Querschneide vs. Spitze

Begonnen von Siebenpapagei, 09. Februar 2012, 22:55:04

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Siebenpapagei

Hallo zusammen,

ich zeige hier mal zwei Pfeile aus Eigenproduktion mit Querschneider und Spitze.
Mit diesen Pfeilen habe ich nicht geschossen, sie wurden von mir sorgfältig hergestellt um nun über meinem Esstisch zu hängen und mir jeden Tag Freude zu bereiten. :zwinker:
Andere Pfeile, habe ich durch die Luft sausen lassen. Es hat sich gezeigt, dass die Flugfähigkeit solcher Pfeile sehr stabil ist. Besonders hat mich überrascht, dass, trotz filigraner Steinspitzen die Pfeile mehrfach benutzt werden können. Die Bilder am Ende zeigen mal zwei Spitzen, mit denen ich schon mehrmals geschossen habe. Einige Fehlschüsse waren dabei. Dabei schubberten die Pfeile übern Boden, bis sie sich flach in die Erde bohrten. Ich dachte schon des öfteren, dass es das jetzt gewesen ist mit den Spitzen, aber nein! Die Umwicklung der Spitzen ist auch unterschiedlich, bei der einen habe ich Anglersehne genommen, während die andere aus aufgefaserten Brennnesselfäden besteht. Diese Umwicklung steht der modernen Kunstfaser in nichts nach!

Die Durchschlagskraft von Querschneiden und Pfeilspitzen ist relativ gleich. Ich habe aus gleicher Entfernung mit beiden Spitzenformen auf eine Kunststoffscheibe geschossen. Die Wucht des Aufpralls ist entscheidend und der Querschneider steht den Spitzen ebenfalls in nichts nach, außer die doch höhere Bruchgefahr aufgrund der feinen Schneide. Zudem, war es wohl gewollt, dass Querschneiden im Körper des Opfers verbleiben.

Zur Herstellung:

Ich nehme für den Schaft Haselzweige, natürlich gerade gewachsen und im brauchbaren Durchmesser. Diese werden feucht entrindet. Ich benutze dafür einen Buchtschaber (siehe Bild). Um gewisse Unebenheiten am Zweig zu entfernen, eignet sich gut eine steile Klinge. Die Schäfte müssen ca.3 Tage trocknen und während dessen immer wieder gerade gebogen, bzw. gerichtet werden.
Sind die Schäfte trocken, beginne ich mit der Befiederung. Bei den gezeigten Pfeilen habe ich Gänse oder Schwanenfedern und Raubvogelfedern verwendet. Alles in der Natur gefunden. :-).
Den Federkiel mit einer Flintklinge gespalten. Federn auf Länge gebracht und zugeschnitten. Das untere Ende mit Birkenpech versehen und alle drei an den Schaft geklebt.
Zur Umwicklung habe ich hier (leider) Anglersehne genommen, da ich es noch nicht hinbekomme Brennnessel auf die benötigte Länge fein aufzufasern. Die Federn werden nun spiralförmig von unten nach oben an den Schaft gewickelt. Die Oberen Enden wieder mit Pech verklebt und umwickelt. Oben und unten noch mit etwas Birkenpech als zusätzlichen Halt verklebt.
Den Schlitz für die Bogensehne mit Feuersteinklinge eingekerbt und zum Schutz vor Spaltung umwickelt.
Die Spitzen habe ich sorgfältig in den Schaft eingepasst. In diesem Fall habe ich die Spitzen mit Birkenpech eingeklebt und den Schaft umwickelt zum Schutz. Der Querschneider allerdings, wird noch zusätzlich von der Umwicklung fixiert. Beide Spitzen sitzen so bombenfest!

Gruß

Ralf :winke:

Siebenpapagei

...weitere Bilder der Spitzen. Und die verschossenen ab Bild 208.

StoneMan

Moin 7P,

danke für die Ausführung  :super: und eindrucksvolle Präsentation.

Wenn mein Enkel (8 Wochen), erst einmal soweit ist, werde ich mit ihm einen "Flitzebogen" basteln.
Er wird staunen, wenn ich solche Pilespidser herstellen werde - wenn ich es denn kann.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

sauhund

 :winke:
Respekt! Sieht echt gut aus!
Wenn eine kleine Kritik genehm ist: Mir persönlich fehlt hier aber sehr das Birkenpech  :belehr:. Dachte auch, gelesen zu haben, dass die Pfeilschäfte zumeist aus diesem Schneeballbuschdingens gewesen wären. Das ist aber Meckern auf höchstem Niveau. Gefällt mir echt gut Deine Arbeit.
Die Herstellung von Birkenpech brachte mich auch schon zur Verzweiflung. Kann man aber anscheinend auch online bestellen (will ich aber nicht).
Welche Federn hast Du eigentlich verwendet?
Gruß und Danke für diesen Beitrag
Sau  :dog:

p.s.: Da gab es doch so ne PDF mit Experimenten bzgl. Pfeilschneiden und Pfeilspitzen, bzw. deren Durchschlagskraft. Hat die noch jemand?

mc.leahcim

#4
Zitat von: sauhund in 09. Februar 2012, 23:37:55
p.s.: Da gab es doch so ne PDF mit Experimenten bzgl. Pfeilschneiden und Pfeilspitzen, bzw. deren Durchschlagskraft. Hat die noch jemand?

Aber sicher er doch--->>>>> Wundballistik bei Pfeilverletzungen

Aus dem Universitätsklinikum Münster Institut für Rechtsmedizin - Direktor: Univ.- Prof. Dr. med. B. Brinkmann -
"Wundballistik bei Pfeilverletzungen" INAUGURAL - DISSERTATION zur Erlangung des doctor medicinae der Medizinischen Fakultät
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. vorgelegt von Hubert Sudhues aus Hamm, Westfalenn 2004


Gruß

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

thovalo

Eine klasse Arbeit die Dir sicher viel weitere handwerklich-praktische Erfahrungen gebracht hat!  :super:

Vielleicht erschliesst DU einmal was nun den Unterschied von Pfeilschneide und Pfeilspitze in der Praxis ausmacht:
ein pragmatischer Effekt oder doch nur die Tradition bestimmter Kulturen und bestimmter Regionen.
Es gab sie ja durchaus auch zeitgleich im Gebrauch ...... einer Kultur wie z.B. der Wartbergkultur


Mach nur weiter so!!!!!   glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Ougenscheyn

#6
Die Querschneide ist für kleines Wild, Kaninchen, Enten usw., der Pfeil dringt nicht so tief ein, bzw. durchschlägt das Wild nicht, weil er dann oft verloren wäre und der Aufwand einen neuen herszustellen doch erheblich ist, zudem hindert er das Wild am Weglaufen.
Die normale, zweischneidige Spitze soll tief in z.B. einen Hirsch eindringen um ihm erhebliche verletzungen zuzufügen, damit er schnell verblutet und nicht mehr weit läuft.

Siebenpapagei

#7
Zitat von: sauhund in 09. Februar 2012, 23:37:55
Wenn eine kleine Kritik genehm ist: Mir persönlich fehlt hier aber sehr das Birkenpech  :belehr:. Dachte auch, gelesen zu haben, dass die Pfeilschäfte zumeist aus diesem Schneeballbuschdingens gewesen wären. Das ist aber Meckern auf höchstem Niveau. Gefällt mir echt gut Deine Arbeit.
Die Herstellung von Birkenpech brachte mich auch schon zur Verzweiflung. Kann man aber anscheinend auch online bestellen (will ich aber nicht).
Welche Federn hast Du eigentlich verwendet?

Hallo Sau :winke:

zum kleben habe ich ausschließlich Birkenpech verwendet! Steht aber auch oben beschrieben und auch welche Federn ich verwendet habe :dumdidum:

Zum wolligen Schneeball kann ich nur sagen, dass man ja nicht alles so machen muss wie der Ötzi. Ich nutze halt das, was lokal vorkommt. Das wird früher, so denke ich, auch nicht anders gewesen sein. Hasel eignet sich hervorragend für Pfeilschäfte. :-)

Zitat von: Ougenscheyn in 10. Februar 2012, 15:44:44
Die Querschneide ist für kleines Wild, Kaninchen, Enten usw., der Pfeil dringt nicht so tief ein, bzw. durchschlägt das Wild nicht, weil er dann oft verloren wäre und der Aufwand einen neuen herzustellen doch erheblich ist, zudem hindert er das Wild am Weglaufen.
Die normale, zweischneidige Spitze soll tief in z.B. einen Hirsch eindringen um ihm erhebliche Verletzungen zuzufügen, damit er schnell verblutet und nicht mehr weit läuft.

Ich glaube, dass mit Querschneiden alles geschossen wurde, was vor den Bogen kam, auch Menschen wie Funde belegen. Querschneiden reißen größere Wunden und besitzen eher das Potential, Sehnen und Hauptschlagader zu durchtrennen. Durch höheren Blutverlust konnte das Opfer anhand der Blutspur besser verfolgt werden. In bewaldeten Regionen ist dies besonders von Vorteil. Somit bestärkt das, meiner Ansicht nach, die These, dass die regionale Flora mit ein Faktor zur Herstellung solcher Pfeilformen war. Zudem kommen auch kulturelle Einflüsse.
Der Aufwand Querschneiden herzustellen ist sehr gering, als Ausgangsprodukt eignen sich sowohl Klingen, als auch Scheiben. Innerhalb von 1-2 Minuten lässt sich ein Querschneider herstellen. Für eine flächenretuschierte Pfeilspitze benötige ich ca. 1 Std. wenn sie wirklich schön aussehen soll.
Die ersten Querschneiden stammen aus dem Mesolithikum, basierend auf einer reinen Klingenkultur. Somit war technologisch die beste Voraussetzung zur Querschneidenproduktion gegeben. Zudem kommen ja noch die Schiefpfeile, welche vermutlich Spitzen darstellen. Damit gäbe es schon im Mesolithikum ein parallelen Gebrauch von Spitzen und Schneiden, wozu? :kopfkratz:. Jedenfalls breiteten sich hier im Norden rasch nach dem Rückzug des Eises Wälder aus, auch eine gute Vorraussetzung zum Gebrauch von Schneiden. Im Neolithikum bis zur BZ wurden vermutlich große Flächen gerodet und es breitete sich Steppe und Heide aus. Und am aller wichtigsten die LANDWIRTSCHAFT und HAUSTIERHALTUNG. Der Mensch war nicht mehr zwingend angewiesen auf die Jagd zu gehen.
Gejagt wurde weiterhin, aber wahrscheinlich war der Hauptfocus auf die Landwirtschaft gerichtet.
Ich denke, dass all diese Einflüsse und Veränderungen, sowie überregionale Kontakte die Ausführung der Projektile maßgeblich geprägt haben.  

Zu meiner eigenen Pfeilproduktion bleibt noch zu wünschen, dass ich es zukünftig hinbekomme Pflanzen fein aufzufasern und Birkenpech in eigener Produktion herzustellen. An beidem bin ich bis jetzt gescheitert. Das sind für sich gesehen auch eigene aufwändige Experimente. Das zeigt mir, was eigentlich alles an Know How erforderlich ist um einen 100% Naturpfeil herstellen zu können.

Gruß

Ralf :winke:


Ougenscheyn

Gut, die ganzen Faktoren wie Flora, Eis und NichtEis habe ich in meine Überlegubng nicht mit einbezogen.
Das ganze ist natürlich recht komplex, zu komplex als dass mein simples Gehirn das fassen könnte. :irre:
So lernt man halt dazu.
Gibt es Leute die das schonmal wissenschaftlich auseinandergepflückt haben?

teabone

Hallo Ralf,

gratuliere zu Deinen Arbeiten. Sieht sehr professionell aus.
Hast Du die Beiträge von Manfred (Marienbad) über Lindenbast gelesen? Ich denke das dieser Bast geeignet wäre und er läßt sich sehr fein auseinanderpflücken. Vielleicht kann Manfred dazu seine reichen Erfahrungen einbringen!
Und über die Herstellung von Birkenpech gibt es von Manfred auch "Rezepte".

http://steinharteknochentechnik.magix.net/website/

LG Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.