Klinge mit Retusche

Begonnen von Merle2, 08. März 2016, 18:13:06

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Merle2

Hallo,

ich bitte um eure Hilfe bei der Ansprache dieses Fundstückes. Die weißlich- blau patinierte Klinge misst ca. 3,1 cm und ist an einer Lateralen komplett retuschiert. An der Spitze ist ein kleines Stück abgebrochen ca. 1-3 mm. Die Beifunde sind neolithisch, die Fundgegend, das nördl. Münsterland.
Vielen Dank für eure Gedanken
fundreiche Tage...

Marc

queque

Könnte das vielleicht eine neolithische Sichelklinge bzw. ein Sicheleinsatz gewesen sein? Kannst du Lackglanz erkennen?

LG
Bastl

Merle2

Hallo,

Lackglanz kann ich nicht erkennen, alles zeimlich matt...???
Danke und viele Grüße
MArc

Nanoflitter

Ich würde Messer mit gestumpftem Rücken sagen. Die Retusche scheint sehr steil.
Jetzt könnt ihr rummaulen. :zwinker: Gruss...
http://www.steinzeitwissen.de/spatpalaolithikum

steinwanderer

Zitat von: Nanoflitter in 08. März 2016, 18:54:23
Ich würde Messer mit gestumpftem Rücken sagen. Die Retusche scheint sehr steil. Gruss...

Moin Marc,
ich schließe mich dem Nano an und auf Grund der Patina glaube ich das das Stück mit dem Neolithikum nichts zu tun hat.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

thovalo



Die steile Retuschierung deutet am ehesten auf eine "Stumpfungsretusche" hin. Daher wäre vorstellbar, dass die Klinge mit dieser Partie in eine Schäftung eingesetzt verwendet worden ist.

Unter der Patinierung wäre Schäftungsglanz vermutlich nicht mehr sichtbar, da die Patinierung ja die Folge einer geochemisch beeinflußten Oberflächenveränderung ist.

Man könnte bei solchen einer steilen Retuschierung noch an die Funktionsbestimmung als Bohrer denken, doch Ansätze zu einer solchen Einschätzung geben zumindest die Bilder nicht her.

Was die Frage der Patinierung und einem möglichen datierenden Effekt angeht, bedarf es zumindest der Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten.


lG Thomas  :winke:




Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

#6
Hallo,

eigentlich ist zu diesem kleinen feinen 'Messer mit gestumpften Rücken' schon alles gesagt.

Hinsichtlich des angesprochenen Sichelglanzes kann ich meine Beobachtungen von Fundstücken
mit Sichelglanz, die durch Küstenerosion an die Oberfläche gelangten, ergänzen:

Sichelglanz wirkt wie 'Vergütung' der Oberfläche. Bei Artefakten war die Patinierung der durch
Glanz geschützten Flächen oft deutlich geringer. Manchmal war auch der Glanz noch deutlich
vorhanden, obwohl die Klinge darunter weiß patiniert war.

Inwieweit dies auf Schäftungsglanz auch zutrifft und ob die Geochemie des Münsterlandes mit der
von der Ostseeküste vergleichbar ist, das sind dann andere Fragen.

LG

Jan

Merle2

Hallo  :winke:
Danke für eure Einschätzungen. Das Fundstück zeigt einen deutlich Patina, welche die Beifunde nicht haben, die sind gänzlich unpatiniert. Im selben grösseren Gebiet, finden sich Miktolithen, die ebenso patiniert sind. Was mich an dem Fundstück so stutzig macht ist das ich irgendwie dachte mesolithische Rückenmesser sind noch steiler retuschiert und nicht spitz. Für ein spätpaläolithisches  Artefakt, wirkt es sehr mesolithisch :kopfkratz:. Wäre es vorstellbar das es Frühmesolithisch ist? und wurde es als Messer benutz oder als Pfeilbewehrung (dann wäre es ja eher ein Federmesser,und spätpaläolithisch) :kopfkratz:
Ich danke euch auf jeden Fall und  in die Vitrine kommt es auch...
Viele Grüsse aus Ms
Marc

RockandRole

Guten Morgen  :winke:

Für mich macht das auch eher den Eindruck von einem Rückenmesser/-spitze. Sind ja Kompositwerkzeuge bzw Waffen und müssen wie Pfeilspitzen nicht in irgend einem Zusammenhang stehen.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

#9

War klar dass diese Annahme kommen würde  :zwinker:, liegt auch recht nahe, doch sehe ich das dennoch anders!

Das Stück ist 3 cm lang, was noch hinkommen kann, dann bereits im Oberen Größenbereich , doch ist die retuschierte Laterale zu klar geradlinig gestreckt um als eine Rückenspitze durchgehen zu können, die unbearbeitete Basis ist zudem für eine entsprechende Schäftung wenig geeignet.


In der Ansprache als "Klinge mit gestumpften Rücken" liegt Alles an Fakten drin was tatsächlich vorhanden und zu beschreiben ist. Mehr muss gar nicht sein. Eine charakteristische und eindeutig anzusprechende "Rückenspitze" ist es nicht.

Die Patinierung eines Artefakts ist zwar bemerkenswert aber nur in bestimmten Regionen ein klares Indiz für eine höheres Alter. Daher macht es Sinn sich erst einmal an die klaren Fakten zu halten, weiter zu sammeln,  zu sehen was in der Umgebung schon vorhanden ist, ob da Älteres vorliegt, so ein Stück in diesen Komplex passen kann usw.

In der Sammlung von rechten Niederrhein liegen strahlend und aktuell gearbeitet wirkende Projektile neben typologisch gesichert zeitgleichen Exemplaren in eben solcher Patinierung wie das oben gezeigte Stück vor. Dasselbe Gelände und derart unterschiedliche Oberflächenerhaltungszuständen zeitgleicher Artefakte. So ist das nun mal in der Urgeschichte, selten einfach sondern zumeist hoch komplex!

lG Thomas  :winke:



Das ist ein im Forum aktuell eingestelltes schönes Beispiel für Patinierungsphänomene: ein rezenter Flintenstein mit bereits beginnender Patinierung und kein spätpaläolithisch bis mesolithisch datierender "Viereckschaber" ......  :engel:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,69400.0/topicseen.html
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo Thomas

Das mit der Basis ist mir auch aufgefallen. Deswegen habe ich auch vor meiner Ansprache das Internet gewälzt und ein zwei Stücke mit Schlagflächenrest gesehen. Selten aber vorhanden  :schaem:
Das Milieu passt ja bisher auch. Aber mal abwarten.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Mordar

 :winke:
Ich halte den Fintenstein nicht für  beginnend - patiniert. Der sieht mir eher aus, wie rindennah geschlagen.

Die Patinierung der Klinge ist sowieso  ein ganz anderes Kaliber...
Für  mich auch eher ins palaeolithische weisend...

:winke:
Gerd
The Benutzer Formerly Known As Wühlmaus

Merle2

Hallo :winke:,
Nochmals Danke für die zahlreichen Kommentare :Danke2:
Zu Thema Patination kann ich Thomas klar folgen, ein Freund war bei einer AUsgrabung (Geologie) Zeuge wie Flint aus einem aneroben Milieu, binnen kurzer Zeit reagierte und gänzlich "patinierte", wie genau das ablief kann ich nicht erklären, es zeigt jedoch die Unschärfe der Patination als Mittel zur Altersbestimung.
Bei dem gezeigten Fundstück denke ich dennoch, dass es eine Einordnung in einen älteren Zeitraum zulässt. Unter den Beifunden befanden sich getemperte Trümmer und die die neolithischen Funde stammen aus der Erstbegehung, der bis dahin unbekannten Fundstelle, vielleicht finden sich noch konkretisierende Funde. Auch liegen an 10 Fundstellen  der unmittelbaren Umgebung (2-3 km) Funde des Pläolithikums und Mesolithikums vor. Die überwiegende Zahl der Meso-Funde ist weiss patiniert, jedoch auch unpatiniert, bzw. neolithische Funde mit Patina (die ist dann aber nicht so homogen, eher grob-kalkig).
Abschliessend spreche ich den Fund als rückengestumpftes Messer an, tendenziell mesolithisch, evtl. älter.
Ich danke euch sehr für die Hinweise und Abwägungen..
Herzliche Grüsse
Marc

thovalo


Ich begehe drei Federmesser- bis mesolithische Fundplätze. Der eine, mit vollkommen unpatinierten Artefakten, lieferte auch ein unpatiniertes Federmesser aus Bryozoenfeuerstein. Der Platz liegt, wie die berühmte Bonner Fundstelle zweier Bestattungen der Federmesserkultur, auf der rechten Rheinseite am Niederrhein.

Der zweite Fundplatz liegt ca. 6 km weiter westlich davon und hat gesichert zumindest einen mesolithischen Hintergrund. Dort sind die Artefakte zu ca. 92 % in einer markanten Dicke der äußeren Schicht vollkommen weiß patiniert. Einige wenige der mesolithischen Stücke sind dort nicht patiniert (ca. 8 %).

Ein drittes Fundareal mit mesolithischen Artefakten liegt wieder ca. 6 km weiter westlich, ebenfalls auf einer glazialen Bodenbildung und dort sind die mesolithischen Artefakte wieder unpatiniert. Doch unter den neolithischen Artefakte sind dort dann wieder etwa 20% aller Funde patiniert und das gilt dann dort auch für Silexartefakte bis in die Zeit des ausgehenden Neolithikums hinein.

Keiner kann sich bislang erklären warum die Plätze, die alle drei auf glazialen Sandflächen liegen, so unterschiedliche Oberflächenerhaltungszustände der Silexartefakte aufweisen.


Unter Patinierung gibt es vier Artefakte aus dem Bereich des am weitesten westlich gelegenen Geländes, die eher noch jungpaläolithisch wirken, darunter auch ein "Schaber" mit gestaffelter Retuschierung einer der Langseiten. Zu diesem Eindruck trägt auch die Patinierung ihren Teil mit bei.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.