Zweimal Lousberg und ein Reibstein

Begonnen von rolfpeter, 10. Oktober 2008, 19:48:18

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rolfpeter

Servus Freunde,

Diese Funde sind mir heute im weiteren Einzugsgebiet eines neolithischen Erdwerkes in den ökologisch korrekten Textilbeutel gewandert. Es handelt sich um Zwei Nackenbruchstücke geschliffener Beilklingen aus Lousberg- Feuerstein und um einen Reibstein aus Sandstein.
Obwohl man bei Lousberg-Feuerstein immer gerne sagt: "leicht zu erkennen, außen braun, innen grau...", gibt es doch einige Varianten dieses Materials vom Aachener Hausberg. Er ist zwar immer opak und meistens verhältnismäßig rauh, aber die Farben variieren doch stark und es gibt auch eine glasige, grünliche Variante. Tendenziell gehört der Stein unten links auf dem Bild zu dieser Sorte.
Der Reib- oder Klopfstein ist genau wie die Beilklingen aus Lousberg-Flint typisch für jung- bis spätneolithische Fundstellen im Rheinland. Solche scheibenförmigen Geräte habe ich häufig an den entsprechenden Orten gefunden. Im älteren Neolithikum dominieren die Klopfsteine aus Feuerstein, häufig hergestellt aus nicht vollständig abgebauten Klingenkernen. Wenn ich richtig informiert bin, wurden die großen jungneolithischen Klingen direkt im Bereich der Bergwerke hergestellt und in die damals bekannte Welt verhandelt. Das mag der Grund dafür sein, daß jungneolithische Kernsteine im Rheinland Mangelware sind.

Ach ja, die größere Beilklinge ist noch 72mm lang...ich habe auf weißen Hintergrund umgestellt und muß mir einen Maßstab basteln!



HG
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

RP,

wieder mal schöne Funde, gratuliere!

In der Tat, Reste jungneolithischer Klingenkerne aus dem charakteristischen Rijckholt- und erst recht Spiennes-Flint fehlen im Rheinland!

Deshalb sind ein Einzelfund und ein Befund von um so grösserer Bedeutung. Es handelt sich einmal um einen ausgesprochen gut erhaltenen Vollkern aus einheimischem Schotterflint, von dem noch eine umfangreiche Serie von Grossklingen hätte abgetrennt werden können (J. Weiner, Jungneolithischer Kernstein für Grossklingen aus Nierswalde. Archäologie im Rheinland 2002, 55-57). Nierswalde liegt im Kreis Kleve am Niederrhein!

Zum anderen wurde im Rheinischen Braunkohlenrevier eine Grube entdeckt, die eine ausgesprochen grosse Zahl an Grossklingenresten aus Rijckholt-Flint (!) lieferte (S.K. Arora, D. Franzen und J. Franzen, Ein Klingendepot des Jungneolithikums von Garzweiler, Archäologie im Rheinland 1987, 27-28).

Diesen Fund aus Garzweiler, wie auch alle restlichen bekannten Klingendepots aus dem Rheinland zieht später J. Weiner bei der Vorstellung eines mittelneolithischen Klingendepots heran (J. Weiner, Ein mittelneolithisches Klingendepot aus dem Rheinland. Archäologie im Rheinland 2004, 43-44).

Der Autor stellt in diesem Zusammenhang fest, dass sich für den Fund aus Garzweiler "bei einer näheren Betrachtung der Artefaktformen unter technologischen Aspekten der Depotcharakter relativiert und man sich fragt, ob die Klingen nicht eventuell Ausschuss einer lokalen Klingenproduktion sein könnten. Zusammen mit anderen, ausschliesslich verbrannten Funden, darunter auch einer grossen Zahl kalzinierter Klingenfragmente gerieten sie als Abfall in die Grube" (ebd. 44).

Das Garzweiler Depot besteht aus insgesamt 14 unverbrannten, vergleichsweise grösseren Klingen und Klingenbruchstücken. Bemerkenswert daran ist jedoch, dass sich darunter mehrere typische Exemplare finden, die als Präparationsabfälle bezeichnet werden müssen, u.a. ein Kernfussabschlag. Schliesslich gibt es noch drei sehr unregelmässige Stücke mit Rindenresten sowie vier sehr schmale Stücke. Zusammengefasst vermittelt das Ensemble nachgerade zwingend den Eindruck von in der Grube entsorgtem Herstellungsabfall. Vergleicht man diesen Fund mit klassischen MK-zeitlichen Grossklingendepots, dann wird der vorstehend erwähnte Schluss vollends bestätigt! Denn in solchen Depots dominieren auf jeden Fall vollständige Grossklingen. 

Konsequent weiter gedacht, weisen beide Funde, der von Nierswalde (Schotter-Flint) und der von Garzweiler (Rijckholt-Flint) darauf hin, dass zu dieser Zeit - wenn auch vergleichsweise selten - Menschen im Hinterland zumindest fallweise durchaus Grossklingen zweifellos (Nierswalde) bzw. sehr wahrscheinlich (Garzweiler) produziert haben.

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"