Strandfund Fehmarn

Begonnen von Pipin, 20. November 2015, 23:47:31

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Pipin

Moin moin,

manchmal findet man am Strand noch ganz schöne Stücke.

Grüße aus dem Norden

queque

Ein ordentliches Trumm ...

Aber was ist das?

Im Norden ahnungslos

Bastl

StoneMan

Moin,

das ist ein dicker, derber Abschlag von einer großen Knolle.
Da er keine Cortex aufweist, sind zuvor und/oder nachher, mindestens drei bis vier
Abschläge erfolgt mit der die Cortex abgeschält wurde.

Die anderen kleineren Retuschen/Beschädigungen  kann man m. E. nicht konkret Beurteilen.

Es ist also eine Grundform.
Endprodukt können sein: Große schaber/-kratzerartige oder schneidende Werkzeuge.

Derart große Abschläge kommen im Norden/Fehmarn häufiger auf den Äckern vor,
sodass ich stark annehme, dass es kein Strandgeröll-Produkt ist.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

queque

Wie würdet ihr sowas zeitlich einordnen? Bei uns tauchen gelegentlich solche großen retuschieren Teile auf, die man auch "fan Schäfer", also "Fächer-Kratzer", nennt und die metallzeitlich eingeordnet werden.
LG Bastl

StoneMan

Moin,

@ Bastl, da kann ich nur für mich sprechen.
Alle meine "Lesefunde" von Fehmarn wurden vom Amt (bisher) ins Neolithikum gestellt.
Vielleicht ist es bei Lesefunden eben nicht einfach es seriös genauer zu machen (?).

Fein/- Flächenretuschierte Artefakte kann man dann schon ins Spätneolithikum/Frühe Bronzezeit/Bronzezeit stellen.

Aber solche groben Grundformen/Vorarbeiten...  :nixweiss:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

queque

Danke für die Information, Jürgen. Das sollte übrigens Fan-Scraper heißen.
LG
Bastl

thovalo




Genau fan scraper!

Das sind Kratzer mit breiter gerundeter Stirn, damit hat das Artefakt Oben nichts zu tun!


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

queque

Zitat von: thovalo in 21. November 2015, 18:15:06


Genau fan scraper!

Das sind Kratzer mit breiter gerundeter Stirn, damit hat das Artefakt Oben nichts zu tun!


lG Thomas   :winke:

Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Klar, ist das kein Kratzer. Ich bezog mich auf die Dimension.

Gruß
Bastl

Pipin

#8
Moin Bastl,

wie schon Jürgen treffen anspricht handelt es sich um einen Abschlag in Größe einer Handfläche. Dieses Artefakt ist stark durch Salzwasser patiniert und zeigt die typische Färbung. Im vorderen rechten Bereich auf der Dorsalseite ist durch kleinere Abschläge eine Arbeitskannte geschlagen worden. An der hinteren, Ventralseite sieht man 2 Abschlagsnegative die wohl zur besseren Handhabung geschlagen wurden.

Für mich handelt es sich um einen Spitzschaber, der nachgeschärft wurde. Eine zeitliche Einordnung kann ich nicht geben.

Gruß Christian

Pipin

Hier noch eine grafische Veranschaulichung dazu

thovalo



Nachdem was ich sehen kann erkenne ich bislang nichts sicher ansprechbares artefaktisches!   :glotz:


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin,

@ Thomas, watt will you more  :-D

Zitat von: StoneMan in 21. November 2015, 11:17:48
...
das ist ein dicker, derber Abschlag von einer großen Knolle.
Da er keine Cortex aufweist, sind zuvor und/oder nachher, mindestens drei bis vier
Abschläge erfolgt mit der die Cortex abgeschält wurde.

Die anderen kleineren Retuschen/Beschädigungen kann man m. E. nicht konkret Beurteilen.

Es ist also eine Grundform.
Endprodukt können sein: Große schaber/-kratzerartige oder schneidende Werkzeuge.

Derart große Abschläge kommen im Norden/Fehmarn häufiger auf den Äckern vor,
sodass ich stark annehme, dass es kein Strandgeröll-Produkt ist.



Vielleicht kann Christian noch eine Schlagfläche/Schlagflächenrest aufweisen?  :glotz:

:winke: Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo



Am Strand und im Sand ist so viel Dynamik, da entsteht schnell etwas, wie au beim Gletscherschieben.
Es gibt ein legendäres Experiment (zu dem ich leider keinen Literaturverweis habe) in dem Flint in einen
Betonmischer geladen wurde. Heraus kamen Artefakte .......
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Ich hab dieses Jahr auch oft am Strand gesessen, und mir Flintknollen auf transportfähige Größe(Vorprodukte) geschlagen. Da liegen jetzt wieder hunderte Abschläge... und ich hab Leute gesehen, die Flintbeile herstellten oder das gleiche taten wie ich. Strandfunde sind so eine Sache.... Die Patinierung spricht zwar dagegen :glotz:, ich weis aber nicht, wie schnell das unter Meerwassereinfluss und Wellen passiert. Gruss!

StoneMan

Moin Thomas,

ok - Strandfunde muss man kritisch betrachten - keine Frage.
Ich will auf meine Meinung auch nicht pochen.

Dieses legendäre Experiment wird immer wieder angeführt.
Dass bei so einer geballten Ladung im Betonmischer artefaktartige Steine herauskommen,
denke ich, wird wohl so sein.

In den vergangenen 30 Jahren habe ich auf Schotterwegen tatsächlich zwei (2) Teile
aufgehoben, die ein ähnliches Aussehen hatten wie ein Bohrer und etwas Keilartiges,
Beides waren für mich ohne Zweifel KEINE Artefakte.

Ich habe von diesen groben Abschlägen auf Fehmarns Äckern einige gefunden. Bei der Betrachtung/Bestimmung,
habe ich John Dere immer im Hinterkopf.
Wenn wiederholt Knollenabschläge mit wiederholt ähnlichen Abschlägen auftauchen,
dann denke ich, nein, John Dere ist es nicht immer.

Und ich spreche nicht von der Vielzahl frischer, scharfkantiger Trümmerstücke...

Noch einmal - ich beharre nicht auf meine Meinung.

Gruß und sonnigen Sontag noch.

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo



Es ist ja immer auch ein Stück lokal geprägter Erfahrung die mir hier natürlich, fern des Fundortes, fehlt. Ich erinnere mich gut an den letzen Ausflug an die Maas. Da kam ich mit dem Überangebot scheinbarer Artefakte auf den Feldern gar nicht parat wogegen ich hier auf den Äckern fast schon "blind" erkenne ob eine Menschenhand an der Formung mit beteiligt gewesen ist oder nicht. Hier irritieren mich eher die Stücke die NICHT von Menschenhand zerlegt worden sind. Das sind dann mögliche vorgehaltene "Rohgesteinstücke" .... mögliche!

Ihr kennt Euch regional deutlich besser aus und wenn sich ein Schema deutlich wiederholt ist das ein gutes Argument für eine mögliche artifizielle Provinienz!


lG und die Sonne vermiest mir heute den Begehungsspaß  :smoke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Liebe Sucher,

Ein wirklich interessanter Fund,
das Vorgestellte Stück würde ich gerne selber mal in den Händen halten um mir ein genaueres Bild zu machen.
Meiner Meinung nach sind Funde aus dem Norden in ihrer
Formenvielfalt schwer zu fassen.
In dem Beitrag von Pipin "Bitte um Bestimmungshilfe" sehe ich z.B. ein typisch nordisches Artefakt. Ob es Bestimmbar ist weiss ich nicht, aber es ist da.
Ich denke der Norden ist noch für manche Überraschung und Diskussion gut.

LG Fischkopp
 

Pipin

Hallo  :winke: und danke für so viel Diskussion :super:

Ich finde es immer klasse wenn verschiedene Meinungen offen konstruktiv diskutiert werden. Ich habe mir jetzt echt Mühe gegeben und gezeichnet ....  :schaem: ich bin wirklich kein Zeichenkünstler aber ich sehe immer, das auf Zeichnungen manchmal mehr zu erkennen ist als auf Fotos.

:winke:


Steinkopf

Hallo Pipin,

Deine Zeichnung lässt den Eindruck der Fotos noch deutlicher werden.

Ich sehe es so, wie Jürgen es eingangs schon beschrieb:

"das ist ein dicker, derber Abschlag von einer großen Knolle....
Die anderen kleineren Retuschen/Beschädigungen kann man m. E. nicht konkret Beurteilen."

Wo der Feuerstein reichlich vorhanden war, konnte auch großzügig damit gearbeitet werden.

Strand und Küste als große Wanderbaustellen kehren es wieder an die Oberfläche.

LG

Jan

Pipin

Hallo Jan,
das möchte ich gerne so bestätigen. Warum ich hier mehr als nur einen Abschlag erkenne werde ich gerne erklären.

1. Wir haben hier in meinen Augen klar und deutlich einen Abschlag vorliegen ( Thomas überzeuge ich auch noch  :zwinker: )
2. Wie schon grafisch dargestellt wurde dieser Abschlag ventral nachgearbeitet ( siehe Bild mit 2 grünen Pfeilen )
3. Die schon recht stark patinierten Retuschen an der rechten oberen Arbeitskannte.  Nur da sind diese Retuschen und auch nur da machen Sie Sinn, wenn dieses Stück mehr als ein Abschlag ist.
4. Die linke Lateralpartie in der unteren Hälfte weist dorsal grobe Zurichtungsschläge auf. Hier sind dorsal keine Retuschen vorhanden. Die "strandfundtypischen" Verrundungen sind hier deutlich sichtbar.

Diese einzelnen Punkte Zusammengefügt ergibt sich mir ein klares Bild von einem handflächengroßen spitzen Schaber. Gehalten in der linken Hand. Dazu passt Punkt 2, 3 und 4 ganz perfekt und alles zusammen ergibt Sinn. Für mich sind diese Spuren in Ihrer Gesamtheit kein Zufallsprodukt.

Könnt ihr mir da folgen oder habe ich eine rosarote Brille auf ?

Zum Thema Funde am Strand:

Alles was du auf Fehmarn am Strand findest lag irgendwann mal auf eimen Feld. Nur im Norden und Nordwesten der Insel findet eher eine Ablagerung von Sedimenten anstelle eines kontinuierlichen Landabbaus statt. Des Weiteren sind die Strände des Neolithikum oder Mesolithikum tiefer und weiter vom heutigen Küstenverlauf im Wasser gelegen. Grobe Abschläge als Produkt der Gewinnung von qualitativ hochwertigen Kernen sind also gar nicht in diesem Kontext auf der heutigen Höhenlinie zu erwarten. Sie liegen heute einige Meter unter Wasser und demzufolge auf einer ganz anderen Höhenlinien. 

Abschläge mit scharfen Kannten ohne Absplitterungen an den Lateralen sind fast unmöglich zu finden.  Es sei denn, die Novemberstürme haben einen Teil des Landes ausgewaschen. Diese Stücke findet man dann aber auch direkt an der Abbruchkannte.
Rezente "frisch" geschlagenen Stücke ( ich kann hier nur von mir sprechen ) fallen dir optisch sofort auf und machen dich auch gleich stutzig. Viel zu scharf, viel zu frisch, keine Patina... und meist liegen dann plötzlich 2-10 Abschläge in einem Radius von 5 Metern rum.

In meinen Augen kann eine Verwechslung von "rezenten" Abschlägen und Artefakten bei Strandfunden mit etwas Ahnung und geschultem Blick kaum vorkommen. Natürlich wird es immer Ausnahmen geben. Dies wird auch bei Oberflächenfunden auf Äckern nie auszuschließen sein.

Gruß Christian

Steinkopf

#20
Hallo Christian,

Du hast Dich ja wohl mit der Landschaftsentwicklung von Fehmarn beschäftigt,
wie man zu Deiner Replik: 'Zum Thema Funde am Strand' lesen kann.

Das finde ich wichtig und spannend. Besonders im Ostseeraum ist es interessant
zu wissen, wo die Funde ursprünglich ihren Platz in der (Paläo-)Landschaft hatten
und wie Landhebung/Landsenkung und/oder Meeresspiegel-Veränderung diese
Lage verändert hat. Manchmal lässt sich diese Geschichte aus der Patina von Artefakten herauslesen.

Die modernen Flintknapper sehe ich als Teil der Umweltbewegung: sie engagieren sich für die Nachhaltigkeit.

Die Kräfte der Wanderbaustelle Küste sind immer wieder für Überraschungen gut:

Zwar nicht auf Fehmarn, aber an einer Küste weiter nördlich, lag dieses Nacken-Bruchstück eines Kernbeils.
Es hatte einem Blasentang als Unterlage zur Anhaftung gedient. Irgendwann war dann der Tang so groß,
dass Wellenschlag und Strömung dieses Ensemble an den dort recht flachen Strand transportierten.

Schöne Grüße

Jan






Pipin

Hallo Jan,

ein schöner Fund. Sehr ähnliche Fundstücke frühmenschlicher Zivilisation mit matter grau/schwarzer Patina sind auf Fehmarn auch an bestimmten Küstenbabschnitten zu finden. Sie stammen dort von Fundarealen die heutzutage unter dem Meeresspiegel liegen und werden durch Stürme an den Strand gespült. Bei Flügge ist so ein Platz und auch an der Fehmarn Sundbrücke. Da liegt noch einiges im Wasser.
Achtung! Hier kann es lebensgefährlich starke Strömungen geben auch bei schönstem Sonnenschein und absoluter Windstille.