Ein hochmittalterliches fehlgebranntes Vorratsgefäß des 13. Jhs.

Begonnen von thovalo, 30. Januar 2024, 20:54:08

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thovalo



Moin!

Zu meinen frühesten Funden gehört dieses vollständig erhalten gebliebene, fehlgebrannte keramische Großgefäß (Höhe 47 cm) des 13. Jhs. aus tertiären Ton, das aus einem Töpferbezirk nahe der Stadt Ratingen (Kreis Mettmann) in Nordrhein-Westfalen stammt.

Das Gefäß ist in Überhitze deformiert weil die Tonmasse so überfeuert worden war, dass das Gefäß unter seinem eigenen Gewicht einsackte. Nach Beendigung des Brandes wurde die Großform, wie das in vielen Töpfereien der Zeit üblich gewesen war, mit anderen Fehlbrände in einer Tongrube entsorgt. In der Grube fanden sich weit über 1.000 fehlgebrannte Gefäße mit abgeplatzten Angarnierungen (Henkel, Tüllen) mit Kühlungsrissen und in teils sehr starken  Deformationen. Die Gefäße sind bei ihrer Entsorung  zusätzlich zerschlagen wordem, vielleicht damit sich Niemand umsonst eines der leichter beschädigten Gefäße herausholen und gebrauchen konnte. Einige Stücke sind der Zerstörung entgangen, so auch der mächtige Fehlbrand des Großgefäßes.

Die Bergung im nass-lehmigen Boden gestaltete sich ausgesprochen schwierig und langwierig, denn es war bis zum Schluß nicht zu erkennen ob das Gefäß vollständig geblieben oder irgendwo gesprungen war. Bei dem Gewicht hätte jeder Versuch es zu früh anzuheben bersten lassen, denn das Innere war randwoll mit fein sedimentierten Lehm und Wurzelgeflecht verfüllt. Meine Finernägel hatte sich während der Bergung total abgerieben.

Von den großen Vorrasgefäßen gab es zwei Varianten, einmal mit einem Wellenrandfuß wie an diesem Stück und einmal ohne Standhilfe mit einem eiförmigen Korpus. Die Gefäße ohne Standhilfen wurden bis zum Rand im Boden eingegraben. Durch die Verdungstung von Feuchtigkeit kühlten die eingegrabenen Gefäße den in ihnen eingelagerten Inhalt.Es waren die Kühlschränke des Mittelalters. Belege der hier produzierten Großgefäße mit eiförmigen Unterbau fanden sich u.a. in der staufischen Ringburg Kelnerei der Herzöge von Berg im der nahe gelegenen Ortschaft Angermund.

Das gezeigte Großgefäß hatte eien Standring und wird in der Fachliteratur mit der Bezeichnung als "Amphore" angesprochen. Wie der Gefäßtyp Mittelalter genannt worden ist, ist heute unbekant.

Der Tod einers Töpfers des Ortes, GERHARDVS, wurde im Jahr 1362 in einem Urbar der Reichsabtei Werden an der Ruhr erwähnt. In diesem Urbar gibt es auch die Aufzählung einer Lieferung von verschiedenen Gefäßen an den Cellerar der Abtei.

Ein vollständiges und perfekt in Form gebliebenes Gefäß fand sich vor einigen Jahren bei einer aufwändigen archäolgischen Grabung im Nachbarort Lintorf. Das unbeschädigte Gefäß fand sich in einen Brunnen versenkt. Das Gefäß im Brunnen wurde zum "Fund des Monats" der Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland und im Landesmuseum Bonn gezeigt.

Der große Fehlbrand wurde beim LVR dokumentiert, gezeichnet und ich durfte ihn behalten, während die sehr umfangreiche Sammlung zu dieser hochmittelalterlichen Töpferproduktion an den dem Landschaftsverband Rheinland und das Landesmuseum in Bonn übergegangen ist.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiedehopf

Wow, das ist mal ein besonderer Keramikfund  :staun:

ZitatDurch die Verdungstung von Feuchtigkeit kühlten die eingegrabenen Gefäße den in ihnen eingelagerten Inhalt.Es waren die Kühlschränke des Mittelalters.

War das für Flüssigkeiten oder was wurde darin gelagert ?

Viele Grüße
Michael 

Danske

 :staun: Sowas habe ich noch nie gesehen!

Danke für's Zeigen und die interessanten Informationen zu den Fundumständen und zum Fundstück.

LG Holger

Das Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen

thovalo

#3
Zitat von: Wiedehopf in 30. Januar 2024, 21:09:53Wow, das ist mal ein besonderer Keramikfund  :staun:

War das für Flüssigkeiten oder was wurde darin gelagert ?

Viele Grüße
Michael 


Moin!

Diese Großformen gelten als "Container" für alle Mögliche. Darin konnte alles gelagert werden was Kühlung brauchen  konte: Wein, Wasser, gesalzene Heringe usw. Die Stücke mit Standhilfe waren ganz allgemein für Produkte geeignet die man gut einfüllen und wieder herausnehmen konnte, wozu auch Getreide gehört hat, das man in den Gefäßen dann auch sehr gut vor den allüberall lebenden Schädlingen (Mäuse, Käfer usw.) schützen konnte. Die Ränder waren alle Außen unterschnitten, damit man ein Stück Stoff, Pergament mit einer Schnur darüber ziehen und mit einer Schnur befestigen konnte oder man passte einen Deckel aus Holz ein.

Im Rheinland gibt es einige Befunde aus mittelalterlichen Siedlungen in denen die Großformen mit eifömigen Gefäßkörper eingesenkt waren. Die Gefäße mit Standfuß standenüberwiegend in Vorratsräumen und am Ort der Kochstellen.

Da die Stücke bereits im leeren Zustand schwergewichtig sind, halte ich sie weniger als Container für einen Trensport geeignet, dann angefüllt waren sie sicher bruchempfindeich. Allerdings waren das die teils noch größeren und schwereren Badorfer Vorratsgefäße auch und die wurden bereits dreihundert Jahre früher offenbar auch per Schiff den Rhein hinunter transportiert.

Die Burg von Angermund wird in den Urkunden als Kellnerei bezeichnet. Das war die Burg, in der die Grafen und späteren Herzöge von Berg die ihnen zukommenden Abgaben aus ihren Gütern im Amt Niederberg einlagerten und verwalteten. Dort fanden sich einige Belege solcher Großformen, die in den beiden Nachbarorten hergestellt wurden.

Aus archäologisch gesicherten Grabungen sind diese Gefäße auch von der Burg Isenberg bei Hattingen dokumentiert. Der Bau der Isenburg wurde 1193 begonnen und 1299 fertiggestellt, bereits im Jahr 1225 wieder zerstört und nicht mehr aufgesiedelt. Das ist ein für die KEramikgeschichte und diese Keramikform sehr selten so eng gefasstes und absolut gesichertes Datum. Es ist dabei immer noch gut möglich, dass diese Gefäßform am Produktionsort bei Ratingen bereits schon im 12. Jh. hergestellt worden war und auch danach noch längere Zeit hergestellt wurde.

Die Burg ließ Graf Friedrich von Ysenberg, ein Neffe des Kölner Erzbischof Engelbert l von Berg errichten. Graf Friedrich galt als der hauptsächliche Anstifter des Mordes an seinem Onkel im Jahr 1225. Aus diesem Grund  wurde die Burg umgehend erobert, niedergelegt und nicht wieder aufgebaut.

Der Graf wurde in die Reichsacht gesetzt, 1226 gefangen und in Köln durch "Rädern" hingerichtet. Als Adligen hätte ihm, freundlicherweise und die Ehre erhaltend, die Hinrichtung mit dem Schwert zugestanden, doch das Maß seiner Straftat galt als derart "schändlich", dass er eben auch "schändlich" durch das Rad hingerichtet wurde, denn Engelbert von Berg war nicht nur Erzbischof von Köln sondern zugleich auch der Kanzler des Reiches. Als postume Ehrung wurde Engelberg mit dem Beinamen "der Heilge" geehrt, aber nie heilig gesprochne.

Die Vorratsgefäße gehörten wahrscheinlich mit zur Erstausstattung der Höhenburg auf der man ja Lagerkapazitäten benötigte und könnten durchaus auch 25 Jahre lang gehalten haben. Die Zeit des kurzen Bestehens der Isenburg ist für die Datierung der Gefäßform und der Keramikproiduktion in das erste Viertel des 13. Jh. besonderes aussagekräftig.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiedehopf

Hallo Thomas,

danke für die ausführlichen Infos zum dem Fund und den geschichtlichen Hintergründen  :super:

Viele Grüße
Michael