Ein "ausgesplittertes Stück" aus dem Fragment einer Silexbeilklinge

Begonnen von thovalo, 15. Oktober 2017, 17:29:08

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

thovalo



Hallo zusammen!  :winke:



Gestern kam im Nahbereich zur gleichfalls hier vorgestellten Pfeilspitze

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,73056.0.html

als eine Besonderheit ein "ausgesplittertes Stück" aus dem Fragment einer Silexbeilklinge zutage.



Der Silex der Niederländischen Varietät Simpelveld ist im dort bestehenden Bodenmilieu leicht patiniert. Es handelt sich um das Teilstück einer kleinformatigen Feuersteinbeilklinge mit facettiert zugeschliffenen Langseiten. Die Beilklinge war wohl, wie so oft hier auf dem Fundgelände, alt gebrochen, wurde als Rohgesteinstück aufbewahrt und ist dann sekundär in der Funktion als "ausgesplittertes Stück" weiter verwendet worden.

Der Kantenverlauf im Bereich der Bruchfacette ist von den Schlägen deutlich zerrüttet. Die Gegenseite mit dem Funktionsende ist, wie die Bezeichnung dieser Gebrauchsform schon andeutet: ausgesplittert.

Der Gebrauch des Simpelfeldfeuerstein und die Nutzung vieler "ausgesplitterter Stücke" gilt hier wie in den Niederlanden und auch allgemein am Niederrhein charakteristisch für die Zeit des späten Neolithikums.

Aus diesem Kulturhorizont sollte der Fundbeleg stammen. Der Fundplatz gehört zu einer der ersten am Niederrhein erkannten komplexer strukturierten Siedlungen dieser Zeitstellung. "Ausgesplitterte Stücke" wie die opportunistische Nutzung von Feuerstein gehören zu den charakteristischen Merkmalen dieses Kulturhorizontes.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Hallo Thomas,

interessanter Fundbeleg, der mal wieder zeigt, dass in den Gegenden, in denen man auf Feuersteinimport angewiesen war, das wertvolle Material bis zum letzten Rest aufgebraucht wurde. Das Ende einer vielleicht ehemals imposanten Beilklinge.

LG Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

RockandRole

Servus Großer,

das ist ja eine tolle Zweitverwendung. Mit ganz viel Glück finde ich hier vielleicht gerade noch so mein 2. Fragment eines geschliffenen Silexwerkzeuges. Ein Werkzeug daraus zu finden=unmöglich.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

Zitat von: RockandRole in 22. Oktober 2017, 09:14:28
Servus Großer,

das ist ja eine tolle Zweitverwendung. Mit ganz viel Glück finde ich hier vielleicht gerade noch so mein 2. Fragment eines geschliffenen Silexwerkzeuges. Ein Werkzeug daraus zu finden=unmöglich.

Liebe Grüße Daniel


Wart´s ab!

Kommt noch ......  :winke:


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#4
Zitat von: Danske in 20. Oktober 2017, 23:48:33
Hallo Thomas,

interessanter Fundbeleg, der mal wieder zeigt, dass in den Gegenden, in denen man auf Feuersteinimport angewiesen war, das wertvolle Material bis zum letzten Rest aufgebraucht wurde. Das Ende einer vielleicht ehemals imposanten Beilklinge.

LG Holger


Genau das ist der Hintergrund, aber ...... rechts oder links des Niederrheins gibt es nirgendwo einen auch nur annähernd vergleichbaren Platz an den dermassen umfangreiche Mengen an Feuerstein ausgetauscht worden sind. Die Beilklingen aus Feuerstein oder ihre Bruchstücke sind hier zusätzlich (!) in einer Art zentraler Verwertungsstelle zu Hunderten gesammelt worden um das Rohmaterial weiter zu verwerten. Das repräsentiert viel eher materiellen "Reichtum" und ein sehr kluges wirtschaftliches Handeln. Es muss auch noch andere Rahmenbedingungen gegeben haben um eine solche wirtschaftliche Vormachtstellung aufbauen und so lange halten zu können.

Nicht einmal einer der aufwändig ergrabenen neolithischen Orte im intensiv erforschten linksrheinischen Braunkohlerevier hat auch nur ansatzweise einen solch hohen Anteil an Belegen von Silexbeilklingen aus Feuersteinlagerstätten aus allen Himmelsrichtungen erbracht.

Die Hintergründe sind singulär und gehen auf die Funktion des Ortes als überregionaler Zentralort für den Güteraustausch in der Zeit ab dem ausgehenden 5. Jahrtausend v. Chr. bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurück.

Das Fundaufkommen von hoch qualitätsvollen großformatigen Silexbelegen vom Rijckholttyp ist dermassen hoch, dass die Menschen hier einen recht unmittelbaren Zugang zu dieser bedeutenden Rohmaterialquelle ohne kleinteiligen störenden Zwischenhandel gehabt haben werden.


Nicht ganz unwahrscheinliche gehen die Fundbelege hunderter Pfeilspitze und Pfeilschneiden nicht nur auf eine intensive Jagd sondern auch auf konfliktreiche Auseinandersetzungen um die Beherrschung dieses Ortes zurück.


Aufgrund der enromen Fundmengen finden sich auch sonst eher selten und nur vereinzelt zu erfassende Besonderheiten im Fundaufkommen.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.