Verbrannte Silexbeilklingen ......

Begonnen von thovalo, 01. September 2015, 20:00:41

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thovalo


Das jetzt im beginnenden 14. Jahr prospektierte rechtsrheinische Fundgelände (NRW) bringt als eines seiner merkwürdigen besonderen Merkmale neben Abschlägen von Silexbeilklingen, Artefakten aus Abschlägen von Beilklingen, als Kernsteine abgebauten Silexbeilklingen, großen Teilstücken und vollständigen Silexbeilklingen immer wieder auch vollkommen durch Feuereinwirkung zerstörte Beilklingen hervor.

Am Wochenende fanden sich insgesamt allein 14 Belege von Silexbeilklingen, darunter drei verbrannte Nackenpartien die damit auch drei Exemplare repräsentieren und das Trümmerstück einer verbrannten Schneidenpartie.

Warum sich dort die Belege von Massen von Beilklingen ansammeln konnten und warum sie proportional extrem häufig auch vollkommen durch Feuer zerstört worden sind, ohne dass sie zuvor als Kernsteine abgearbeitet wurden, ist ein archäologisches Rätsel.


1. von einer recht breit angelegten Beilklinge mit schmal angeschliffener Seite
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#1


2. das Gestein dieses Beilklingenfragments aus einer großen und im Querschnitt kräftigen Klinge ist noch oberflächig gut als Silex der Lanaye-Schichten aus der Region um Rijckholt identifizierbar. Die innere Struktur des Silex ist vollkommen craquelliert. Das wirkt wie der Effekt durch thermischen Schock.

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



3. das hier könnte eher sogar das Fragment der Vorarbeit einer Dechselklinge aus Feuerstein sein. Vom Fundareal stammen bereits mehrere Silexdechselklingen, darunter auch eine herausragend gearbeitete gleichfalls verbrannte Vorarbeit einer Dechselklinge aus Feuerstein.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



4. an der verbrannten Schneidenpartie glänzt im Schräglicht noch der Schliff.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinereihe


Super-Beitrage, sehr vielen Dank! Hochinteressant und mysteriös...
Also keine Temperung...

LG S.

thovalo



Bei der Reinigung der Funde vom letzten Wochenende fand sich noch zusätzlich diese verbrannte und anpatinierte Schneidenpartie einer Silexbeilklinge. An ihr ist auf einer Seite noch eine Partie der nicht überschliffenen Centerline erhalten und an der Schneide befindet sich die Facette eines Nachschliffs. In den überlieferten Merkmalen ist das immer noch ein vielfach "sprechender" Fundbeleg.

Fo: alle gezeigten Fundbelege stammen vom rechten Niederrhein



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Joxkowski

Diese Stelle würde ich unbedingt im Auge behalten! Das scheint mir ein Kultplatz zu sein. In Schweden gibt es beispielsweise einen Platz, wo massenhaft Flintbeile verbrannt worden sind: LARSSON, L. (2002): Feuer und Beile. Bewusste Zerstörung von Flintgeräten im Neolithikum. Archäologisches Korrespondenzblatt 32, 2002, 345-356.

thovalo

#7

Hey danke!  :winke:


Ich werde versuchen die Literatur zu bekommen!

Das Flurstück ist am Donnerstag bearbeitet und eingesät worden.
Gestern bin ich kurz drüber gelaufen, noch ist die Oberfläche nicht gut abgeregnet.

Dabei fand sich erneut eine Beilschneide, die dem Eindruck nach patiniert und ggf. auch kurz dem Feuer ausgesetzt gewesen ist.

Da sich dazu überraschend auch der Beleg einer sekundär zu einer Miniaturbeilklinge modifizierten abgebrochenen Schneide einer Beilklinge aus Jade gefunden hat, ist ein kultischer Charakter des Platzes vorstellbar. Die Jade wurde am Königlichen Mineralogischen Institut in Tervuren Belgien naturwissenschaftlich bestimmt und stammt vom Monte Beigua. Es gibt 5 weitere Jadebeilklingen aus dem selben Gesteinstück.

Von denen stammen vier aus der weiteren Region der Moselmündung und eine von einem unbekannten Ort aus Frankreich (aufbewahrt in Berlin). Der Fundbeleg befindet sich inzwischen im Landesmuseum Bonn. Die vollständig erhaltenen "Geschwister" gehören alle dem
Typ "Puy" an.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Sprotte

Zitat von: Joxkowski in 06. September 2015, 20:44:14
Diese Stelle würde ich unbedingt im Auge behalten! Das scheint mir ein Kultplatz zu sein. In Schweden gibt es beispielsweise einen Platz, wo massenhaft Flintbeile verbrannt worden sind: LARSSON, L. (2002): Feuer und Beile. Bewusste Zerstörung von Flintgeräten im Neolithikum. Archäologisches Korrespondenzblatt 32, 2002, 345-356.

Hallo,

das ist natürlich die eine Möglichkeit, Objekte - wie Flintgeräte - durch bewusste Zerstörung der profanen Verwendung auf Dauer zu entziehen. Eine andere Möglichkeit ist (und dass ist die für mich viel naheliegendere), dass neolithische Häuser nicht gerade modernen Bestimmungen zur Brandverhütung entsprochen haben. Einige werden von Zeit zur Zeit niedergebrannt sein und alles, was sich in ihnen befannd, ist dem Feuer ausgesetzt gewesen.

Viele Grüße
Sprotte

thovalo

#9
Das trifft in diesem Fall nicht zu.

Der hier vorliegende "Fall" ist facharchäologisch bekannt und wird intensiv erörtert. Es liegen so viele Hiebgerätebelege vor (Beilklingen und Dechselklingen aus Feuerstein), dass damit Generationen von Menschen auf ihre Lebzeiten vollständig versorgt worden wären. Die Konzentration wäre ggf. noch mit einer "Holzwerkstatt" und da es eine Flußsiedlung ist, vielleicht sogar mit einer "Bootswerft" / eher noch  "Einbaumwerft" zu vereinbaren. Dabei wurde aber auch fest gehalten, dass die Temperaturen, die für den hohen Verbrennungsgrad der meisten Stücke verantwortlich sind, bei einem Hausbrand (Holzständerwerk und Lehmwandgeflecht) so konzentriert nicht entstehen können.

Die Hintergründe werden sich erst durch einen gezielte Grabung klären!

.................    Vorgestern fand sich erneut eine Beilschneidenpartie.


lG Thomas  :winke:


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Wenn eine Holzwerkstatt brennt, sieht die Temperatur schon anders aus... :winke:
Gruss...

thovalo

Zitat von: Nanoflitter in 07. September 2015, 12:06:42
Wenn eine Holzwerkstatt brennt, sieht die Temperatur schon anders aus... :winke:
Gruss...


Das war die Überlegung die die Mengen an Hiebgeräteeinsätzen und deren Verbrennungsgrad erklären würde. Allerdings verbrannten auch Pfeilspitzen, Feuerschlagsteine, riesige Kratzer, Rohmaterialstücke usw........

Schon noch weiterhin eine ungeklärte Frage .....



Ich hänge noch den Fundbeleg von Vorgestern mit dran:

Die Beilschneide ist patiniert und hat nur wenig Feuer abbekommen. Es handelt sich um einen Fundbeleg in extrem feiner Retuschierung.
Der Schliff beschränkte sich anscheinend auf die Schneide und die Längsseiten.

Ich habe zum Vergleich mal den Beleg einer entsprechenden feinen Vorarbeit daneben gelegt.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.