Beifunde zu Hansis Setzkeil(?)

Begonnen von a.k.a. rentner, 12. November 2009, 16:08:50

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a.k.a. rentner

Hallo Forum.
Tja, ich hab mich mal durch Eure alten Beiträge und Diskussion gewühlt, und habe gemerkt wie verkalkt das Niveau unserer Rentner-Beiträge ist.....ich versuche mich jetzt einfach mal zu bessern.
Ich stelle hier die Teilfunde zu Hansis durchlochtem Setzkeil(?) http://www.sucherforum.de/index.php/topic,39587.msg238267.html#msg238267 bei.
Der Fundort ist interessant, und ich werde mal einfach die Funde und Umstände beschreiben, und bin gespannt ob diese wenigen Details Rückschlüsse oder zumindest Deutungsversuche zulassen.
Ein Plateu, das sich ziemlich lang in Ost/West Richtung eines kleinen Saalezuflusses (ein gutes Sttück nördlich der Mittelgebirge) entlang zieht, und Funde vielleicht vom Mittelpaläolithikum ins Mittelalter zulässt (wobei in unseren zahlreichen Funden von dort eigentlich keine mittel- bis spätneolithischen Keramik und Steinartefakte bzw. früBZ Steinartefakte auftauchen) läuft aus. Parallel zur Uferkante wird dieses Plateu von einer Senke geschnitten (wohl ein alter Bachlauf). Südlich erhebt sich das Plateu wieder und bringt eine vereinzelte aber durchaus ernstzunehmende Kante von vielleicht 800m wieder zur Geltung.
Oberhalb der Kante steigt wieder ein Hügel an.
Die Stichbandkeramik kommt hier zuhauf zu Tage und zwar weit über die NSAchse gestreut, nicht jedoch direkt an der Kante.
Die Klingenkerne kommen in einem 15x15m Areal nahe der Kante vor, also sehr dicht und nicht innerhalb Keramikstreuung.
Deswegen bin ich nicht sicher, ob die Kerne in den stichbandkeramischen Kontext zu setzen sind.......
Nun zu den Funden.




a.k.a. rentner

Der schöne Lamelenkern (ist der Begriff hier zulässig?), ist zu 3/4 in regelmässigen Kanten abgebaut worden, die eine Breite von max 7mm kaum überschreiten.
Dann noch zwei Kerne/Kernreste die von allen Flächen und aus verschiedenen Richtungen abgebaut wurden. Der hellere wurde rundum abgebaut, eine Schlagfläche kann ich nicht identifizieren.

a.k.a. rentner

#2
Und dann muss ich Hansi zumindest teilweise widersprechen, wenn er behauptet das dort kaum Klingen vorkämen.
Ich denke das lag einfach an der suboptimalen Beschaffenheit des tatsächlich nicht gut abgeregneten Ackers.
Ausserdem konnte ich ein paar (komplett erhaltene) Kratzer auflesen, die interessanterweise alle aus Klingenabschlägen gefertigt wurden.
Die Kratzerretuschen befinden sich immer am Distalende. Zum Teil könnten die Kratzer auch aus gebrochenen oder gekürzten Klingenabschlägen gefertigt worden sein.
Zwei Ausnahmen bilden der helle große, weil beide Lateralkanten fast bis zum Proximalende retuschiert sind, sowie der kleine schwarze, der an beiden Seiten eine Arbeitskante hat.
Tatsächlich tauchten aber keine kleineren kompletten Klingen auf, dafür aber ein Haufen Bruchstücke. Lediglich die Beifunde von der ersten Begehung mit der großen vermeintlich Michelsberger Klinge sind nicht zu vergessen.
Würde mich jetzt interessieren ob jemand das Gefühl hat, daß das die Zugehörigkeit der Klinge zum Michelsberger Kulturkreis unterstreicht, oder eine andere Assoziation zu dem Kram hat.
So das war es erstmal....die nächsten Monate wird es von mir nicht viel zu hören geben.
Ich wurde für die nächsten Monate mit Arbeit eingedeckt, werde aber den Beitrag noch etwas erweitern, sobald ich etwas Zeit und noch ein paar interessante Stücke aussortiert habe..
Danke Michi

Silex

Leider kann ich- wegen Revierferne- nur gratulieren und der Bestimmung entgegenharren.
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

a.k.a. rentner

Danke Edi.
Ich bin vor allem gespannt ob der Fundort beim Amt bekannt war.
Wir trafen da ja den Menschen der dort seit zehn Jahren läuft......eine sehr nette Begegnung.....und er kannte ihn nicht.
Wir haben ihn dann mitgenommen, er fand es klasse, und seiner Regionalkenntnis nach fiel an diesem Tag die Keramik unter Bandkeramik, und ebenso die Silexartefakte......die Klinge hat er nicht miterlebt.
Ich werde Kontakt aufnehmen....gespannt was er dazu sagt.
Das Stück ist weder durch Strassen- noch sonstigen Bau gestört..... und im Gegensatz zu früher ist es dort eine sehr menschenleere, triste Gegend.
Wie geeignet für einen Dokumentarfilm westdeutscher Kunststudenten über die Tristesse im Osten.......(das eher selbstironisch als Westler, und hoffentlich ohne Ressentiments zu wecken).
Michi

Silex

Das ist "Basis"arbeit im besten Sinne, a.k.a.  und michi. Der Kern steht -wie oft im Neolithikum- in bester jungpaläolithischer Tradition.
(Scheinbare Tristesse war nicht immer so- sie entsteht im modernen Menschen in Abwesenheit des Lärms und des Grellen-
war heute selbst im Nebel unterwegs und mengte meinen hinzu.
In meiner Oberpfalz öffnete man dem Sterbenden das Fenster auf dass die Seele entweichen könne......sie war der Hauch ....der Atem ...und wenn es kalt wurde kamen die Häuche zurück zu den Siedlungen....als Nebel ,die Seelen.
Das Bestreben der Heutigen ist es eine "Kulisse" zu instrumentalisieren.....zu benutzen...zu personalisieren.....das hast Du wunderbar gesehn. Dies kündet eben von der tiefen Kluft der wir uns gegenübersehen wenn wir der Landschaften und Nachlässe der Ahnen gewärtig werden.
Beim SUCHEN prallen wir an die Enden unserer Begriffe.....und an die Anfänge- der Sehnsucht (mein liebstes deutsches Wort....es wurde sogar exportiert)  nach Zusammenhang.)

Danke fürs Zeigen
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

fuchs

Hallo Michi,
soweit ich weiß, befanden sich die Schlagplätze nicht in den Behausungen, sondern ausserhalb, von daher können Schlagplatz und Keramik sehr wohl zueinander gehören. Ist ja auch logisch, sonst hätten die immer irgendwelche Abschläge im Fuß stecken gehabt!
Mehr kann ich dazu nicht sagen, in Material- und Formenkunde bin ich zu unwissend.

a.k.a. rentner

Hej Fuchs,
was die Schlagplätze betrifft, stimme ich dir voll zu. Ok, ein paar wirklich laienhafte Bemerkungen von meiner Seite dazu.....
Aber vielleicht muss man differenzieren zwischen Schlagplätzen in denen Vorarbeiten  a la Kerne, Rohlinge etc geschaffen wurden, und dem Schlagen des Endproduktes.(Ich weiß nicht ob das stimmt, aber zwecks Desinfektion wurden die Klingen, z.B. bei Schädeltrepanation direkt vor der Benutzung geschlagen (hab ich irgendwo aufgeschnappt,ebtl. eine reine nicht untermauerte Hypothese), eine Trepanation hingegen wohl kaum an einem Schlagplatz durchgeführt.
Desweiteren lassen sich ja auch aus eigener Erfahrung Kerne / Kernreste oft inmitten von Siedlungen auflesen.
Ich habe mal einen interessanten Text (weiß weder wo noch von wem) über den Transport von Flint (der ja nicht überall vorkommt )gelesen.
Ein Transport des unvorbereiteten Materials, hätte angesichts des Materialverlustes bei der Preparation der Vorprodukte, schlicht und einfach keinen Sinn gemacht.
Ich habe den Prozentsatz des Abfalls bei der Herstellung von Vorarbeiten leider vergessen, aber er war so hoch, daß das unnötig transportierte Gewicht (in Polen ist eine Distanz von 40 km im neol. Flint"handel" festgestellt worden, an dieses Detail kann ich mich noch erinnern) das verwendete Material irrsinnig übertroffen hätte.
ob das allerdings dem aktuellen Stand entspricht....
Ich möchte auch dem einen oder anderen Bandkeramiker unterstellen, daß er gerne im Winter mal am heimischen Herd seine Werkzeuge für die Jagd und Erntesaison gefertigt hat.
Aber Du hast wohl recht mit deinem Einwand, in der Regel werden die im freien  und nicht zwischen spielenden Kindern  gearbeitet haben.........
Die Überlegung kam einfach daher, daß die Klingenwerkzeuge lieber an der Kante, wie die Kerne, kommen, während oben runde Abschläge die Grundform der Kratzer bildeten......  
Und natürlich weil es eine wirklich enorme Dichte auf einer kleinen Fläche zu sein schien(!).
Und an dieser Uferkante habe ich auch noch so ein bestimmtes Gefühl im Magen, was das Material der Kerne und ein paar wenige bisherigen Funde, aus demselben material.....
Wahrscheinlich ist das doch der Siedlung zuzuordnen......danke, daß Du mich auf den Teppich der Tatsachen zurückholst.
Flint kommt dort übrigens natürlich, sowohl in vom Winde verschliffener Knollenform, als auch in grossen Knollen in -in  die Kante geschnittenen- nahen Gruben.
Danke Fuchs!

Lieber Edi
danke für die schönen Worte. Die Tristesse kam an diesem Tag außerdem vom grausigen Wetter, Mittags mitternächtlich, und vom Abbau des Restalkohols......und vom schlechten Gewissen sich nicht im Jetzt zu befinden und seinen Pflichten nachzugehen.
Michi

Marienbad

Moin Michi,

mich würde interessieren woher du die Info von den steinzeitlichen neurochirugischen Eingriffen und deren Desinfektion hast.
Du Schreibst:
(Ich weiß nicht ob das stimmt, aber zwecks Desinfektion wurden die Klingen, z.B. bei Schädeltrepanation direkt vor der Benutzung geschlagen (hab ich irgendwo aufgeschnappt,ebtl. eine reine nicht untermauerte Hypothese), eine Trepanation hingegen wohl kaum an einem Schlagplatz durchgeführt.

Wie wird eine Klinge beim Schlagen desinfiziert ?  :staun:
Sicher meintest du das im Innern der Flintknolle eine gewisse Keimfreiheit vorliegt und daher der Neurochirug die Klinge frisch geschlagen hat.
Das die Leute damals die Seelen oder Geister aus den Schädellöchern schlüpfen ließen ist mir bekannt, auch das möglichst steriel dabei
geschnippelt werden mußte. Die verwachsenen Knochen beweisen es ja, wie sauber opperiert wurde.

HG  Manfred   :winke:

steinsucher

Hallo Gemeinde,

auch wenn es nichts direkt mit den hier vorgestellten Funden zu tun hat, so habe ich einen Tipp für alle, die sich für die Kunst der Schädeltrepanation interessieren (und auch etwas Blut sehen können).

1991 drehte das ZDF eine Dokumentation darüber in der Serie "TERRA X". Unter den Untertiteln "Rätsel alter Weltkulturen" -  "Safari in die Steinzeit" entstand der Film "Die Schädelöffner der Kisii in Kenia".

Ich fand die Doku faszinierend und habe sie damals auf VHS aufgenommen. Die Kassette habe ich im letzten Jahr dann auf MPEG konvertiert (auf DVD) und freue mich heute, dass die Qualität über all die Jahre recht brauchbar geblieben ist. Das ZDF hat die Sendung leider in den letzten Jahren nicht wiederholt, vielleicht kommt es ja noch.

Grüße aus Heinsberg,

der Steinsucher.

a.k.a. rentner

Hej Marienbad, genauso wie du meintest. Über die Seriosität der Quelle kann man streiten, es war der Hansi, und dessen Quelle weiß nur er............
Michi

a.k.a. rentner

Hej Steinsucher, vielen Dank.
Ich werde mal im Internet suchen, ich denke es gibt Seiten die Dokus "archiviert" haben, selbst bei Youtube kann man Schätzchen entdecken...
Sollte ich es finden poste ich das Link.
Danke
Michi

fuchs

Hallo Michi,
vielleicht kann man über Material und Form der Werkzeuge weitere Schlüsse ziehen. Es kann ja durchaus möglich sein, daß der Platz zu verschiedenen Zeiten von unterschiedlichen Kulturen genutzt wurde.
Bei mir in der Umgebung hab ich schon Neandertaler und Eisenzeit an der gleichen Stelle gehabt, ebenso wie Michelsberg bzw Neolithikum  und Römer an mehreren Stellen, Mittelalter überall.
Siedlungsbegünstigte Plätze wurden immer wieder aufgesucht. Möglicherweise tauchen ja eideutig zuweisbare Funde auf, wenn der Acker abgeregnet ist. Ich drücke die Daumen. :super:

a.k.a. rentner

Ich werde diesen Winter leider keine Gelegenheit mehr haben, Fuchs.
Eher werde mich mit Herzinfarkt am Arbeitsplatz enden......
Trotzdem danke....dem Hansi geht es ähnlich, und er wird nicht vor Ende November zum Archäologen kommen.......
Michi