe. Selbst die Klingen der Scheibenbeile vom Typ Oldesloe, die nicht flachgeschlagen sind, verjüngen in der Regel zum Nacken hin.

Die Grundform des von Frank gezeigten Scheibenbeils dürfte demnach ein Trümmerstück und kein Abschlag sein, oder?

LG
Holger


Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Sprotte

Hallo,

die späte Ertebölle/Ellerbek-Kultur und die frühe Trichterbecherkultur gehen meines Erachtens bzgl. der Flintartefakte ziemlich kontinuierlich ineinander über. Die fein gearbeiteten Kernbeile mit spezialisierter Schneide (siehe mein Avatar - ein Fund aus Nordwestmecklenburg) finden sich in Form früher geschliffener Flintbeile mit spitzovalem Querschnitt wieder. Scheibenbeile sind auch ein typisches Merkmal der frühen Trichterbecherkultur. Und gab diese auch angeschliffen, siehe: C.M. Schirren (1997): "Studien zur Trichterbecherkultur in Südostholstein".

Ich denke, dass zumindest für Mecklenburg und Vorpommern nicht von Alteingessenen und zugewanderten Trichterbecherleuten auszugehen ist, ganz im Unterschied zu den bandkeramischen Kulturen.

Viele Grüße
Sprotte

Neos

Hallo, Michael,

Zitat von: Wiedehopf in 04. Juli 2024, 22:51:36Deshalb kommt es mir eher so vor als hätte das Beil eine 'Vorgeschichte' und dass es aus einem deutlich größeren geschliffenen Teil recycelt wurde. Ist aber nur so ein Gefühl  :nixweiss:

tatsächlich ist es meiner Erfahrung nach "in der Regel" auch genau so wie du schreibst. Jedoch nicht bei diesem Stück. Wenn du dir insbesondere die Ventralseite anschaust siehst du, dass diese eine natürliche Oberfläche hat. Wäre es ein Recycling-Produkt, müssten hier entweder Retuschen vorhanden sein oder man müsste erkennen können, dass es an dieser Stelle von einem größeren (Beil-)Stück abgeplatzt bzw. abgeschlagen worden ist. Das ist jedoch nicht der Fall.

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Jürgen,

schön von dir zu hören!  :prost:

Zitat von: StoneMan in 04. Juli 2024, 23:22:54Aus Zeitgründen nur ein kurzer Hinweis auf mein Scheibenbeil(chen.

dank dir für den Link zu deinem Scheibenbeil. Da ich es schon in Händen halten durfte, kann ich sagen, dass es in natura noch toller ist als es die Fotos erahnen lassen.

Viele Grüße

Frank

Neos

Hallo, hargo,

Zitat von: hargo in 04. Juli 2024, 23:44:03Zum Vergleich vielleicht noch die natürliche(?) Fläche, oberhalb der Markieruhg (ventral) bitte.

sehr gerne. Wichtig bei diesem Foto zu wissen: Was man eventuell für eine geschliffene Fläche halten könnte, ist nur eine Reflexion der Lampe. Hier ist – wie ich's eingangs schon erwähnt habe – außer der Schneide nichts geschliffen. Da musst du mir schon vertrauen...  :zwinker:

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Jan,

Zitat von: Steinkopf in 05. Juli 2024, 03:55:21Glückwunsch zum Fund des ausgefallenen  Scheibenbeils an Frank und ergänzend auch Jürgen.

dank dir vielmals! :-D

Vielen Dank auch für deine Infos zu PVP Artikel aus "Flint fra Danmarks oldtid". Sehr spannend!  :super:

ZitatBei den Fundstück von Frank sind nur die beiden Kanten bearbeitet.
Daher blieb das Beil auch im Nacken so dick, wie es die Scheibe es hergab.

Du triffst hier im Großen und Ganzen voll ins Schwarze. Die Dorsalseite ist jedoch – im Gegensatz zur Ventralseite – schon ein wenig retuschiert.

ZitatSo ein leichter Überschliff ist in wenigen Minuten zu machen. Diese Erfahrung habe ich am Strand gemacht, wo ich auf einem geeigneten großen Findling sitzen konnte und einen geeigneten flachen Stein mit einer Schneide versah.

Ebenfalls sehr spannend! Danke auch dafür!

Liebe Grüße zurück

Frank

Neos

Moin, Holger,

Zitat von: Danske in 05. Juli 2024, 12:32:01Die Grundform des von Frank gezeigten Scheibenbeils dürfte demnach ein Trümmerstück und kein Abschlag sein, oder?

absolut richtig erkannt!  :super:

Beste Grüße

Frank

Neos

Hallo, Sprotte,

Zitat von: Sprotte in 05. Juli 2024, 13:10:22Scheibenbeile sind auch ein typisches Merkmal der frühen Trichterbecherkultur. Und gab diese auch angeschliffen, siehe: C.M. Schirren (1997): "Studien zur Trichterbecherkultur in Südostholstein".

Scheibenbeile gab es meines Wissens bis ins Endneolithikum (und möglicherweise darüber hinaus). Der Fundplatz, von dem dieses Scheibenbeil stammt, ist – zumindest was das Portfolio von bis dato 234 Artefakten hergibt – mit Stand heute auch klar hierher bzw. in die frühe Phase der Bronzezeit zu verorten.

Viele Grüße

Frank

hargo

Zitat von: Neos in 06. Juli 2024, 12:32:46.. Hier ist – wie ich's eingangs schon erwähnt habe – außer der Schneide nichts geschliffen. Da musst du mir schon vertrauen...


 :glotz:  ja, ok!

mfg