Schaber?!

Begonnen von diddl77, 29. Juni 2005, 13:30:16

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diddl77

Hi, das in der Mitte wird wohl ein Schaber sein. Kann gerade leider nicht einzelnd reinstellen da Scanner woanders. Weiss einer wie alt? Rückseite sieht genauso aus, überall gleichmässige Abschläge...

CptAhab

Also rechts definitv Schaber.

Mittig zieht´s mich eher zu einem Bohrer hin.

Links......Seeigel?
The world is full of crashing bores. - Mozer

Rambo

Das mittler Stück ist auf jeden Fall ein Schaber (für eine Klinge, ist mir die Schneide zu dick)  :idee:Alter?? Neolithikum
Links ist übrigens ein Seeigel. Solche Seeigel findet man recht häufig in Feuersteinknollen
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

Offa

Hallo diddl77,
das schöne Teil in der Mitte ist eine sog. Sichel aus dem Neolithikum.
Grüße
Offa

CptAhab

Klinge, Schaber, Bohrer und jetzt Sichel.  :heul:

Die war wohl für den Extrakleinen-Druiden, der die Halme einzeln kappte.  :nono:

The world is full of crashing bores. - Mozer

Offa

wie die Steinis das Teil in der Praxis verwendet haben,weiß ich auch nicht recht,aber das solche Teile zum schneiden
von Gräsern und Getreide benutzt wurden,ist erwiesen.Nach sehr häufigen Gebrauch haben die Sicheln meist eine glänzende Oberfläche,den sogenannten Sichelglanz.
hier mal ein interessanter Link:http://www.hf.uio.no/iakk/roger/lithic/sickle.html#anchor818280
:winke:
Offa

fatzke

Hallo!
Ich lauf schon lang übern Acker, so eine Sichel konnte ich bisher nicht finden (und hier hats Silex in größeren Mengen). Glückwunsch!!!

CptAhab

Sichel...no Chance
Diese wurde aus einzelnen Teilen in halbrundem Holz geschäftet.
Wie wär´s mit dem Link: http://www.mgl-obermaingeschichte.de/Beilage1992/Text/92KapIII2b3.htm
The world is full of crashing bores. - Mozer

fatzke

Verehrter Capitan,
Nicht nur! Es gab in der langen Phase des Neolithikums und der Frühbronzezeit verschiedene Lösungen. Mal abwarten, bis Khamsin über diesen Beitrag stolpert.
Übr., der Link ist gut!

CptAhab

Lieber Fatzke,

mit dem obigen Stück kannst Du warme Butter schneiden. Und, wie gesagt, ne kleine Butter.

Ich bleib beim Bohrer und warte auch was der Wüstenwind sagt.

Krimi on
The world is full of crashing bores. - Mozer

Rambo

#10
Nun ja mit Bohrer kann ich mich nicht so recht anfreunden, Sichel wäre auch möglich
Hier einmal eine Zeichnung von solchen Sicheln
Übrigens die Sicheln wurden mit  mehrere Steine gemacht und die Steine wurden in ein Holz eingelassen. Größe war also kein Kriterium

Gruß Rambo
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schnatzenputz

Hallo,
ich hab auch nochmal die Literatur bemüht:
In der Mitte: Ende der Jungsteinzeit , typisches Halbmondförmiges Messer
                  (diente wirklich als Sichel bei der Getreideernte)
Links: Seeigel

Im übrigen Respekt für den Fund. Wie waren die Fundumstände?
Grüße
Schnatzenputz

diddl77

#12
Hi, danke erstmal an alle für die Informationen :-)
Ich habe dieses Stück nochmal ausgemessen. Länge 8,7cm, grösste Breite 3,1cm. Alle Seiten noch heute sehr scharf und es glänzt noch. Eine Ecke ist sehr spitz die andere wohl absichtlich stumpfer gemacht. Das Stück ist von einem Acker dierekt an einem See. Alte Slawensiedlungen und slawenburgen sowie Funde aus Steinzeitepochen sind dort nicht selten. Das Stück lag in seiner Schönheit (diesmal bestand kein Zweifel-menschlichen Ursprungs) völlig entblösst auf der Oberfläche zum pflücken :-D. Also ich denke Sichel/Messer auf den von Offa angegebenen Link passt :super: . könnt ich mich anfreunden oder? Beim interessanten Link von CptAhab kam ich auf den Gedanken das dieses Stück mit Teer irgenwo aufgepflanzt wurde da es wie gesagt auf allen Seiten sehr scharf ist, sonst hätte man doch eine Region stumpf gelassen?

schnatzenputz

Also...
wenn du ne keinen Freundschaftlichen Weg zu deinem Frischgepflückten Fund bekommst,
adoptiere ich Ihn gern und geb Ihm ein neues zuhause. :zwinker:
Es täte mir leid wenn du Ihn wieder aussetzen würdest. :frech:
Wo doch jetzt die Urlaubszeit beginnt und die Museen überfüllt sind.....! :narr:
Weiterhin viel Glück an der Stelle
Schnatzenputz

Offa

#14
Moin diddl77,
halte das schöne Teil in Ehren,ist ziemlich seltenzu finden.Kenne einige Sammler,aber nur nur einer hat ein vergleichbares Stück in dem Zustand.Kann es sein das du aus meiner Ecke(Lütjenburg)kommst?Fundumstände hören sich danach an.Kannst mich ja mal mitnehmen,du sondelst,und ich sammel die Steinwerkzeuge auf :-D
:winke: Offa

CptAhab

Boah, gibt´s schon Masse. Und vielleicht irgendwann auch andere Ansichten....!?
Nix für ungut
The world is full of crashing bores. - Mozer

CptAhab

The world is full of crashing bores. - Mozer

Offa

hi Ahab,
wie Fatzke in seinem obigen posting schon schrieb,gab es mehrere Formen.
hier hast du noch einen:
http://www.luksch-ausstellungen.de/4-oezi/mod02-jaeger/2sichel,silexbeil.html


:winke:Offa

Tomcat

Ich hätte hier ein Vergleichsstück, liegt im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte;
Beschreibung Dazu:
"Zwei Dolche und Sichel aus Feuerstein, Insel Rügen, späte Steinzeit, ca. 2500-2000 v.Chr."
Life burns!

diddl77

Zitat"Zwei Dolche und Sichel aus Feuerstein, Insel Rügen, späte Steinzeit, ca. 2500-2000 v.Chr."
Das würde mit der Fundregion fast übereinstimmen. :-) Form und Ausarbeitung stimmen auch überein. :super:
Wie gross ist die Sichel rechts auf dem Bild?

Tomcat

Leider stand in der Quelle, einem Museumsführer, keine Angabe zur Größe;
Ich schätze ganz grob Anhand des Stoffes auf 5-10 cm?
Leider kann ich hier nicht mit genau´rer Info dienen!

mfg
Tct
Life burns!

Khamsin

Moin!
Bin tatsächlich gerade gestolpert und jetzt wieder auf den Beinen. Also dann:

Natürlich überhaupt keine Frage, eine "Sichel". Warum die Anführungszeichen? Ganz einfach: 99% aller Archäologen nennen diese Form "Sichel", aber das ist schlicht falsch, und zwar aus zwei Gründen.
1. könnte man das Ding nur dann so nennen, wenn es allein, d.h. ungeschäftet mit der Hand geführt würde. Das war aber nicht so, denn diese Stücke waren alle geschäftet! Dann aber bildet das Stück ja tatsächlich nur den Bestandteil eines sog. Kompositgerätes (zusammengesetzten G.), und folglich dürfte auch nur dieses Kompositgerät als "Sichel" bezeichnet werden. Ein Beispiel, an dem dieses Argument deutlich wird: Die Krafquelle eines Autos heisst Motor, und der ist ein Bestandteil des Kompositobjektes Auto. Analog zur Gepflogenheit der Architerminologie würde ein Motor als Einzelfund dann als "Auto" bezeichnet werden, was natürlich Quatsch ist!
2. Aber selbst, wenn das Stück geschäftet gefunden worden wäre, dürfte man es noch immer nicht als "Sichel" bezeichnen. Denn die Arbeitsbewegung mit einer Sichel ist bekannt: Ein halbrunder Schwung mit dem Arm. Praktische Versuche mit nachgebildeten steinzeitlichen "Sicheln" haben jedoch gezeigt, dass sich auf diese Weise kein Getreide o.ä. schneiden lässt. Das liegt einfach am erheblich grösseren Schneidenwinkel dieser Geräte im Gegensatz zu den gedengelten Schneiden von echten Metallsicheln.

Fazit: Nahezu alle steinzeitlichen vollständig erhalten gefundenen vermeintlichen Sicheln werden von seriösen Archäologen als "Erntemesser" bezeichnet! (Nur für die richtigen freaks: A. Vayson de Pradenne hat in den 1930ern ein steinzeitliches Gerät aus Solferino/I beschrieben, das wg. seiner Form bereits tendenziell eine sichelartige Handhabung zulässt. Dieses Stück folgt der Form, die auch aus dem dynastischen Ägypten bestens bekannt ist; vgl. die wunderschönen Zeichnungen im Grab des Ameni (Amenhotep). Trotzdem war es auch bei diesen Geräten unumgänglich notwendig, die Getreidehalme mit der linken Hand zu bündeln und für den anschliessenden Schnitt straff zu halten!

Im übrigen, und da hat unser Kaptein natürlich nicht ganz Unrecht, gibt es prinzipiell zwei Formen von Erntemessern:
1. solche mit einem Feuersteinstück (gliedert sich weiter in Klingen oder Kernstücke, wie das vorliegende Stück) und 2. solche mit mehreren Feuersteinstücken. Die erlaubten eine theoretisch unbegrenzt lange Schneide zusammenzusetzen. Die mit mehreren Einsätzen datieren vom Altneolithikum bis in die Bronzezeit, das vorliegende Stück ins späteste Neolithikum und die frühe Bronzezeit im Norden.

Jedenfalls ist das ein sehr schöner Fund, der im übrigen noch nicht sehr stark abgenutzt, d.h. nachbeschärft ist. Denn die Schneidenkante ist immer die dem halbrunden Rücken gegenüberliegende. Im Laufe der Zeit wird diese ursprünglich immer gerade Kante Richtung Rücken nachretuschiert, so dass sich schliesslich ein konvex-konkaver Umriss wie ein regelrechter Halbmond ergibt. Diese Stücke waren mit Birkenpech, dem Universalkleber der Steinzeit, in hölzerne Schäfte eingeklebt.
Und last but not least: Die eine Abb. (Zeichnung) von zwei Vergleichsstücken zeigt zwar tendenziell ähnliche Erntemessereinsätze, aber die bestehen mit ziemlicher Sicherheit aus Baiersdorfer Plattenhornstein (im Altmühltal bei Kelheim/Bayern) und datieren ins dortige Jungneolithikum (Altheimer Kultur). Zwischen den norddeutsch-skandinavischen und diesen bayerischen Stücken liegen gut 1000 km.

Beste Grüsse   
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Offa

hi,
habe noch eine andere Interpretation gefunden.In der AiD (Archäologie in Deutschland-Sonderheft 2002) wird das geschäftete Stück als Bogenschaber bezeichnet.Oder ist das wieder was anderes?
Bild dazu hier:http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/Material/Arbeiten-Silex.htm

Rambo

Ich freue mich immer wieder über die Ausführungen von Khamsin  :super:
Noch mehr freue ich mich wenn ein Fachmann wie Khamsin einer ist,  mir als totalen Laien manches mal recht gibt  :jump:
So etwas stärkt mein Selbstwertgefühl enorm. :idee:
Also laß es rollen Khamsin
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
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und das Schlechte still verzeihn

diddl77

Wow, Khamsin, mit respekt verneige ich mich dankbar vor deiner Sachkenntnis! :super: Da bleiben wahrlich keine Fragen offen. Das dieses "Erntemesser" eine so interessante Diskussion anfachen würde hätt ich nicht gedacht. Mein erster Steinzeitfund und dann noch in relativ seltener Erhaltung. Danke an alle die bisher Licht in meine dunkle Steinzeitbirne getragen haben.  :-)

CptAhab

Immer wieder prächtig, Dünenroller.
The world is full of crashing bores. - Mozer

Khamsin

Moin Freunde!
Na klar lassen wir´s wieder rollen! Ihr habt´s doch seinerzeit bei Heimdall öfter mitgekriegt: Gerade die "merkwürdigen", kontrovers diskutierten Funde sind letztlich immer die interessantesten. Und dann macht´s ganz besonders Spass den alten Kopf anzubohren und möglichst viel rausfliessen zu lassen. Aber das geht ja nur, wenn solche Funde vorgelegt werden, wofür bei Heimdall und hier im neuen Forum allen Sammlern herzlicher Dank gebührt. Bin also sehr gespannt, was da noch so auf unseren Mann in Afghanistan, Kaptein, RP und mich so alles zukommen wird...
Beste Grüsse und viel Glück beim Sammeln
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"