neolithisches Puppenstubeninventar

Begonnen von chmoellmann, 02. April 2010, 10:11:30

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chmoellmann

Hallo,
ein Feld direkt neben einem Michelsberger Erdwerk brachte unlängst eine Vielzahl an sehr kleinen Klingenstückchen zu Tage. Habe schon überlegt, ob ich eine neue neolithische Zwergenpopulation entdeckt habe (wie auf den Philippinen glaube ich) oder ob es in der Steinzeit schon Puppenstuben gab.
Für das Klingchen oben links habe ich noch ein Bild der Kante beigefügt, das eine Retusche zeigt, aber wohl nur eine Gebrauchsretusche, oder?
Bin mir nicht sicher, ob diese Teilchen schon als Mikrolithik durchgehen. Bin schon drauf und dran, demnächst mit der Lupe über Feld zu kriechen, fürchte aber, dass ich dann eingesperrt werde (vielleicht ja auch zu Recht).
Da ist der Kratzer (Bild 3) schon bei weitem das grösste Fundstück.
Das vierte Bild zeigt einen rätselhaft glänzenden Abschlag (?). Er sieht aus wie lackiert. Und zwar auf der Rückseite (links) deutlich dunkler. Die rezenten Brüche zeigen keinen Glanz, ein alter Bruch hingegen schon. Was kann das sein? Seltsam, dass das ganze Teilchen von Glanz überzogen ist. Hat einer eine Idee?

Ajo

Hallo chmoellmann,

hast doch ein geschultes Auge, da brauchst du (noch) keine Lupe. :zwinker:

Mikrolithen (Mikro-Kratzer, -Spitzen und -Klingen usw.) sind es, wenn sie mit Retuschen versehen und kleiner wie 30mm (z. T. auch nur bis 20mm) sind. Deine Stücke scheinen schon im Übergang zum Nano-Bereich zu liegen. :glotz:

Das siebende Klingenbruchstück in der zweiten Reihe ist craqueliert.

Im Norden würde ich diese Größe (ohne weitere Beifunde) mesolithisch ansetzen.

:winke:

thovalo

#2
Hallo Kleinsteinfinder!  :winke:

Die auf Bild 1 abgebildeten Fund(stückchen) sind durchweg patiniert und einmal craqueliert (verbrannt) und Du kannst recht sicher davon ausgehen, dass Du einen "endpaläolithisch bis mesolithisch" datierenden Fundplatz entdeckt hast! Wenn zukünftig auch durch gezielte Retuschen in Grundformen bearbeitete Artefakte und bestimmte Formen von Kernsteinen auftauchen, kann eine nähere Zuordnung in die eine oder andere Richtung möglich werden.

Die Mikroretusche ist, der Abbildung nach, sehr wahrscheinlich natürlich entstanden!

Als Sicheleinsatz war der glänzende Abschlag absolut ungeeignet. Glanz kann auch Folge bestimmter Einlagerungsbedingungen oder heftiger Sandstürme sein, die das kleine Stück bewegt und "gesandstrahlt" haben. Oder das Material ist von sich aus bereits glänzend.

Bei weiterem Abregnen der Fundstelle empfehle ich Dir intensiv "dran" zu beleiben. Sehr ruhig und konzentriert einmal die Woche Bahnen von nicht mehr als 1.5 m Abstand zu gehen und das Fundaufkommen wird sich sicher noch deutlich mehren!

Das ist in jedem Fall ein "mikrolithisch geprägtes Fundinventar", bislang noch ohne Mikrolithen!


LG  thovalo
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

a.k.a. rentner

Wie wäre es bei 4 evtl. mit Sichelglanz? Wäre am ganzen Ding evtl. ungewöhnlich.
Wie wäre es die Klingenbruchstücke zum Teil als Sicheleinsätze zu interpretieren?
m.

chmoellmann

Danke für die Antworten.
Hier noch einige Zusatzinfos: Fundort ist auf einer Hochfläche mit schwerem, lehmreichen Boden. Sandgestrahlt kann hier nicht vorkommen.
Patina ist an diesem Fundort immer wieder sehr weiß ausgebildet, bis zu 1 mm dick. Erstaunt immer wieder. Typische Mikrolithenformen tauchen nicht auf (bisher). Vielleicht nur ein Schlagplatz?
War heute nochmal raus, weil das Wetter doch besser ist als gemeldet: der folgende (abgebrochen) Pfriem oder Spitze war neben einigen Nanoklingchen das Teil, was mir beim Suchen spaziergängererschreckende Freudentöne entlockt hat. Aber die revanchieren sich dann mit ungezogenen geräuschigen Vierbeinern, die sich nur schwer zurückrufen lassen.

Priamos

Hi chmoellmann :winke:
Ich komme grad von einem ähnlichen Acker...zwar sind meine Stücke nicht so klein...aber im Rheinland wäre das bestimmt älter, wie tovalo bereits sagte! :super:

Zitat von: chmoellmann in 02. April 2010, 17:16:39
Aber die revanchieren sich dann mit ungezogenen geräuschigen Vierbeinern, die sich nur schwer zurückrufen lassen.

Das kenn ich leider auch allzu gut! :nono:

Schöne Grüße,

Christian

Silex

Das letzte Ding wäre bei uns neolithisch...

die Klingenfragmente -oben- könnten durchaus von einer oberpfälzer Mesolithikfundstelle stammen dort sieht die Hauptfundmenge sehr ähnlich aus (allerdings nie in patinierter Form).

Und wenn diese Dinger nicht gerade in Hartlehmmillieu verbacken sind  dann bin ich mir fast sicher dass die Feinretuschen  humanoid und zwar alt sind.
Meiner Erfahrung nach gibt es ab einer  gewissen Größenuntergrenze kaum mehr rezente Beeinträchtigungen der schlagend-invasiven Art auf  Silexmaterial.
Zudem erscheinen mir die "Retuschen" auch durchaus vertraut....und oft ist die andere Laterale  noch feiner und zerbrechlicher....dabei aber völlig  intakt.
(Aber dies nur aus meiner hiesigen Erfahrung in den Raum gestellt- inwieweit daraus Parallelen  gezogen werden können.....?)

Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

chmoellmann

Auf dem Weg zum Einkaufen war ich am Samstag nochmal raus zum "Puppenstubenfeld".
Einige Kleinigkeiten waren noch zu finden (Bild 1)  und dabei auch das etwas größere Werkstück, dass so zwischen Klinge und Kratzer bearbeitet aussieht.
Eine besondere Schönheit habe ich dann noch aufgesammelt, die ich mit präsentiere, auch wenn der 1. April schon vorbei ist: eine Pfeilspitze aus Kalkstein! So kann die Form von Steinen einen auf die falsche Fährte locken. Ich hatte den Jubelschrei schon in der Kehle, als ich das Teil aus einiger Entfernung sah...