Kratzer oder Sicheleinsatz ?

Begonnen von osman.herberger, 26. Februar 2009, 20:24:39

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osman.herberger

Dieses Gerät stammt von einem neolithischen Siedlungsplatz. Mich würde interessieren, ob es wohl als Kratzer oder als Sicheleinsatz gedient hat.
Das Distalende ist retuschiert , allerdings wirken die Retuschen im Vergleich zu anderen Kratzern so breit und großzügig angelegt. Kann mir gar nicht vorstellen, dass man damit vernünftig kratzen konnte.
Die Lateralseiten sind nicht retuschiert und richtig schön scharfkantig. Sichelglanz kann ich nicht erkennen. Falls das Teil einen schneidenden Auftrag hatte, wozu diente dann die Retusche ?

Liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

rolfpeter

Servus Stefan,

ich würde das Stück schon als Kratzer ansprechen. Die kurzen Kerlchen gibt es hier auch häufig auf LBK-Stellen. Manchmal kommt es mir vor, als hätten die aus den Proximalenden von großen Klingen Kratzer gemacht und aus dem Rest Sicheleinsätze. Es gibt natürlich auch Endretuschen an Sicheleinsätzen, die sind aber nicht so schön konvex und abgerundet.
Die Kratzer kommen von ganz steil bis flach retuschiert vor. Ich meine, im Unschärfebereich der Arbeitskante auch Gebrauchsspuren erkennen zu können.
Wäre es ein Erntemessereinsatz, dann wäre die Arbeitskante natürlich lateralseitig.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

osman.herberger

Servus Rolf Peter !
Danke für Deine Hilfe. Ja, diese Gebrauchsspuren an der Arbeitskante gibt es tatsächlich, aber ich dachte, das sind womöglich Schäden moderner Art, durch Pflug, Steine etc. Aber sie ziehen sich unten über die ganze Kante, also werden es doch Kratzergebrauchsspuren sein. Ich hab nochmal ein Foto von der Kante beigefügt.

Was mir grundsätzlich nicht klar ist: Müssen denn bei Erntemessereinsätzen die Arbeitskanten immer retuschiert sein oder reichte da nicht einfach nur die dünne und sehr scharfe Lateralkante zum Schneiden ?
Und welchen Zweck hatten Endretuschen bei Sicheleinsätzen ? Wurden sie für den besseren Halt angelegt ? Fragen über Fragen...

Ein wissbegieriger Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

Silex

Ja , das ist sicherlich ein Kratzer, Stefan.
Sieht genauso aus wie einige meiner endpaläolithischen (gesplitteten) Klingenkratzer von hier- was aber  keinesfalls einen Datierungsversuch bezüglich  Deines Findlings sein soll.
Neolithische Kratzer gibts bei mir quasi nicht und in den südlichen Mittagspausen war mir das Glück auch noch nicht beschieden so einen zu finden.

Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

queque

Zitat von: osman.herberger in 26. Februar 2009, 20:51:58
Was mir grundsätzlich nicht klar ist: Müssen denn bei Erntemessereinsätzen die Arbeitskanten immer retuschiert sein oder reichte da nicht einfach nur die dünne und sehr scharfe Lateralkante zum Schneiden ?
Und welchen Zweck hatten Endretuschen bei Sicheleinsätzen ? Wurden sie für den besseren Halt angelegt ? Fragen über Fragen...

Hallo Stefan,
sicherlich gibt es eine ganze Reihe von Werkzeugen, so bestimmt auch Sicheleinsätze oder Pfeilspitzen (ein Freund hat so eine der michelsberger Art gefunden), die ohne weiteres Bearbeiten oder Retuschieren direkt in Gebrauch genommen wurden. Wenn ein Abschlag die passende Form und Eigenschaften hat, warum dann noch weiter darauf herum kloppen? Ein Kennzeichen von Sicheleinsätzen ist oft der sogenannte Sichel- oder Lackglanz auf der Arbeitskante der Klingen, der durch das Schneiden der Getreidehalme bzw. durch den Abrieb durch die in ihnen enthaltenen Silicat-kristalle entstanden ist. Die Arbeitskante wirkt dann wie poliert und glänzt richtig gehend, vor allem, wenn Du sie gegen das Licht hälst.
Übrigens habe ich mal gehört, dass sehr steile und breite Retuschen bei Kratzerkanten ein Hinweis auf ihre endneolithische Zeitsstellung sein sollen: Je steiler, desto jünger. Aber dazu sollen sich lieber mal die Steinzeitprofis hier äußern.
Zur Frage der Endretuschen bei Sicheleinsätzen kann ich nichts wieter sagen.
Gruß :winke:
Bastl