Fingerförmiger Feuerreißer ohne Funktionsende

Begonnen von Neos, 11. März 2023, 20:05:06

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Neos

Moin, zusammen,

ich mag sie ja, diese kompakten, steinzeitlichen Feuerzeuge, die man meiner Einschätzung nach eigentlich viel häufiger finden müsste als dies tatsächlich der Fall ist. Zumindest ergeht es mir so. Wie verhält es sich bei euch in eurem Fundgebiet?

Wenngleich bei dem Exemplar, das ich euch heute vorstellen möchte, das charakteristische Funktionsende fehlt, das ihn eindeutig zu einem solchen macht, lassen Formgebung und Größe m. E. eine klare Ansprache zu. Ich fand ihn inmitten einer endneolithisch/frühbronzezeitlichen Siedlung, die zum Teil in einer leichten Senke liegt, wie auf dem letzten Foto zu sehen ist. Auf derselben Fundfläche fand ich u. a. einen Schaber, das Fragment eines geschliffenen Meißels, eine Sichelklinge vom Typ "Stenild" und den bananenförmigen Pickstein.

Hier die Daten des Feuerreißers:


  • Fundgebiet: Nördliches Schleswig-Holstein
  • Länge: 77 mm
  • Breite: 14 - 18 mm
  • Dicke: 5 - 14 mm
  • Gewicht: 24 g

Viel Spaß beim Anschauen wünscht

Frank

thovalo



Ein totaler "Klassiker". Meist haben sie noch zusätzlich Glanz, zumindest auf der Ventralfläche!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

#2
Ich hadere immer noch mit der Umsetzung des  Feuer"reißers" in der Praxis.
Wird schon stimmen, aber mir ist es noch nicht gelungen auf diese Art Feuer zu machen.
Unvermögen nicht ausgeschlossen.  :nixweiss:

Welches wäre denn das charakteristische, hier fehlende, Funktionsende?
Eine Verrundung der Spitze?

mfg

Wiedehopf

Zitatdie man meiner Einschätzung nach eigentlich viel häufiger finden müsste als dies tatsächlich der Fall ist

Das habe ich mir auch schon überlegt (nicht nur für die Steinzeit sondern auch für die nachfolgenden Zeiträume bis zur Einführung des Streichholzes, ca 1850).

Vielleicht weil die Kunst des Feuerbewahrens viel verbreiteter war als die des Feuerreissens oder Feuerschlagens. Siehe die Ausrüstung des 'Ötzi', der Glut in einem Birkenrindenbehälter mitführte.  Und wenn das Feuer wirklich mal aus ging konnte man sich beim Nachbarn leicht eine glühende Kohle holen. Die ganzen Feuerschläger wären dann nur für den Notfall oder den Gebrauch unterwegs gewesen  :nixweiss:

Oder vielleicht, weil das ja eigentlich ein recht unspezifisches Werkzeug ist. Die längliche Form, gerade im Norden, rührt ja wohl auch daher, dass man zum Feuerreissen gerne die Griffenden von Flint-Dolchen genommen hat und das später beibehalten hat. Aber ein ganz normales Stück Flint hätte wahrscheinlich auch gereicht.

Viele Grüße
Michael

   

StoneMan

Moin,

@ Frank, da stimme ich Dir völlig zu.

Funktionsenden / Arbeitskanten können durch sonst was abhanden oder verunstaltet werden.

Auch wenn Wahrheit darin steckt, wenn gesagt wird, was nicht vorhanden ist, können wir nicht beurteilen, so weisen
einige Artefakte eine eindeutige Charakteristik auf, selbst wenn lediglich Fragmente davon vorhanden sind.

Das darf natürlich nicht in uferlose gehen.

Dein "Fingerförmiger" spricht jedoch ganz klar für einen Funkenlöser.  :super:

Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

Moin Frank,

der Fund ist ein Glücksfall.
Wohl ein noch unbenutztes Exemplar seiner Gattung!

LG
Jan

Neos

Hallo, Thomas,

Zitat von: thovalo in 11. März 2023, 20:11:00
Ein totaler "Klassiker". Meist haben sie noch zusätzlich Glanz, zumindest auf der Ventralfläche!

den Politurglanz kenne ich auch von einigen Feuerreißern. Bei diesem Stück ist er aber nicht vorhanden.

Viele Grüße

Frank

Neos

#7
Hallo, hargo,

Zitat von: hargo in 12. März 2023, 00:12:52
Ich hadere immer noch mit der Umsetzung des  Feuer"reißers" in der Praxis.
Wird schon stimmen, aber mir ist es noch nicht gelungen auf diese Art Feuer zu machen.

es stimmt, dass es stimmt.   :zwinker:

Zitat
Unvermögen nicht ausgeschlossen.  :nixweiss:

Ich meine mich zu erinnern, dass u. a. Nonoflitter das Ganze schon eimmal experimentell nachstellen konnte. Vielleicht könnt ihr euch – bei Interesse – einmal kurzschließen?
@Nanoflitter: Liege ich richtig? Wenn ja: Hast du den Link eventuell parat und könntest ihn noch einmal posten? Ich finde ihn gerade nicht...  :nixweiss:

Zitat
Welches wäre denn das charakteristische, hier fehlende, Funktionsende?
Eine Verrundung der Spitze?

Eine Verrundung am Distalende. Meist ist es eine "Spitze"; das muss aber nicht immer so sein.

Viele Grüße

Frank

Neos

Hallo, Michael,

Zitat von: Wiedehopf in 12. März 2023, 08:55:16
Vielleicht weil die Kunst des Feuerbewahrens viel verbreiteter war als die des Feuerreissens oder Feuerschlagens. Siehe die Ausrüstung des 'Ötzi', der Glut in einem Birkenrindenbehälter mitführte.  Und wenn das Feuer wirklich mal aus ging konnte man sich beim Nachbarn leicht eine glühende Kohle holen. Die ganzen Feuerschläger wären dann nur für den Notfall oder den Gebrauch unterwegs gewesen  :nixweiss:

das ist gar kein abwegiger Gedanke! Ganz im Gegenteil.  :super:

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Jürgen,

Zitat von: StoneMan in 12. März 2023, 11:32:12
Funktionsenden / Arbeitskanten können durch sonst was abhanden oder verunstaltet werden.

wenn man sich den Distalpart anschaut sieht man, dass auch hier eine Rostanhaftung ist. Es spricht also einiges dafür, dass ein landwirtschaftliches Gerät dem Funktionsende des Feuerreißers kurzerhand den Garaus gemacht hat.  :heul:

Zitat
Auch wenn Wahrheit darin steckt, wenn gesagt wird, was nicht vorhanden ist, können wir nicht beurteilen, so weisen
einige Artefakte eine eindeutige Charakteristik auf, selbst wenn lediglich Fragmente davon vorhanden sind.

Das darf natürlich nicht in uferlose gehen.

Absolut d'accord!

Zitat
Dein "Fingerförmiger" spricht jedoch ganz klar für einen Funkenlöser.  :super:

Das sehe ich auch so.

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, zusammen,

Zitat von: Neos in 12. März 2023, 19:56:21
Ich meine mich zu erinnern, dass u. a. Nonoflitter das Ganze schon eimmal experimentell nachstellen konnte. Vielleicht könnt ihr euch – bei Interesse – einmal kurzschließen?
@Nanoflitter: Liege ich richtig? Wenn ja: Hast du den Link eventuell parat und könntest ihn noch einmal posten? Ich finde ihn gerade nicht...  :nixweiss:

ich habe den Thread gerade gefunden: https://sucherforum.de/steinartefakte/klingefunkenloser/msg477659/#msg477659:-D

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Jan,

Zitat von: Steinkopf in 12. März 2023, 17:42:22
der Fund ist ein Glücksfall.
Wohl ein noch unbenutztes Exemplar seiner Gattung!

wie kommst du darauf?

Viele Grüße

Frank

Marienbad

@ Frank,

Glückwunsch zu dem doch so seltenen Fundstück.  :super:

@ Wiedehopf

Vielleicht weil die Kunst des Feuerbewahrens viel verbreiteter war als die des Feuerreissens oder Feuerschlagens. Siehe die Ausrüstung des 'Ötzi', der Glut in einem Birkenrindenbehälter mitführte.  Und wenn das Feuer wirklich mal aus ging konnte man sich beim Nachbarn leicht eine glühende Kohle holen. Die ganzen Feuerschläger wären dann nur für den Notfall oder den Gebrauch unterwegs gewesen.

Dem stimme ich dir zu 100% zu. Die Kunst des Feuerbewahrens und des Feuertransports wird in meinen Augen zu wenig beachtet. 100g Zunderpilz halten 9 Std. die Glut. Bei meinen Versuchen hatte ich auch ganze Zunderpilze, also nicht nur Zunder, mit Erfolg bewahren und transportieren können.

Neos

Moin, Manfred,

Zitat von: Marienbad in 13. März 2023, 00:51:45
Glückwunsch zu dem doch so seltenen Fundstück.  :super:

dank dir!  :-D

Zitat
100g Zunderpilz halten 9 Std. die Glut. Bei meinen Versuchen hatte ich auch ganze Zunderpilze, also nicht nur Zunder, mit Erfolg bewahren und transportieren können.

Unglaublich! Eine tolle Info, die mich total überrascht!  :staun:

Viele Grüße nach Neustadt

Frank

hargo

#14
Zitat von: Neos in 12. März 2023, 19:56:21
Welches wäre denn das charakteristische, hier fehlende, Funktionsende?
Eine Verrundung der Spitze?

...
Eine Verrundung am Distalende. Meist ist es eine "Spitze"; das muss aber nicht immer so sein.

...

Eine verrundete "Spitze" (egal an welchem Ende) würde m E. niemals auf eine "reißende" Handhabung hindeuten!
Im Gegenteil.

mfg

Steinkopf

Hi,

bei Annelou van Gijn: 'FLINT IN FOCUS' wird von einer Betattung berichtet :'Flint from Hazendonk burials'.

Ein eindrucksvolles Foto (S. 127) zeigt das Skelett eines Mannes, der drei solche Feuerschlagsteine
und ein Stück Pyrit in der Hand vor seinem Mund hält:

   'Fig. 6.6  Three strike-a-lights and a piece of pyrite were found in the hand of a male individual
                buried on the dune of Schipluiden. The hand was held in front of the mouth,
                evoling the image of someone blowing a spark..."

LG

Jan

Um keine Urheberrechtsverletzung zu riskieren, kann ich es hier nicht einstellen.
Aber Google oder PN führen auch zum Ziel.

Neos

#16
Hallo, Jan,

Zitat von: Steinkopf in 14. März 2023, 12:26:51
bei Annelou van Gijn: 'FLINT IN FOCUS' wird von einer Betattung berichtet :'Flint from Hazendonk burials'.

klasse, dank dir sehr für den Hinweis auf dieses Dokument, das ich auch kenne.  :super:

In diesem heißt es auf Seite 126 (Zitat): "The flint objects have a severely rounded tip and display wear traces that are typical of a use as strike-a-light (fig. 6.6b)." was auf Deutsch übersetzt "Die Feuersteinobjekte haben eine stark abgerundete Spitze und weisen Gebrauchsspuren auf, die typisch sind für eine Verwendung als Feuerschlagstein (Abb. 6.6b)." bedeutet. An der Stelle sei darauf hingewiesen, dass "strike-a-light" auch einfach nur "etwas durch Reibung entzünden" bedeutet und nicht zwingend eine schlagende Tätigkeit voraussetzt.

Viele Grüße

Frank

hargo

#17
Wobei eine Verrundung an der (hier fehlenden) Spitze m.E. nur durch eine schlagende Tätigkeit entstanden sein könnte.

mfg

StoneMan

Zitat von: hargo in 15. März 2023, 00:19:20
Wobei eine Verrundung an der (hier fehlenden) Spitze m.E. nur durch eine schlagende Tätigkeit entstanden sein könnte.

mfg

Moin,

@ hargo,

meines Erachtens sollte man sich da nicht so festfahren.

Wenn eine faustdicke Knolle aus Markasit durch was auch immer geschunden ist, gar gespaltet,
dann ergibt sich eine Fläche, auf der man mit einem fingerartigen Flint gut ziehen / reißen kann.

Ich persönlich kann mir sowohl schlagen als auch reißen (mit Spitze) oder mit Kante reißen vorstellen.

Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

Hi Hargo,

Du schreibst: "Eine verrundete "Spitze" (egal an welchem Ende) würde m E. niemals auf eine "reißende" Handhabung hindeuten!"
                       
Anders herum wird ein Schuh draus.
Beim Schlagen von Stein auf Stein wird die Oberfläche verletzt, brüchig und rau - siehe Pickstein.

Beim Reiben, Ziehen etc. wird fein abgetragen, eher poliert - siehe polierte Beile etc.
Die typische Verrundung eben dieser Geräte geschah im Dunkel der Vorgeschichte.
In mehreren Beiträgen wurde schon über Technik und Begriffsbildung diskutiert´oder gesungen: ,,Light My Fire".

LG

Jan

Fischkopp

Hallo an alle,
ein wiklich lehrreicher Beitrag!
Als Grabbeigaben sind sie häufiger in Megalithgräbern gefunden worden. Auch in gut erhaltenen Gräbern nicht in massen sondern vereinzelt. Dies zeigt meiner Meinung nach den "Wert" solcher Stücke zur damaligen Zeit. Wenn es dort viel geglühten Flint in der Nähe gibt könnte man über eine Grabbeigabe spekulieren.
Toller Fund.
LG Fischkopp

hargo

#21
Zitat von: Steinkopf in 15. März 2023, 10:18:05
...
Du schreibst: "Eine verrundete "Spitze" (egal an welchem Ende) würde m E. niemals auf eine "reißende" Handhabung hindeuten!"
                       
Anders herum wird ein Schuh draus.
,..,

Ok, dann freue ich mich zu diesem Beitrag beigetragen zu haben.

mfg