Stein-UFO - zweiter Versuch

Begonnen von StoneMan, 11. Mai 2017, 13:37:19

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StoneMan

Moin,

2010 hatte ich diesen  Fundbeleg in einem anderen Forum vorgestellt.

Die uneinheitlichen Meinungen lauteten derzeit, "Scheibenbeil?", "Kernbeil?", "Geofakt!".

Ich selber war damals sehr unsicher. An ein Geofakt habe ich nicht geglaubt. Dennoch hatte ich es
aufgrund der damaligen Aussagen erst einmal in meiner Kiste versenkt.
Von Zeit zu Zeit betrachtete ich es  – in diesem Jahr holte ich es aus der Kiste hervor...

Maße 90 x 37 x 24 mm, Gewicht 79 g
Fundort: Schleswig-Holstein (Festland, 2 km vor der Hohwachter Bucht / Ostsee)
Beifunde von diesem Fundplatz, hier >Klick< und hier >Klick<

Zwischenzeitlich konnte ich es nun einem Archäologen vorlegen. Er wird in Fachkreisen
für sein Gebiet als Steinzeit-Koryphäe anerkannt.

Wenn ihr wollt, könnt ihr noch ein zwei Tage eure eigene Einschätzungen prüfen - diese posten oder nicht,
danach schreibe ich den Kommentar des Archäologen.
Abba denn kummt mir keener an und sächt, "...hätte ich och jesagt"   :zwinker:

Es soll also kein "Vorführen" sein, denn ich sage ja vorab, dass ich eine fachliche Beurteilung habe.

Traut euch einfach - ist wirklich lehrreich, wie ich finde.

Gruß

Jürgen

PS ich habe die derzeitigen Bilder für die Ansichten und Details genommen.
Nur das dritte Bild ist neueren Datums, es gibt die Farbe ~ besser wieder.
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

neolithi

Dann fange ich mal an. Ich ignoriere deine Hinweise, die auf eine Überraschung hindeuten und sage:


mesolithisches Kernbeil, evtl. später von einem Neolithiker etwas bearbeitet (die helleren Retuschen ohne die alte Patina), um damit zu schaben oder kratzen.

Herzliche Grüße
neolithi

Neos

Moin, Jürgen,

ich kann sehr gut nachvollziehen, dass du bei diesem Stück hin- und hergerissen bist. Mir geht es da nicht anders. Warum das so ist, versuche ich mal in Stichworten wiederzugeben.

Pro Artefakt - und ich denke dabei an ein Scheibenbeil - sprechen für mich diese Argumente:


  • passende Form und Größe
  • (vermeintlicher) Schäftungsglanz
  • (vermeintlicher) Schneidenschlag vorhanden

Pro Geofakt sprechen aus meiner Sicht:


  • die vermeintlichen Retuschen sind zu unregelmäßig als dass sie intentionell sein könnten
  • der vermeintliche Schäftungsglanz könnte genau so gut Windschliff sein
  • die vermeintliche Schneide erscheint mir zu stumpf bzw. bestoßen

Müsste ich mich entscheiden, würde ich eher zu einem Geofakt tendieren. Auf alle Fälle bin ich schon sehr gespannt auf die Auflösung und danke dir sehr herzlich für diesen Post! Feine Sache!  :super:

Beste Grüße

Neos

thovalo



  :winke:

Das ist eine ferne Gegend für mich. Ich kann mir vorstellen, das dies ein beilartiges Gerät oder eine Vorarbeit dazu gewesen sein kann.
Doch selbst reguläre nordische Artefakte erkenne ich nicht immer, insbeseondere wenn sie den Alltag abbilden und nicht ideale Zustände.

Ich bin mal auf die am Original archäologisch begutachende Auflösung der Frage gespannt.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Ein Feuerschläger, mehr nich. Gruss..

psearch

In meiner Fundgegend wäre ein solches Stück aus baltischen Feuerstein definitiv ein Artefakt.  Bei einem lokalen Rohmaterial würde ich es eher als Geofakt einstufen, hier hat der Pflug schon die wildesten Sachen produziert. Bin auf die Lösung gespannt  :-D


StoneMan

Moin,

herzlichen Dank für eure zahlreichen teils sehr ausführlichen Kommentare.

Alle von euch geäußerten Meinungen sind für mich nachvollziehbar.

Lassen wir noch einigen die Chance, morgen werde ich dann die Katze aus dem Sack lassen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

Ich weiß, was das ist, aber ich sag's nicht!  :smoke:

Danske

Moin Jürgen,

auf den ersten Blick würde ich es als Kernbeil mit rhombischem Querschnitt oder als Vorarbeit für ein zweiseitiges Spitznackenbeil bezeichnen. Aber damit liege ich sicherlich falsch.

Gruß
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Merle2

Hallo Jürgen,

ist es ein überdimensionaler Dreschschlitteneinsatz, oder so was in die Richtung?
Viele Grüße, bin gespannt was es ist....
Marc

psearch

Hoffentlich kein 'Cattle killing stone' wie aus flintsource.net  :narr: :narr: :narr:

StoneMan

Moin,

dass ihr hier "mitgemacht" habt, finde ich super.  :super:
Da lässt sich nicht jeder drauf ein wenn eine Bestimmung von archäologischer Seite vorliegt.

Ich gehe nicht auf eure einzelnen Kommentare ein, denn es war und ist nicht meine Absicht gewesen
diese Kommentare zu bewerten.

Darauf kam es mir an.
Eure unterschiedlichen Ausführungen zeigen meiner Meinung sehr deutlich, wie schwierig die Bestimmung
per Fotos, bei so  ~ untypischen, beschädigten oder  verbrauchten Artefakten, sein kann.

Es ist eine Crux – mit den Merkmalen und den Alltagsgeräten als solche.
Ich will mich nicht wiederholen, daher nur ein > Link < zu dem Thema, in dem ich Frau Dr. Birgit Gehlen zitierte.


Hier also der Kommentar vom März 2017, anlässlich einer Tagung in Wuppertal.

Die Äußerung erfolgte aufgrund Inaugenscheinnahme durch besagten Archäologen:  
"Oh - schönes Kernbeil... [...] lediglich eine beschädigte/verbrauchte Schneide, aber eindeutig ein Kernbeil".

Soweit erst einmal.

Noch einmal Danke  an alle.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

psearch

Danke für die Auflösung  :danke:  Es ist tatsächlich Zeit artefaktmorphologisch etwas dynamischer zu denken. Je nach Erfahrung des Steinbearbeiters kann das Endergebnis sehr variabel ausfallen   :-D

Danske

Zitat von: psearch in 14. Mai 2017, 20:35:52
Danke für die Auflösung  :danke:  Es ist tatsächlich Zeit artefaktmorphologisch etwas dynamischer zu denken. Je nach Erfahrung des Steinbearbeiters kann das Endergebnis sehr variabel ausfallen   :-D

... und, wir dürfen uns nicht nur auf die gezeigten Bilder verlassen, wie uns die verschiedenen Meinungen zu dem gezeigten Artefakt zeigen. Hätten alle das Stück in den Händen gehalten, wäre die Abstimmung eindeutiger zugunsten des Kernbeils ausgefallen.

Jürgen, danke für die Demonstration.

Gruß
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

palaeo1

#14
Zitat von: psearch
Je nach Erfahrung des Steinbearbeiters kann das Endergebnis sehr variabel ausfallen
Ich denke, dass da regional meist weniger die technischen Fähigkeiten zum Tragen kommen, als die Rohmaterialverfügbarkeit. Hier zwei Beispiele aus dem nördlichen niedersächsischen Tiefland. Gutes Rohmaterial musste eingehandelt werden. Das örtliche sieht so aus: Zwei endmesolithische/neolithische Beile. In einem Fall aus einer Frostscherbe gefertigt, im anderen Fall aus einer kleinen Flintknolle. Die Stücke sind 6 bzw. 7 cm groß. Sie wurden auf das nötigste beschränkt zur Schäftung zugerichtet und erhielten als entscheidendes Kriterium einen Schneidenschliff. Somit liegt in beiden Fällen eigentlich nur die Funktionsform "Beil" vor.

Gruß
palaeo1

Neos

Moin, Jürgen,

das war eine spannende und coole Idee von dir und sehr lehrreich, wie ich finde. Dank dir vielmals dafür!  :daumen:

Viele Grüße

Neos

psearch

Ja paleo1 auch das spielt eine Rolle.  Je besser das Rohmaterial und desto mehr davon vorhanden, desto gezielter konnte produziert werden und Unpassendes schneller entsorgt werden.