Kieselschiefer Zeug...

Begonnen von Nanoflitter, 09. Oktober 2014, 19:54:54

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Nanoflitter

Ich finde hier auf meinen vorwiegend neolithischen Fundplätzen hin und wieder vermeintliche Kieselschieferartefakte. Die wohl älter sein können.
Kann mit den Teilen so richtig nix anfangen. Bitte mal um eure Meinung. Das erste hat eine grob retuschierte Laterale, meine ich und hat an der gegenüberliegenden Seite was zum schneiden.
Das zweite hat eine merkwürdig ausgearbeitete :kopfkratz: Spitze.
Den Schiefer kann ich hier im alten Maingeröll als natürliche Brocken finden.
Was meint ich dazu?

Gruss...

Merle

Hallo ,

ich suche ebenfalls im Maingebiet und habe immer mal wieder Kieselschieferartefakte auf LBk- Siedlungen gefunden. Es war meist nicht zu klären ob sie aus der LBK stammen oder paläolithisch sind. Es gab Funde die von ihrer Patination her sehr "frich" gearbeitet wirkten, die habe ich als neolitihsch angesprochen (nach Rücksprache mit einem befreundeten Sucher). Vor wenigen JAhren entdeckten wir einen bis dahin unbekannten Bereich in dem wir Belege für eine lang anhaltende Besiedlung fanden, welche nach Rücksprache mit dem LDA wohl klassische Paläolithen beherbergte die in eine Zeit bis max. 15.000 v. Chr. reichen. Unter den Funden waren allerdings auch Kieselschieferartefakte jüngeren Datums wohl aus der LBK bzw. dem Jungneolithikum (unklar). Alles in allem habe ich den Eindruck, die LBKler haben immer mal wieder Kieselschieferartefakte gemacht, da er regional vorkommt, allerdings sind auch immer wieder Paläolithen dabei, nach meiner Erfahrung sogar der größerer Teil. Ebenso ist natürlich eine lange oder unterbrochene Nutzung/Beseidlung der meist jagdstrategisch sinnvollen Plätze denkbar.
Mein Fazit immer mitnehmen, gut anschauen und vergleichen und mit den Freunden diskutieren, weiter viel Erfolg

Viele Grüße merle

RockandRole

Servus Nanoflitter,

ich suche auch im Maingebiet und habe schon einiges an Kieselschieferartefakten auflesen dürfen. Merle hat recht, wenn er sagt, dass die Neolithiker das Zeuch auch verwendet haben. Es gibt z.B. einen Grabungsbericht über Buchbrunn da heißt es, dass ca 35% der lythischen Materialien aus Kieselschiefer waren. Das ist aber meiner Meinung eher die Ausnahme. Neolithische Artefakte aus Lydit sind auch schwer zu bestimmen, weil ja die Brucheigenschaften nicht so besonders sind, und sich typische Grundformen schwerer herstellen lassen.

Das fehlen der Patinierung von Kieselschiefer kann auch nur bedingt zu einer Altersbestimmung herangezogen werden, da selbst Palöolithen die nicht lange im Pflughorizont gelegen haben sowas von fresh aussehen. Ist das Artefakt jedoch patiniert, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass man was altes in den Händen hält.

Die häufigste Verwendung fand im Paläolithikum und im Mesolithikum statt. Habe einen Fundplatz der paläolithisch und mesolithisch datiert (bissl neolithisch) auf dem sind 90 % der Artefakte aus Lydit. Dieser Platz ist aber hauptsächlich ein Schlagplatz und hat vor allem der Rohstoffversorgung gedient.
Es finden sich dort Unmengen an Kernen und ´Produktionsabfall´ sowie einige wenige Werkzeuge.

Zu deinen gefundenen Stücken kann ich sagen, dass ich sie für Artefakte halte.
Beim ersten ist der Bulbus wohl nicht so ausgeprägt, aber einen Schlagflächenrest wage ich zu erkennen. Ich hoffe, das was du als grobe Retusche ansprichst, ist eine natürliche Störung im Gestein. Diese Klüfte hat man manchmal genutzt um den Kiesel das erste mal zu spalten. Hier hat es dazu geführt, dass gleich so etwas wie ein Leitgrad entstanden ist. Das gab Sicherheit für die nächste (diese) Abtrennung und hat eine weitere Präparation überflüssig gemacht.
Ob die Retuschen auf der scharfen Lateralen echte sind oder vom Pflug stammen kann ich von hier nicht beurteilen. Regelmäßig sind sie jedenfalls nicht, und ich sehe da 2-3 kleine Rostpunkte die ja immer misstrauisch machen sollten. Auch wenn die Retusche leicht weiß (von Aussplitterungen ) ist werde ich skeptisch. 

Beim 2. ist der Bulbus ja nicht zu übersehen, und es erinnert (mit diesen wenigen Bildern) leicht an einen geschulterten Bohrer. Das kann man aber sauschwer beurteilen, weil an der Spitze wieder eine natürliche Störung ist. Vielleicht würden Bilder von der anderen Seite helfen.
Solche Formen können aber auch Entrindungsabschläge sein die der Pflug gebeutelt hat.

PS Hey Merle, wir haben noch ein Date zusammen  :zwinker:

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Hallo, danke euch für eure ausführlichen Antworten! :super:
Ich will mal so weit ich kann, eure Fragen beantworten.
Die Schlagfläche beim ersten ist der rohe Kiesel. Keine Vorarbeit oder Präparation vorhanden.
Als grobe Retuschen meine ich die an der eher stumpfen Lateralen. die andere Seite ist nicht retuschiert.
Ich kann mal noch zwei Animationen anfügen. Besonders gut sind die aber nicht. Geht halt nur 110kb.
Also, vielen Dank nochmal, Männer!
Wo sucht ihr denn da am Main? :dumdidum: Nicht das wir uns auf die Füße treten...  :-) Bei mir ists allerdings ein Nebenbach..
Gruss...

RockandRole

Mosche

Ich sehe gerade, der 2. ist gar kein Entrindungsabschlag. Die Ankmationen sind super, wie wenn man es in der Hand drehen würde!! Bin mir jetzt ziemlich sicher beim ersten keine echte Retusche zu sehen. Das sieht schon wie heftige Einschläge von der Egge oder ähnlichem aus, und außerdem geht sie nach ventral.

Das 2. müsste ich echt mal in der Hand halten. Ist halt lyditisches Teufelszeuch

Ich laufe so irgendwo zwischen Veitshöchheim und Ochsenfurt  :-D hat sich mit der Zeit so ergeben dass das Gebiet so weit auseinander gezogen ist. Bin aber gerade auch fast nur auf neu entdeckten Plätzen unterwegs.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

dappeler

Danke fürs zeigen - beim Lydit bin ich nicht wirklich sicher, ob Arte- oder Geofakt,
weils so scharfkantig bricht...
Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

thovalo

Zitat von: dappeler in 11. Oktober 2014, 10:03:36
Danke fürs zeigen - beim Lydit bin ich nicht wirklich sicher, ob Arte- oder Geofakt,
weils so scharfkantig bricht...

Tatsächlich scheint der Gebrauch von Kieselschiefer an bestimmte Regionen in Deutschland gebunden zu sein. Im nicht mit Lagerstätten qualitätsvoller Silices verwöhnten Hessen ist das dann das weniger qualitätsvolle Material der Wahl gewesen. Geeignet ist es wegen der Spaltbarkeit und besonderen Härte. Es ging im Alltag ja um handwerkliche Brauchbarkeit und nicht um ästhetische Ansprüche. Im Schnitt wohl eher für Grobgeräte verwendet, selten nur für Pfeilspitzen mit feinerer Retuschierung und auch solche Artefakte gibt es in Hessen.

In meiner Region am rechten Niederrhein verwendete man als Material minderer Qualität die sogenannten Maaseier, die meist zu ad-hoc-Gerätschaften verarbeitet worden sind. Sehr selten aber auch vorhanden sind fein retuschierte Projektile WENN die Struktur des Silex eine Feinbearbeitung zugelassen hat und man über erhaltene Reste der Oberfläche den Silex auch als Maaseisilex identifizieren kann.

Ich denke zur näheren Identifizierung von Kieselschieferartefakten muss man sich mit der Zeit intensiver einarbeiten.
Und eher etwas ausschließen als zu schnell ein Objekt als Artefakt anzusprechen.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Danke euch allen für die ausführlichen Infos! :super: Leider kommt man um die Teile hier nicht Drumherum. Hier liegen teilweise Kindskopfgroße Brocken bis zum kleinsten Splitter davon auf den Äckern. Und die kleinen schwarzen sehen erst mal aus wie Flint. Deswegen stochert man an jedem Stück rum.
Ich werd mal weiterbeobachten, was da noch kommt. Was wie ein Artefakt anmutet, kommt in die Extrakiste, nebst Koordinaten.

Gruss und danke nochmal!

RockandRole

Sag doch nicht leider, es gibt auch sehr tolle Sachen aus diesem Material  :smoke:  Sogar bronzezeitliche Pfeilspitzen, Microlithen usw. Das Blau und Schwarz kann schon sehr edel aussehen.

Hier mal was von diesem Jahr...angeb.. :zwinker:  ist aber eher die Ausnahme dass man so eine Qualität im Schotter findet.

Da sieht man auch deutlich wie sich die alte Retusche von dem kleinen Einschlag von der Landmaschine abhebt. Ist auch so weiß gefärbt durch die Aussplitterung.

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Schönes Teil, man sieht deutlich, das der "Hacker" nicht dazu passt. Mir wurde vor kurzem ein Rückenmesser aus dem Material gezeigt. 
Ist eigentlich ein schönes Material...
Gruss und danke fürs Zeigen! :super:

Levante

Huhu,

hier mal mein schönstes Werkzeug aus Kieselschiefer.

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,34978.0.html

Die Bilder waren damals noch ..na...ja...  :dumdidum:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Nanoflitter

Danke, Levante! Um für das Zeug ne Bestimmung zu kriegen, muss man wirklich ein mit 100% Merkmalen eines Artefakts behafteten Fund machen, hab ich gerade hier gelernt...

Gruss..