Nackenbruchstück eines Flintbeils

Begonnen von Danske, 04. Februar 2016, 23:20:28

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Danske

Moin zusammen,

das folgende Nackenstück eines Flintbeils habe ich 1984 im Norden der schönen Insel Fyn gefunden. Eigentlich hat es mein damaliger Hund gefunden, der bei einem Spaziergang einen Maulwurfshügel anging (das hat der bei jedem Maulwurfshügel gemacht). Beim Buddeln kam dann dieses Teil mit einer schönen schokoladenbraunen Patina zum Vorschein.

Maße: Länge 102 mm, Breite an Bruchstelle 38 mm, Dicke an Bruchstelle: 27 mm, Breite Nacken 27 mm, Dicke Nacken 24 mm
Der Schmalseitenwinkel beträgt 9 Grad, der Nackenindex 89 %

Aufgrund des Schmalseitenwinkels habe ich an ein Dicknackenbeil vom A-type und aufgrund des Nackenindexes an den Typ Valby gedacht. Mich hat dabei nur gestört, dass der Nacken überhaupt keinen Schliff aufweist. Ich habe daher mal gegoogelt und in der Veröffentlichung eines Ausatzes mit dem Titel "Sekundäre Überarbeitung dünnnackiger Flintbeile der Trichterbecherkultur im nördlichen Schleswig-Holstein" gelesen, dass die Beile erst vom Endverbraucher geschliffen wurden. Im untersuchten Fundmaterial konnte nachgewiesen werden, dass einige Beile nur an- oder teilweise, nur auf einer Schmalseite oder einer Breitseite oder jeweils einer Breit- und einer Schmalseite oder an drei Seiten oder auch gar nicht geschliffen aber trotzdem in Gebrauch waren, ja teilweise starke Nutzungsspuren aufwiesen. Diese Ergebnisse der Untersuchung seien laut Autor auch auf andere Beiltypen (spitznackig, dicknackig) übertragbar.

Auch das hier gezeigte Nackenstück zeigt m.E. am Nackenende Gebrauchsspuren auf (Bild 1f). Offenbar wurde es von seinem Benutzer auch mit der Nackenseite eingesetzt. Dass der offenbar nicht zimperlich mit dem Beil umgegangen ist, zeigt der Biegebruch mit deutlich herausgezogener Lippe (Bilder 1e und 1g). Wobei ein solcher Bruch des Beilkörpers auch auf falsche Handhabung bei der Nutzung hindeuten kann. Bereits ein leichtes Verkippen beim Auftreffen auf das zu bearbeitende Holz kann zu einem solchen Bruch führen.

Liebe Grüße
Holger

PS: Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch mitteilen, dass ich alle meine Urlaubsfunde aus dem nördlichen Nachbarland inzwischen bei der zuständigen Stelle angezeigt habe und mit den Dänen in Verbindung stehe. Mal schauen, vielleicht bekomme ich von dort eine Einschätzung zu Typisierung und zeitlicher Einordnung der Stücke. Wenn ich diesbezüglich was höre, melde ich mich natürlich. 












Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Steinkopf

Moin Holger,
Du schreibst:

"Auch das hier gezeigte Nackenstück zeigt m.E. am Nackenende Gebrauchsspuren auf (Bild 1f).
  Offenbar wurde es von seinem Benutzer auch mit der Nackenseite eingesetzt."

Sind diese "Gebrauchsspuren" eher rau, vom Schlagen, Klopfen oder
ist die Partie eher verrundet glatt, von der Schäftung und dem Gebrauch als Beil?
Auf dem Foto kann ich das nicht erkennen.

Ansonsten sind ungeschliffene Nackenpartien bei den "Dicknacken" durchaus üblich.

LG

Jan

StoneMan

Moin,

ich hätte da mehrere Optionen, die da wären:
Knusesten (Zerkleinerungsstein/Pikstein), Grund die erwähnten ´Gebrauchsspuren´, wenn es welche sind.
Vorarbeit für ein Mejsel (Meißel).
Vorarbeit für ein Kerneøkse (Kernbeil)

Meißel und abgebrochene Beilnacken werden sekundär als Picksteine verwendet.

@ Holger, bin gespannt was Du aus DK etwas erfährst. Die Archie-Uhren ticken
dort seeeehr langsam, stelle Dich darauf ein.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Danske

Moin, Moin,

die von mir so bezeichneten Gebrauchsspuren sind auf Bild 1f als helle Stellen am Nackenende zu erkennen. Sie sind rau und sehen so aus, als ob der Benutzer es zum Schlagen oder Klopfen verwendet hat. Wenn ich euch richtig verstanden habe, wäre das Bruchstück dann also sekundär als Pick- oder Klopfstein, oder, wie du sagst, Jürgen, als Knusesten, genutzt worden. Wahrscheinlich, weil es zur kurz war, um daraus nochmal ein Beil herzustellen.

Ist es vielleicht auch durch Funde belegt, dass bereits das intakte Beil zum Schlagen mit dem Nacken genutzt wurde, etwa so, wie man heutzutage ein Beil beidseitig gebraucht?

Also Dicknacken könnt ihr bestätigen. Wie sieht es mit der kulturellen und zeitlichen Zuordnung aus? Würde Ende der Jüngeren TBK bzw. Ende Ganggrabzeit annehmen. Oder deutet der fehlende Schliff eher auf eine spätere Zeitstellung hin?

LG
Holger

Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

hargo

Hallo,

ich würde nicht davon ausgehen, dass dieses Objekt, nachdem es in feuchten Boden gelangte und eine andere Farbe angenommen hatte, nochmal verwendet wurde. Kannst du eine rezente Beschädigung ausschließen?

mfg

Danske

Hallo Hargo,

dein Einwand ist logisch und nachvollziehbar, aber ich muss dazu sagen, dass die raue Fläche sich gleichmäßig ringförmig um das Nackenende legt. Sie sieht nicht aus wie eine rezente Beschädigung. Sie ist im Original auch nicht so hell, wie sie auf den Bildern erscheint. Sieht tatsächlich so ähnlich aus wie PVP Seite 142 Nr. 257.

Gruß
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Steinkopf

Das Teil würde zur Beschreibung des Typ 167 bei PVP S. 110 passen.

Für die rauen Zonen im Nackenbereich hat Jürgen schon gesagt:

'Meißel und abgebrochene Beilnacken werden sekundär als Picksteine verwendet.'

LG

Jan

Danske

Hallo Jan,

das könnte auch passen. Auch eine Huloekse käme in Frage.

Aber ich denke, die Abbildungen bei PVP stellen letztlich nur die "Leitartefakte" dar. Wie gesagt, es wurden spitznackige, dünnnackige und dicknackige Beile ohne Breitseitenschliff gefunden, die nachweislich in Gebrauch waren. Die tauchen bei PVP, zumindest was die spitz- und dünnnackigen angeht, gar nicht auf.

Aber wenn wir das Teil als Tyknakket oekse einstufen, liegen wir sicher gar nicht schlecht.

@jan, Jürgen und hargo: Vielen Dank für eure Befassung mit der Sache und euren Beiträgen.


LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.