Pfeilspitze

Begonnen von Merle, 27. September 2015, 00:02:28

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Merle

Hallo :winke:

diese Pfeilspitze fand ich Anfang des Jahres auf einer neuentdeckten Fundstelle im nordöstl. Münsterland. Mir erscheint sie als sehenwert und ich schätze sie datiert ins Endneol.- BZ?  :kopfkratz:
Viele Grüße und ein fundreiches Wochenende
Merle :winke:

thovalo


Eine klasse Erhaltung und das bei den fragilen Elementen im Aufbau.  :glotz:
Die Datierung passt prima, genauer geht es meiner Meinung nach nicht.

Die Bilder lassen sich nicht vergrößern, das ist schade.


Ui, schon spät.
Dann aber gute Nacht!


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Merle

Gute Nacht auch dir  :winke:,

danke für die Antwort und deine Einschätzung, ich reiche die Maße Morgen nach
Ganz herzleiche Grüße
Marc :winke:

stonehunter

Sehr schön. Gibt es eigentlich gesicherte Belege für bronzezeitliche Pfeilspitzen mit Stiel?

Nanoflitter

Ja. Ich hab hier z.B. eine Dissertation "Die Entstehung und Entwicklung der mittleren Bronzezeit
im westlichen Mittelgebirgsraum" von Stephanie Hoffmann vorliegen, da sind solche Spitzen aufgeführt. Tafel 023.
http://hss.ulb.uni-bonn.de/2004/0359/0359.htm
Gruss...

Steinkopf

Zitat Stonehunter: " Gibt es eigentlich gesicherte Belege für bronzezeitliche Pfeilspitzen mit Stiel? "

Eine besonders fiese Pfeilspitze aus Norditalien (Fiavé-Carera), die auf 1600 bis 1400 v. Chr. datiert wird,

trägt neben ihren Widerhaken noch eine gebogene Schlehdornspitze als als Widerhaken, der in der Wicklung am
Schaft angebracht worden ist:

"Eine solche Pfeilspitze kann nur durch einen chirurgischen Eingriff oder durch Hindurchstossen aus dem Körper entfernt werden.
Ein solcherart angeschossener Feind blieb lange kampfunfähig."
Jürgen Junkermanns: PFEIL UND BOGEN, Biel, 2001.

LG

Jan

thovalo

#6
 

   :-)


Die gedrungene Proportionen, die tief angesetzten Flügelenden und die gleiche Höhe der Flügelenden mit dem Schäftungsdorn finden sich gut vertreten in vielen Befunden der Becherkulturen. So gibt es gut dokumentierte Exemplare aus Befunden in den Niederlanden. In deutlich extremerer Ausprägung in der Feinheit der Ausführung findet sich diese Variante u.a. auch in der Bestattung des "Amesbury archers".

Diese Projektile sind in einer Zeit entstanden in der die Metallverarbeitung und die Verbreitung von Metallobjekten  im 3. Jahrtausend v. Chr. deutlich fort geschritten war. Die Feinbearbeitung von Silices war in dieser Zeit wohl schon nicht mehr "Allgemeinwissen" und keine allgemeine tägliche Praxis aller Menschen einer Generation. Solche Stücke wurden vielmehr von Spezialisten gefertigt, deren handwerkliche Fertigkeit in der Relation und langen Auseinandersetzung zwischen den Anforderungen des Materials "Silex" und der Bearbeitungstechnologie in viel Übung reifen musste.

Von daher ist auch die Frage zu stellen WER, WO diese Belege hergestellt hat oder herstellen konnte, denn das qualitätsvolle Ausgangsmaterial war ausdrücklich nicht überall verfügbar. Von daher stellt sich die Frage ob solche Objekte nicht AUCH Austauschgüter gewesen sind.

Ein Silexprojektil zu verschiessen war in Relation zum Verlust eines Projektils aus Buntmetall noch lange in die "Metallzeiten" hinein, je nach Möglichkeiten des Zugangs zu Buntmetallobjekten, vermutlich deutlich "günstiger". Die Retuschierung eines Projektils dieser Art ist zudem eindeutig "FORMGEBEND" ausgeführt worden um Exemplare in Metall nachahmen zu können. Eine wechselseitige Herausforderung an die Steinbearbeiter die diese gelegentlich in erstaunlicher Meisterschaft geradezu glanzvoll bewältigen konnten.

Es gibt einige Projektile die aufgrund der Feinheit und der hoch aufwendigen riskant-brüchigen Ausführung nicht mehr als tatsächlich zu gebrauchende Projektile vorgesehen gewesen sein dürften, sondern eher als mögliche Repräsentationsstücke. Da sie sich z.B im Grab des "amesbury archers" noch in verschiedenen Zurichtungszuständen fanden wurden sie wohl auch ganz gezielt und ausdrücklich als Teil der Beigabenausstattung wert geschätzten Verstorbenen mit gegeben.


lG Thomas  :winke:


PS: auf dem Bild sind nur die fertig gestellten Exemplare aus der Bestattung des "Amesbury archers" zusammen gefasst
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Pipin

Toller Beitrag und wieder etwas gelernt!

Danke Thomas

thovalo

#8

      :-)


Das Beispiel im Anhang ist eine Variante: statt breit gedrungen ist das Projektil schmal und gestreckt ausgeführt worden.


Bei derart stringent gestreckten Formen wird schon eher angenommen, dass es sich dabei um jüngere, bereits metallzeitlich datierende Nachahmungen von Pfeilspitzen aus Buntmetall handeln kann (ab. ca. 1.800 v. Chr.).

Für die extrem feingliedrige Zurichtung kann mit der Verwendung einer sogenannten "Kupferahle" gerechnet werden, die zur Verwendung für solche Arbeiten sehr geeignet gewesen wäre.


Der Fundbeleg stammt aus NRW


Länge: 3 cm; Breite: 1.5 cm, Dm: max. 0.4 cm



lG Thomas  :winke:



ein link zum Thema "KupferSteinZeit"

http://archaeolet.de/?page_id=1011
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Merle

Hallo :winke:

danke für die spannenden und erhellenden Beiträge! :super:
Das Fundstück habe ich dem Amtsarchäologen vorgelegt, der begeistert war und ebenso erfreut, über die Unversehrtheit. Das sich jedoch eine inhaltlich so differenzierte und spannende Diskussion entwickelt hat mich umgehauen und ist ein wahrer Schatz für alle Archäologieinteressierten, echt Klasse :super: :super:

Aktuell befinden sich noch ein paar Funde aus Mittelitalien beim Archäologen, die fraglich auch in die Übergangsepochen zwischen Neolithikum und Metallzeiten datieren, wenn ich sie zurückerhalte, poste ich sie anhängend in dieses Thema...

Die Bilder habe ich nochmals hochgeladen, ich hoffe sie sind nun besser erkennbar, auch die Maße wollte ich euch nicht schuldig bleiben:
Länge: 2,4 cm; Breite: 2,0 cm; Dicke: 0,4 cm

thovalo


Klasse, das sind deutlich besser zu sehende Formate!
Wirklich ein kleines "Wunder"!

lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Merle2

Hallo :winke:

ich wollte das tolle Thema zu den Übergangsphasen zw. Stein- und Metallzeiten nochmal aufwärmen; im post hatte ich euch noch versprochen Funde aus Mittelitalien nachzureichen; zum einen passen sie ins Thema, da die Fundstelle auch bronzezeitliche Funde hervorgebracht hat, zum anderen sind die beiden Pfeilspitzten was fürs Auge und ich muss sagen das sie zu den erfreulichsten Funden gehören die ich machen durfte :-D
Ums noch ein wenig auszudehnen, erzähle ich euch die Fundgeschichte...
Meine Liebste und ich hatten beschlossen nach Italien zu fahren; ihre Eltern hatten vor ein paar Jahren ein kleines Häuschen in der Region "Marken" erworben. Seit her sind wir mehrmals dort gewesen, da es für uns die günstigste Möglichkeit ist, Urlaub zu machen. Die Region grenzt an die Toskana an und und wird zu Unrecht auch als "Toskana für Arme" bezeichnet. Als wir erstmalig dort waren, besuchten wir verschiedene regionale Museen und ein röm. Amphietheater, wo sich viele röm. Funde in den Feldern der Umgebung fanden (der Landwirt fand es o.k. :dumdidum:).
Als wir wieder starteten, diesmal recht früh im Jahr, fand ich die Gegend um die röm. Fundstellen, leider schon bewachsen. Frustriert begann ich meine mitgebrachten Bücher zu lesen, da mieses Wetter einsetzte. Nach 2 Tagen Regen und "deutschem Wetter" fiel mir die Decke auf den Kopf, was sich auch in kleineren Streitigkeiten mit meiner Liebsten entlud. Sie sagte dann, Mensch MArc geh mal raus , das ist ja nicht zum aushalten. Unterhalb des Hauses befindet sich ein Acker, der teif in die faltige LAndschaft der Gegend abfällt und ich sprang, erhitzt durch das vorangegangene Wortgefächt über den Zaun. Leicht brodelnd, murmelnd, was das jetzt wieder soll, fing ich an zu suchen und nach ca. 10 min, fand ich die "Weiße Spitze", mein Pulsschlag erhöhte sich unvermittelt. Das schöne Stück, lag wie dorthingelegt auf einer aufgebrochenen Erdscholle. Anfänglich dachte ich das Teil haben die "Schwiedereltern" plaziert, aber nach und nach fanden sich Abschläge etc. Auf dem Rückweg konnte ich dann noch die rote Spitze auflesen, sowie ein ca. 10cm Bruchstück einer bronzezeitl. Lanzenspitze. Nach meiner Rückkehr, völlig euphorisch zeigte ich die Funde meiner Liebsten, die sich ebenso freute...
Seither habe ich den gesamten Berg an verschiedenen Stellen abgegangen und fand an mehreren Stellen Artefakte, auch Terra Sigilata Scherben, bronze Draht etc.
Nach meinen Überlegungen zeigte ich die Funde einem hiesiegen Archäologen vom LDA, welcher Kontakte zu einem Kollegen in der Region hat, um was über die Funde zu erfahren. Nach Aussage des Kollegen, handelt es sich um Pfeilspitzen der Remedello- Kultur aus dem Übergang des Neolithikums in die Metallzeiten. Auch habe ich nun Informationen zu Ansprechpartner in der Region und möchte die Suche intensivieren und anschließend die Funde den regionalen Museen bzw. Stellen übergeben...

Liebe Grüße und Ciao
Marc

thovalo

#12

Zwei absolut charakteristische Stücke wobei der helle Fundbeleg ein Paradestück ist!  :super:



Empfehlenswert in jeder Hinsicht der Katalog:  


"Guerrieri, Principi ed Eroi dalla Reisitoria all`Alto Medioevo fra il Danube e il Po"

2004

ISBN 88-900909-2-8


auf S. 94  vier Exemplare der  punte di freccia peduncolate in selce


Tolle Funde aus einer hier kaum bekannten Region!


lG Thomas  :winke:



noch ein schöner link ......   http://www.sistemonet.it/sistemonet/viewArchaeology-action.do?id=2864&currentPage=1&popup=no


Fig. 372



Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.