Trapez VS mittelneolithischer Sicheleinsatz

Begonnen von RockandRole, 03. Juni 2017, 15:56:21

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RockandRole

Hallo Steinzeitfreunde,

letzten Sonntag habe ich einen Außenbereich einer großen Siedlung der LBK, des Mittelneolithikums und der Hallstattzeit begangen. Dabei konnte ich feststellen, dass die mittelneolithische Streuung noch einmal ´massiev´ außerhalb des Denkmales auftritt.

Dabei sind mir 2 Artefakte in die Tüte gekommen, welche ich als typische mittelneolithische Sicheleinsätze angesprochen hätte. Als ich dann aber auf dem Nachbarhügel einen kleinen Kernstein unter 2 cm auflesen konnte, der bei mir auch typisch für das Mesolithikum sein kann, kamen mir Zweifel. Diese Sicheleinsätze sind auch meist im Verhältnis schmaler.

Trapeze kommen würden bei uns eher Ende mittleres und am Ende vom Mesolithikum vorkommen.  Die Fundstellen sind sehr sehr selten!

Auch nach der Reinigung kann ich keinen Glanz erkennen. Obwohl die Retusche vom 2. Stück die Seiten wechselt, sehen sich beide ziemlich ähnlich. Das Material ist alleine schon seltsam. Wölkchen und ein wenig transluzid.

Was haltet ihr von den Teilchen?

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo



Vom Format und der Machart her spricht Nichts gegen ein spätes Mesolithikum.  :glotz:


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo Thomas,

das wäre natürlich toll, gerade weil frühes Meso bei uns eher die Regel ist.  Bisher deutet alles darauf hin  :-)

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Karl Gustav II

Hallo Daniel,

ich antworte dir jetzt mal hier und nicht per Mail, da mich bei der Frage "Trapeze im Neolithikum" auch die Erfahrungen anderer Sammler interessieren würden.
Für die Frage nach neolithischen Trapezen ist bis heute glaube ich der Aufsatz des Kölner Prof. Taute von 1974 maßgebend (https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/27209), in dem er das Vorkommen von Mikrolithen in neolithischen Kulturen untersucht hat. Ihm zu Folge kommen Trapeze in fast allen neolithischen Kulturen Süddeutschlands mehr oder weniger häufig vor (die Kulturbezeichnungen sind inzwischen allerdings zum Teil etwas überholt!). Für die Unterscheidung mesolithischer und neolithischer Trapeze gibt er drei Kriterien an:

- Ist ein Stück aus nord- oder westeuropäischem Feuerstein, so ist dieses neolithisch, da entsprechende Feuersteine im Mesolithikum Süddeutschlands nicht vorkommen. Das Gleiche stellte auch Werner Schönweiß fest und ich kann das durch meine eigene Arbeit in Mainfranken bestätigen.

- Sind die Schenkel des Trapezes zumindest teilweise ventral retuschiert, so ist das Stück neolithisch. Auch das kann ich durch eigene Erfahrung bestätigen. Die mesolithischen Trapeze haben wohl immer nur dorsal retuschierte Schenkel.

- Drittes Kriterium ist die Verwendung der Kerbschlag-Technik im Mesolithikum, während im Neolithikum die Klingen für die Trapezherstellung nicht zerschlagen, sondern gebrochen wurden. Dabei entstehen nicht diese typischen Bahnen, wie man sie von den Kerbresten kennt.

Wenn ich mir jetzt deine Stücke nach auf Grundlage dieser Kriterien anschaue, dann besteht zumindest bei dem helleren Stück m.M.n. kein Zweifel. Sowohl das Rohmaterial (ich bin mir sehr sicher das es baltischer Kreidefeuerstein ist), als auch die wechselseitige Retusche sprechen für eine neolithische Zeitstellung. Ob jetzt LBK oder Rössen, was es ja wohl beides an dem Platz gibt, ist denke ich nicht zu klären.

Bei dem anderen Stück ist die Sache wohl schon schwieriger. Das Rohmaterial kann ich so jetzt nicht wirklich zuordnen, vielleicht ein plattiger Jurahornstein? Vielleicht kannst du oder ein Sammler aus dem Südbayerischen Raum ja was dazu sagen. Auch scheinen beide Schenkel ausschließlich ventral retuschiert zu sein. Ob Bruch oder Kerbschlag lässt sich bei vollständiger Retuschierung beider Kanten wohl auch nicht mehr sagen. Rein typologisch spricht also nix gegen spätes Meso. Aber irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass es doch in den mittelneolithischen Kontext gehört. Ich kanns nicht so recht beschreiben wieso, aber irgendwie sieht das Teil mir eher neolithisch als spätmesolithisch aus.

Soviel erstmal zu meiner Einschätzung.

Liebe Grüße,
Benni

Karl Gustav II

.... "Auch scheinen beide Schenkel ausschließlich ventral retuschiert zu sein"...

Soll im letzten Absatz natürlich dorsal heißen!!!!  :irre:

RockandRole

Hey Benni,

Danke für die überaus umfangreiche Antwort.

Wie kann man denn bei so einem kleinen Stück zwischen Hornstein und Feuerstein unterscheiden? Für mich ist das in der Farbe unmöglich.  :friede:

Wie wäre denn der Sichelflanz auf neolithischen Stücken zu sehen. Parallel oder quer?

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Karl Gustav II

Servus Daniel,

das mit dem Rohmaterial ist bei makroskopischer Beurteilung und an Hand eines Fotos natürlich ein bisschen unsicher. Aber auf Grund des transluzenten Charakters, der relativ vielen weißen Einschlüsse und der leicht bräunlichen Farbe tendiere ich sehr stark in Richtung Kreidefeuerstein (lass mich aber natürlich immer auch eines besseren belehren!).

Was den Sichelglanz angeht kommt es natürlich darauf an, wie und vor allem an welcher Position ein Stück in der Sichel geschäftet war. Aber nur weil meine Einschätzung in Richtung Alt- oder Mittelneolithikum geht, muss das ja nicht heißen, dass die Trapeze nicht trotzdem als Pfeileinsätze gedient haben.

Grüße,
Benni

Furchenhäschen

Zitat von: Karl Gustav II in 07. Juni 2017, 17:14:10
Servus Daniel,

das mit dem Rohmaterial ist bei makroskopischer Beurteilung und an Hand eines Fotos natürlich ein bisschen unsicher. Aber auf Grund des transluzenten Charakters, der relativ vielen weißen Einschlüsse und der leicht bräunlichen Farbe tendiere ich sehr stark in Richtung Kreidefeuerstein (lass mich aber natürlich immer auch eines besseren belehren!).

Was den Sichelglanz angeht kommt es natürlich darauf an, wie und vor allem an welcher Position ein Stück in der Sichel geschäftet war. Aber nur weil meine Einschätzung in Richtung Alt- oder Mittelneolithikum geht, muss das ja nicht heißen, dass die Trapeze nicht trotzdem als Pfeileinsätze gedient haben.

Grüße,
Benni
Hallo Benni,
die Materialfrage ist gerade was die Hornsteine aus Bayern anbelangt sehr umfangreich und gestaltet sich ob der Vielfalt etwas schwierig.
Ich habe ein sehr ähnliches Stück bzw. mittlerweile schon Einiges aus ähnlichem Material gefunden
und die Stücke dann mit Rieder Charly besprochen. Auch eine Materialansprach ausschliesslich auf Fotos basierend ist sehr vage.
Weshalb immer in die Ferne schweifen auch das von Daniel gezeigte Artefakt lässt sich durchaus im Jura in bestimmten Gegenden auflesen.

@Daniel
unisono gilt dasselbe m.E. auch für diesen Beitrag!
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,72290.msg450475.html#msg450475
Grüße
Peter :winke:

Karl Gustav II

Hallo Peter,

da hast du natürlich absolut recht! Die Vielfalt des Jurahornsteins lässt sich fast nicht überschätzen. Ich überarbeite gerade die Lithothek der Uni Erlangen und da gibt es unter den Jurahornsteinen kaum was, was es nicht gibt  :staun:
Vielleicht kannst du bei Gelegenheit ja mal ein paar Fotos des von dir besagten Material hier rein stellen oder, falls schon geschehen, die Fotos verlinken. Würde mich wirklich sehr interessieren.

Viele Grüße,
Benni

Furchenhäschen

#9
Hallo,
nach 2,5 Std. Suche bin ich doch noch fündig geworden,
ja und auch das ist ein Jurahornstein der farblich wohl an Daniels Artefakt heranreicht. (wie gesagt sind auch nur Fotos die die Farbe etwas verändern konnten.)
Gruß
Peter  :winke:

Furchenhäschen

anbei off topic noch ein paar Extreme,
ebenfalls Jurahornstein und ich denke man könnte auf dem Gebiet der Jurahornsteinvarietäten ganze Seiten füllen.
Auch über diese Hornsteinvarietäten liesse sich trefflich diskutieren, sind jedoch zweifelsfrei Jurahornsteine.
Nur so nebenbei auf die Schnelle gefundene Fotos aus meiner Sammlung:

Grüße
Peter :winke:


Karl Gustav II

Hallo Peter,

vielen Dank für die schönen Bilder! Beim zuerst gezeigten Stück hätte ich spontan tatsächlich baltischer (oder vielleicht auch norditalienischer) Kreidefeuerstein gesagt. Was macht dich sicher, dass es Jurahornstein ist?

Das letzte Bild ist hingegen denke ich eindeutig Jurahornstein, da bin ich bei dir.

Liebe Grüße,
Benni

Furchenhäschen

Zitat von: Karl Gustav II in 08. Juni 2017, 09:25:53
Hallo Peter,

vielen Dank für die schönen Bilder! Beim zuerst gezeigten Stück hätte ich spontan tatsächlich baltischer (oder vielleicht auch norditalienischer) Kreidefeuerstein gesagt. Was macht dich sicher, dass es Jurahornstein ist?

Das letzte Bild ist hingegen denke ich eindeutig Jurahornstein, da bin ich bei dir.

Liebe Grüße,
Benni
Hallo Benni,
der Rieder kennt das Material,
ich dachte Anfangs auch an etwas Importiertes habe aber mittlerweile regional begrenzt einige Stücke gefunden.

Gruß
Peter

RockandRole

Hallo aus der ewigen Stadt  :winke:

Das mit den Pfeileinsätzen ist eine interessante Information. Dazu muss ich mir aber noch den Artikel durchlesen wenn ich dazu komme.
Danke Peter für dein treffendes Beispiel.

Ich melde mich nochmal wenn ich Zeit habe.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

Servusle,

so, jetzt bin ich mit den für diesen Beitrag wichtigen Teilen durch und ich kann ihn zu diesem Thema nur empfehlen.
Zu den Punkten die Benni schon genannt hat, kann ich noch dazusagen dass es unerheblich ist, welches Material bei dem 2. vorliegt (obwohl die Frage zweifellos interessant ist) Die Ausführung der Retusche lässt bei uns nur ein Neolithikum zu.
Wo wir bei dem 1. Stück wären. Taute gibt für frühneolithische Trapeze an, sie wären aus regelmäßigen Klingen und hätten einen Winkel von beiden Schenkeln zwischen 20 und 50 Grad. Bei späneolithischen sind sie aus unregelmäßigen und viel stunpferen Winkeln.
Wo man meiner Anfangsvermutung bei Stück 1 wie schon bereits gesagt nur noch die Bandkeramik hinzufügen kann.
Könnten wir jetzt nordischen Feuerstein ganz klar einloggen, wäre die Frage nach der Zeltstellung geklärt. Können wir (ich) ja aber nicht.
Bleibt abzuwarten was eine direkte Ansicht von dem Stück herausbringt.

Das war jetzt zwar nicht viel neues, aber nun habe ich meinen Beitrag voll und ganz verstanden.

Gibt es denn ein gutes öffentliches PDF über das Spätmesolithikum?

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

#15
Hoffentlich funktioniert der link:


http://www.google.de/search?client=safari&rls=en&q=Die+Silexartefakte+des+mesolithischen+Oberflächenfundplatzes+von++Germering-Nebel,+Lkr.+Fürstenfeldbruck.&ie=UTF-8&oe=UTF-8&gfe_rd=cr&ei=yoQ9WYysAuLG8AeZ7riIAg



Oder gib den Titel: Die Silexartefakte des mesolithischen Oberflächenfundplatzes von  Germering-Nebel, Lkr. Fürstenfeldbruck.

ein, Auszug aus einer Masterarbeit ......


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.


RockandRole

Hallo ihr beiden,

danke für eure Literaturtips. Das kleine PDF habe ich mir schon einverleibt. Da geht es viel über Klingenanteile der regelmäßigen Grundformen an ´reinen´ Fundstellen. Eine Leitform des Spätmesolithkums scheint die Trapezspitze aus regelmäßiger Klinge zu sein. Super finde ich, dass hier sogar eine Sonderfom mit gebrocher Basis gezeigt wird. Man sollte sich auffällige Formen genauer anschauen, ob es vielleicht Gebrauchsspuren gibt.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen