Rückenretuschierte Klinge mit konvexer Distalretusche

Begonnen von Siebenpapagei, 26. November 2012, 20:27:45

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Siebenpapagei

Hallo Steinzeitfreunde,

diese gut erhaltene Klinge fand ich gestern auf einem neolithischen Siedlungsareal in SH. Hat mich sehr gefreut, dass die noch völlig intakt aus der Erde lukte. Leider kein Fundfoto gemacht, da zu schnell zugegriffen, bevor richtig realisiert.

Die Klinge misst 86 x 23 x 8 mm. Es handelt sich wohl um ein Erntemesser, an der Schneide ist etwas Sichelglanz zu erkennen.
Mehr weiß ich gerade nicht dazu zu sagen.

Viele Grüße

Ralf :winke:

StoneMan

Moin Ralf,

der Bilderbuch-Klassiker einer Klinge mit konvexer "Ententusche".

Glückwunsch dazu  :Danke2:


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

Hallo Ralf,

Das ist ein schönes Fundstück!
Deine Einschätzung als Erntemesser teile ich.
Es entspricht der Nr. 34 in FLINT von PVP.

LG
Jan

queque

Hallo Ralf,

kannst Du bitte mal Detailfotos von den beiden Enden einstellen? Nur um einen Feuerschlagsteinverdacht vielleicht völlig auszuschließen ...

LF
bastl

thovalo

Ja,
in Deinem Fundbeleg sehe ich auch einen sehr gut erhaltener "Messereinsatz" einschließlich klarer Gebrauchsmerkmale!
Die Endretusche deutet darauf hin, dass er längs in einer Handhabe geschäftet gewesen sein kann.
Ein sehr deutlich "sprechender" Fundbeleg zu dem ich Dir nur gratulieren kann.  :super:

glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

#5
Moin,

Messer ja, aber als Erntemesser würde ich die Klinge auch nicht ohne weiteres festlegen wollen.

Diese folgende Zusammenfassung soll uns deutlich machen, dass es mehrere Anwendungsmöglichkeiten gibt,
allein die Form erzählt uns nicht alles.
Den erwähnten Sichelglanz an einer lateralen Kante habe ich nicht überlesen.
Glanz ist nicht gleich Sichelglanz, bei den unten erwähnten Klingen war auch Politur durch die Bearbeitung
von Leder nachgewiesen worden.

An solchen Klingen mit konvexer Endretusche sind auch Terminalenden als Funktionsenden nachgewiesen worden.

Zitat aus:
Offa, Sonderdruck Band 42 - 1985
Zur Funktion der modifizierten Klingen aus Siggeneben-Süd...

Von den 19 Klingen mit konvexen Endretuschen [...]ein drittes patiniertes Stück erlaubt die Aussage,
daß das Terminalende als Funktionsende diente. Diese Feststellung stützen drei weitere Bruchstücke,
mit deren Endretuschen man sauberes Leder geschabt hat [...]
Zitat Ende


In den Fällen, dass die konvexen Terminalenden als Funktionsenden dienten, waren sie dann
als typische Kratzerkappen modifiziert (Offa,  Band 42 - 1985).
Ob das bei der vorliegenden Klinge der Fall ist kann ich nicht erkennen, da muss Ralf einmal genau hinschauen.

Zum anderen wurde an Klingen mit konvexer Endretusche für die Lateralkanten schabende Tätigkeiten
für Leder nachgewiesen, und an anderen (vermutlich) sägende Tätigkeiten an Holz und Knochen/Geweih,
ebenso schneidende Tätigkeiten bei denen Pflanzen geschnitten wurden.

Einige dieser Klingen mit konvexer Endretusche, deren Terminalenden als Funktionsenden dienten,
trugen keine erkennbaren Gebrauchsspuren an den Lateralkanten.
Bei einer Klinge, die eine ähnliche laterale Retusche aufweist wie sie Ralf hier zeigt, war einzig das konvexe
Terminalende Funktionsende, beide lateralen Kanten blieben unbenutzt.

Ich persönlich kann mir vorstellen, dass die laterale Retusche eine Fingerschutzretusche ist, die Klinge ist so groß,
dass man sie unbewehrt mit der Hand nutzen konnte.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Siebenpapagei

Hallo zusammen,

ich denke, dass man nicht mit absoluter Sicherheit sagen kann, ob die Klinge geschäftet war oder nicht. Die Funktion wie sie von Jürgen beschrieben wurde ist auch teils denkbar.

Ich habe mir daher noch mal die Klinge genauer angeschaut :glotz::

Zuerst ist zu sagen, dass es keinerlei Hinweise auf einen Feuerschlagstein gibt, keine Abrundungen.
Mit dem konvexen Ende scheint tatsächlich eine Schabende, bzw. kratzende Tätigkeit ausgeführt worden zu sein, das zeigen feine Ausbrüche.
Bei der lateralen Retusche vermag ich das nicht zu erkennen.

Gegen eine Nutzung ohne Schäftung spricht meiner Meinung nach, die schlanke Form der Klinge. Sie lässt sich sehr schlecht und nur unsicher halten. Zudem geht der feine Schneidenglanz fast komplett vom Distal-bis zum Proximalende durch. Bei einer Führung in der Hand würde aber die proximale Schneidenpartie nicht beansprucht werden, da die Finger dort stören, der Daumen überdeckt ein Drittel der Klinge.


Vorstellen könnte ich mir einen Griff als Verlängerung, in dem die Klinge nach vorne frei geschäftet war und dadurch eine komplette Nutzung der Schneide möglich war.

Gruß
Ralf :winke:

StoneMan

#7
Moin,

Zitat von: Siebenpapagei in 01. Dezember 2012, 10:04:02
...
Vorstellen könnte ich mir einen Griff als Verlängerung, in dem die Klinge nach vorne frei geschäftet war und dadurch eine
komplette Nutzung der Schneide möglich war.
..
@ Ralf,

wenn es so ist, wie Du beschreibst, dass der Schneidenglanz fast komplett über die Lateralkante geht,
liegt eine Schäftung wie Du sie beschreibst nahe, es sei denn... habe da einen Gedanken :kopfkratz:

Wie sieht denn außer dem Glanz an der Schneide diese laterale Kante aus, keinerlei Absplisse oder so?

Ebenso möchte ich noch einmal Dein Augenmerk auf die retuschierte Laterale lenken. Sind diese Retuschen
scharfkantig oder verrundet (mindestens 12-fache Lupe erforderlich - Achtung Fingerfett entfernen).
Ist dort kein Glanz (Glanzpunke) zu erkennen?

.......

Zu dem oben genannten Bericht möchte ich noch eine Ergänzung machen.
Zitat aus:
Offa, Sonderdruck Band 42 - 1985
Zur Funktion der modifizierten Klingen aus Siggeneben-Süd...

[...]Des weiteren fällt auf, daß sich laterale und terminale Benutzungen stets ausschließen.

Zita Ende


Sicher kann man das nicht verallgemeinern, ich wollte es nur erwähnen, weil Du auch am terminalen Ende
Benutzungsmermale vermutest.


Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

Lieber Ralf,
selten sind sie so gut erhalten überliefert, am ehesten noch in Seeufersiedlungen Süddeutschlands und der Schweiz.

Ich kann Dir hier aber auch ein Vergleichsstück vom rechten Niederrhein aus dem jüngeren bis späten Neolithikum zur Seite stellen!


glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.