Querschneide VS Trapezspitze

Begonnen von RockandRole, 30. Juli 2018, 15:05:01

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RockandRole

Hallo Leute,

heute bei meiner Mittagsbegehung habe ich nicht schlecht gestaunt. Neben dem Loch mit dem Reichspfennig darin, hatte ein Stück Silex herausgeblitzt. Diesmal war die Hand schneller als der Fotoapperat.
Ich bin mir noch nicht ganz sicher was wir hier genau haben, ich tendiere aber eher zu einen Stück aus dem Spätpaläolithikum.

Das Stück misst in der Länge 20 mm die lange Laterale ist 18, die kurze ist ca 9 mm.

Wenn man das Stück als Trapezspitze sieht, wäre die Basis dorsoventral retuschiert, der Winkel der Spitze aber mit gutem Willen, wenn, gerade mal 45° und damit sehr flach. Dazu würde aber das Material passen, welches ich mal als Feuerstein einordnen würde...hier eher baltischer. Dieses Material wurde von den Eiszeitjägern in ca. 200 km am Ende der Geschiebegrenze aufgesammelt. 1 km entfernt durfte ich letzte Jahr ein typologisch ähnliches Stück finden.
Für Mesolithikum fehlen bei uns um Aschaffenburg die Fundstellen bisher völlig und das Stück wäre einfach zu dick für die typischen Mikrolithen. Spätpaläolithische Stücke gibt es nur aus der Grabung bei Kahl wo sie Beifang waren, eine Altaufsammlung irgendwo beim Bau der A45 und unsere 3 Stücke.

Würde man hier eine Querschneide sehen wollen, wäre sie meiner Meinung nach sehr massiv und groß. Jedenfalls viel größer und massiver wie die, welche ich bisher finden durfte. Ich weiß auch nicht ob die dorsoventrale Retusche da typisch wäre. Ich kenne so etwas eigentlich nur von der Basis von Pfeilspitzen oder von einigen Rückenmessern aus dem Magdalenien. Gibt es sicher auch noch wo anders, das spielt aber ja jetzt keine Rolle. Wehtun würde sie allemal.

Jedenfalls ein seltener Fund für unsere Breiten und ich hab mich mehr gefreut wie über den Reichspfennig  :zwinker:  von den Nachbarflächen habe ich auch leicht patinierte Kleinigkeiten (2 stk), aber auch einen Sicheleinsatz in 500 m Entfernung und einen Klingenkratzer in 300 m. Mehr gibbet da nicht. Da die Fundstelle am Mainufer ist, kann da immer mal irgendwer gewesen sein.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

Naja, das mit dem Material muss man sich noch einmal überlegen. Feurstein müsste aber passen  :-)
gefährliches Drittelwissen

Wiesenläufer

Moin,

so aus dem Bauch raus, würde ich Querschneide sagen. Die Länge müsste doch passen. Meine war auch 2,5 cm lang und aus einem Klingenbruchstück scheint Deine doch zu sein ?

Und Neolithikum ? kommt nicht in Frage ?

Meine wird auch ins Neolithikum gehören, zumal sie Schliff hatte.

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

StoneMan

Moin,

das sieht doch wirklich nach einer Querschneide aus. Und zu mächtig ist die auch nicht.

Meine größte ist 47 x 32,7 x 5 mm >Klick<

Zudem sehe ich zwei normale Retuschen an den Bruchkanten, wie sie für Querschneider typisch sind.

Dorsoventrale Retusche würde doch bedeuten, dass die Retusche auf die Flächen der Dorsalseite und Ventralseite übergeht.

Richtig ist, dass es Pfeilspitzen mit dorsoventraler Basis gibt, aber die sind wie gerade von mir beschrieben.

Schönes Stück Daniel  :super:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

RockandRole

Hallo ihr beiden  :winke:

danke für eure Beiträge. Neolithisch kann sie sicher sein, wenn es eine Querschneide ist. Ich möchte mich auch nicht auf Spätpaläolithikum versteifen, ist gerade so ein Bauchgefühl und die Chance so etwas bei uns zu finden erachte ich als weniger gering  :-D.
Ich habe gerade ein schönes Beispiel für eine Trapezspitze aus Dietfurt gefunden. Die ist auch aus einer regelmäßigen Klinge aber nicht so gestaucht. Der Winkel ist identisch, auch die Basis ist konkav. Ich schaue mal ob ich etwas ähnliches im Netz finde.
Ok, dann muss es nicht dorsoventral heißen sondern anders. Hier gehen die Retuschen ja von dorsal und ventral auf die Mittellinie des Querschnittes zu. Aber wenn man richtig schaut eben von beiden Seiten auf der konkaven Seite.
Jürgen, bei deinem Beitrag wurde ja vortrefflich diskutiert. Sehr schön ;)

Was sagt ihr zum Material?

Liebe Grüße Daniel

gefährliches Drittelwissen

Danske

Hallo Daniel,

ein schöner Querschneider, den du da gefunden hast. Wie Jürgen schon geschrieben hat, die Retuschen an den Bruckkanten sind typisch dafür.

Material könnte dem ersten Anschein nach Rullenfeuerstein sein, der bei uns charkteristisch für das Mittelneolithikum ist.

LG
Holger
Das Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen

thovalo



Hallo Daniel!

Ich kann Deine Trapezüberlegungen schon nachvollziehen. Doch im Fundaufkommen mit mehr als 300 Pfeilschneiden auf einem Platz ergab sich eine hohe Variabilität auch in der Asymmetrie von Pfeilschneiden. Dein Artefakt sollte, wie schon die Vorgänger angemerkt haben eine solche Pfeilschneide sein!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo auch ihr beiden,

ich habe mich mittlerweile durch eure gaballte Fachkompetenz damit ´abgefunden´, dass wir hier eine Pfeilschneide vor uns haben  :-)  Das ändert meine voreingenommene Vermutung, es handele sich um baltischen Feurstein natürlich wieder. Ob es Rullenfeurstein ist, müsst ihr vom Rhein sehen können. Leider habe ich bisher keine Vergleichsstücke, was das Material betrifft.

Da es kein Artefakt aus dem Spätpaläolithikum ist, haben wir hier die erste bekannte Pfeilsschneide aus dem aschaffenburger Raum, überhaupt. Das ist ja schon mal was  :winke:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo



Rullen ist es auf keinen Fall!  :glotz:

Es wird schwer sein die Herkunft näher zu bestimmen. Von dem Maasgedöns käme am ehesten noch ostbelgischer ggf. auch hellgrau-belgischer Feuerstein mit in Betracht, aber auch nordischer Feurstein kommt dem nahe.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: RockandRole in 03. August 2018, 17:05:16
...
Das ändert meine voreingenommene Vermutung, es handele sich um baltischen Feurstein natürlich wieder
. Ob es Rullenfeurstein ist, müsst ihr vom Rhein sehen können. Leider habe ich bisher keine Vergleichsstücke, was das Material betrifft.

Da es kein Artefakt aus dem Spätpaläolithikum ist, haben wir hier die erste bekannte Pfeilsschneide aus dem aschaffenburger Raum, überhaupt. Das ist ja schon mal was  :winke:

Liebe Grüße Daniel

Moin Daniel,

nicht, dass ich mit meiner Frage eine bestimmte Flintart im Sinne habe, aber mit welcher Begründung
schließt Du nun - da es wohl ein Querscheinder ist - Baltischen Flint aus?

Und wenn sie denn so selten bei Dir im Aschaffenburger Raum ist, wäre ein Reise-Verlust nicht denkbar?

Gruß

Jürgen

PS vermutlich alles Quark was ich bei 33 °C hier schreibe  :irre:
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Antoine de Saint-Exupéry

RockandRole

Guten Morgen ihr beiden,

danke schon mal für die weitere Eingrenzung. Anscheibend ist der Fitzel Material aber noch zu unspezifisch.
Immerhin würde ich einen Hornstein (da haben wir ja auch schon die Wöllchendiskussion geführt) ganz ausschließen wollen. Da spricht jetzt die Arteflatklasse dagegen.
Hey Jürgen, ich bin wohl gerade nicht ganz so auf der Höhe und drücke mich nicht präzise genug aus. Meine erste Vermutung auf baltischen Feuerstein basiert daraus, dass ich fest von einer Trapezspitze ausgegangen bin. Bei uns kannst du das Material z.B. dafür hernehmen, Spätpaläolithikum und Mesolithikum zu trennen.
Ein Artefakt aus dem Neolithikum kann natürlich aus irgendein Feuerstein sein, auch aus baltischem.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

StoneMan

Moin Daniel,

alles im grünen Bereich - auch wenn die Temperatur auf der Terrasse bereits recht hoch ist
und die geistige Höhe dadurch sinkt - natürlich auch (nur) bei mir :irre:

Deiner Trennung Spätpaläolithikum / Mesolithikum aufgrund des Materials kann ich soweit folgen, wenngleich
mir für den Norden selber die Erfahrung dazu fehlt ob es denn hier möglich ist.
Womöglich ist es bei euch regional bedingt möglich.

Zitat Daniel:
"Meine erste Vermutung auf baltischen Feuerstein basiert daraus, dass ich fest von einer Trapezspitze ausgegangen bin".

Und wenn ich Dich nun richtig verstehe, würdest Du, da es sich (vermutlich) um einen Querschneider handelt,
baltischen Feuerstein ausschließen - aber für eine Trapezspitze nicht?

Kann nicht beides Trapezspitze und Querschneider aus Baltischem Flint sein?

Noch einmal, ich kenne euer Inventar und Rohmaterial nicht, es ist also keine Polemik wenn ich
solche "kryptischen" Fragen stelle.

Gruß

Jürgen

Schatten 31,4 °C



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Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#12

Hallo Daniel!

Deine Region liegt ja zwischen Materialnot, Materialmangel und einer reichen Variabilität von Improvisation durch den Gebrauch regional eher beschränkt bis lokal verwendeter Materialien.

Das Material wird am ehesten nordischer Feuerstein sein und irgendwo aus Geschiebeablagerungen ausgelesen worden sein. Die Datierung kann sehr breit streuen, von daher ist das ein besonderer Fundbeleg mit wenig Tradition in Deiner Region und weil das Material so atypisch in der Fundregion ist, werden sowohl der Typus des Projektils wie auch das Material aauf Traditionen anderer und zwar nördlicher oder nord-westlicher Herkunft zurückgehen.

Das ist alles andere als ungewöhnlich. So tauchen aus dem späten und ausgehenden Neolithikum in meiner Region immer mal einzelne Besonderheiten (Typus und Material) in Form von Projektilen auf die aus Dänemark oder Schleswig-Holstein eingetragen worden sind.

Pfeilschneiden waren bis in das Rheinland regelhaft vertreten und von dort aus zu Dir entlang des Rheinlaufs und der sonstigen Wasserwege ist das angesichts der hohen Mobilität in diesen Zeiten kein allzu weiter Lauf.  Kulturtransfer oder von Menschen aus dem aus der Sicht Deines Standortes aus dem "norden" hinterlassene Artefakte sind keine allzu großen Ausnahmen, gerade weil Deine Region eher ein Mangelgebiet qualitativ hochwertiger und günstig zu bearbeitender Materielein ist.

lG Thomas  :winke:


PS: im Material der in Belgien gelegenen Grotte von Remouchamps treten Trapeze in der von Die auf einem der Fotois dargestellten breiten Form als charakteristische Bestandteile des mesolithischen Inventars mit auf. Pfeilschneiden ekommen diese Formen dann sehr nahe, wenn die verwendeten Klingensegmente aus einem schmalwinkligen Klingenbereich der Distalpartie einer Klinge hergestellt werden. Dann wirken diese Pfeilschneiden "schief" und kommen tendenziell den breiten Trapezen mit einer hochstehenden "Spitze" zunehmend näher. Das zeigt sich insbesondere dann, wenn man ein breites Spektrum von Pfielschneiden vorliegen hat und dann diese Variabilität unter diesen Geschoßspitzen wieder finden kann. Das Übergansfeld kann dann sehr nahe beieinander liegen.
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RockandRole

Servusle,

super, dass ihr euch so Gedanken macht  :-)  Jürgen, macht gar nix. Ich weiß schon wie du es meinst  :winke:  baltischer Feuerstein würde ich im Umkehrschluss nicht ausschließen wollen. Ich habe nur anfangs aus der Artefaktklasse Trapezspitze, auf den, in dem Fall einzig möglichen (meines Wissens) Feuerstein schließen wollen. Das wäre baltischer. Bis zu deren Quelle gingen die Schweif- oder Kontaktgebiete.

Danke Thomas für deine willkommenen Ausführungen. In der Tat hatten wir hier außer dem eher minderwertigen Material was man im Main finden konnte so gut wie gar nix. Lässt man mal die wahrscheinlich nicht zu allen Zeiten bekannten Vorkommen in Lämmerspiel und die paar Achate aus Sailauf mal weg. Auch die nicht unerheblichen Materialströme aus allen Himmelsrichtungen,welche zum Beispiel den Würzburger Raum erreicht haben, sind bei uns nie so da gewesen. Selbst auf LBK Fundstellen mit 18 in der Geomagnetik nachgewiesenen Hausstellen, lies sich bei einer Begehung nicht ein Stück Silex finden. Wenn ich im Aschaffenburger Raum bei meinen Begehungen so 30-40 Steinartefakte finde ist das viel, dafür laufe ich einige Km. Das kennen wir auch anders.

Ich kann mir diesen Umstand irgenwie nicht erklären und ich frage mich wie unser Altvorderen diesen Mangel kompensiert haben. Denn besiedelt war es hier im Neolithikum sicher, und das auch nicht ganz so dünn.

Habe hier mal die Pfeilschneiden abgelichtet, welche ich hier gerade vorliegen habe. Das sieht man vielleicht, warum ich dachte diese wäre zu groß und massiv. Die Klinge der weißen schmalen ist viel dünner.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

StoneMan

Moin,

und Danke euch beiden. Eure Beiträge sind für mich hilfreich  :super:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry