Kernrest oder mehr?

Begonnen von StoneMan, 21. März 2013, 21:42:43

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StoneMan

Moin,

Fundort ist mein ergiebiger Acker auf Møn/DK, etwa 2,7 km von der Küste.
Beifunde vom Feinsten bis zur Dolktid.

Was meint ihr? Nur Kernrest oder mehr?
In älteren Büchern gibt es so etwas als "Kærnekniv" (Kernmesser), wobei hier sicher
der Begriff Messer/Kniv sehr weit gefasst werden muss.
Diese Geräte werden in die Ertebølle- Maglemose-Kultur datiert - ob das hier auszuschließen ist?

82 x73 x 30 (40) mm, 224 g

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

Hallo Jürgen,

kurze und breite Klingen wurden in Massen für die Pfeilschneiden (Tvaerpile) gefertigt.
En solcher Kern könnte es hier sein.

Wie ist denn die flache Seite (Bild 2) entstanden? Abschlag oder 'natürlich' abgesprengt?
Für eine Kratzerkappe sieht es mir zu grob belassen aus.

LG

Jan

StoneMan

#2
Zitat von: Steinkopf in 21. März 2013, 22:28:09
...
Wie ist denn die flache Seite (Bild 2) entstanden? Abschlag oder 'natürlich' abgesprengt?
...
Moin Jan,

dacht´ ich mir doch, dass ich Dich damit hinterm Ofen vorhole.

Ich tendiere zu einer Altfläche, natürlichen Ursprungs aber kein Frostsprung. Die Fläche
ist teils rubbelig, nicht plan - muss ich davon neue Bilder machen?
Auf diesem Bild 2 (flache Seite) ist auf ´2 Uhr´ eine große rezente (?) Beschädigung.
Das Fragezeichen deshalb, weil dieses Abschlagnegativ auch nicht wirklich frisch aussieht, die Kanten
dieser Aussplitterung sind verrundet (Binokular), es könnte beim Gebrauch weggeplatzt sein (?).

Mindestens an zwei Stellen finde ich Glanzpartien, etwa da wo mein Daumen liegt.

An Kratzerkappe denke ich auch nicht.

Sieh Dir einmal in "Jeg ser på Oldsager" auf Seite 46 die Abb.: 60 an.

Gruß

Jürgen

Edit/Nachtrag
@ll, leider kann ich diese Abb.: 60 wegen des © hier nicht veröffentlichen.
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

Nix hinterm Ofen - ich sitz an der Heizung und überlege, ob ich noch mal white christmas auflege.
Wenn dieser trostlose Winter nicht bald aufhört, kommen die Pharmahersteller mit Antidepressiva nicht mehr nach.

Aber zur Sache: Nr. 60 Kaernkniv ist wohl nicht weiter aktuell verwendet worden.
Bei Deinem Fundstück könnte die Breite der kurzen Klingen passend für Pfeilschneiden sein.

Das Rohstück hatte 'von Natur aus' die passsende Schlagfläche mit einem günstigen Winkel.
Das Ergebnis kann sich dann auch noch sehen lassen.

LG
Jan

CF

Hallo zusammen,

den Begriff Kernmesser habe ich noch nie gehört, ich sehe da einen Kern. Wie ist denn ein Kernmesser definiert?
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Steinkopf

Moin,

Eine dänische Typologie aus den 1960er Jahren (Jeg ser pa oldsager) setzte diesen Begriff,
der sich aber nicht durchgesetzt hat - vielleicht auch, weil es nur wenig Stücke gibt,
die in Kerntechnik aus einem rohen Stein zum Messer gearbeitet wurden.
(Analogie zum Kernbeil)

Jürgen wird es mir hoffentlich nicht verübeln, wenn ich in seinen Thread ein Fundstück
einstelle, welches dem nahe kommt. Es ist ein wenig abgerollt.

Dieses Stück - wenn man es denn als Messer interpretieren will - würde man
auch als 'ad hoc Werkzeug' bezeichnen können.

Möglich ist auch eine begonnene Arbeit mit ganz anderer Intention.

LG
Jan



StoneMan

Zitat von: CF in 22. März 2013, 09:31:25
Hallo zusammen,

den Begriff Kernmesser habe ich noch nie gehört, ich sehe da einen Kern. Wie ist denn ein Kernmesser definiert?
Moin Christian,

Du hast aber nicht überlesen, dass ich aus dem Dänischen > "Kærnekniv" < entnehme
Es ist somit kein Begriff den ich mir selber mache, lediglich von mir frei übersetzt.

Wie geschrieben in älteren Büchern "Kærnekniv". Und (!) der Begriff Messer/Kniv muss sicher
sehr weit gefasst werden muss.

Bei Interesse sende ich Dir das Bild mit der Beschreibung im Original.

.........

@ Jan, das ist gut möglich was Du schreibst, klingt plausibel - danke  :super:
Meine Zweifel hinsichtlich dessen dass die kurzen Klingenabschläge einen zu geringen (dünnen)
Querschnitt haben, habe ich selber ausgeräumt, mein Ahrenshooper Tværpil mit 3 mm Dicke würde
da noch reinpassen.

Bei mir war das Phänomen des "Erstgesehenen" im Spiel. Als ich in dem besagten dänischen Buch
diese Abbildung sah, erinnerte ich mich an meinen Fund, der bis dato Jahre als Kern im Archiv lag.
Nun wollte ich das abklären.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

Zitat von: Steinkopf in 22. März 2013, 10:57:54
Moin,

Eine dänische Typologie aus den 1960er Jahren (Jeg ser pa oldsager) setzte diesen Begriff,
der sich aber nicht durchgesetzt hat - vielleicht auch, weil es nur wenig Stücke gibt,
die in Kerntechnik aus einem rohen Stein zum Messer gearbeitet wurden.
(Analogie zum Kernbeil)
...
Moin Jan,

da nimmst Du meinen bisher unausgesprochenen Gedanken auf.  :super:

Peter Vang Petersen hat jedenfalls kein Kærnekniv in seinem "Flint fra Danmarks oldtid", das hatte
ich bereits nachgesehen.
Aber er hat einen öminösen "Knude" auf Seite 61/26, diesen "Klumpen/Knoten" beschreibt er als
unregelmäßige Kerne (?), die scheinbar keinem anderen Zwecke als zur Produktion einfacher Abschläge dienten, ...
[...]Unter Knude verbergen sich auch total verschrottete Aufspaltungen von Blöcken oder Beilen, dessen
ursprünglichen Charakter nicht mehr erkannt werden kann. << von mir frei übersetzt.

Nun, wenn es denn nur wenige gab, wie wir vermuten, und der Begriff nicht weiter verwendet wurde,
schließt das nicht aus, dass es sie dennoch so gab.


Natürlich kannst Du hier Bildbespiele einstellen.

Zitat von: Steinkopf in 22. März 2013, 10:57:54
...
Dieses Stück - wenn man es denn als Messer interpretieren will - würde man
auch als 'ad hoc Werkzeug' bezeichnen können.

Möglich ist auch eine begonnene Arbeit mit ganz anderer Intention.
...
Wird ja auch in der dänischen Literatur so belegt.
Einen "Kerncharakter" hat es aber nicht, wie ich meine, aber Du willst damit wohl
das 'ad hoc Werkzeug' ansprechen.
Und mit einem Kernrest kann sehr wohl auch eine Arbeit ausgeführt werden.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

CF

Hallo zusammen,

danke für das Vergleichsstück, jetzt verstehe ich, was damit gemeint ist. Scheint wirklich in der modernen Literatur nicht als Typ erfasst zu sein.

@ Jügen: Alte Literatur ist meist auch veraltet. Wenn darauf zurückgegriffen wird, ohne aktuelle Forschungsergebnisse zu berücksichtigen, kann das ein falsches Bild erzeugen, alte Fehleinschätzungen können sich so bis in die Gegenwart halten. Beispielsweise die "typische Holzkeule" des Neandertalers, die nie nachgewiesen wurde, aber noch heute bei der Bevölkerung fest im denken verankert ist.

Und keine Sorge, ich habe keine neue Wortschöpfung von dir vermutet. :winke:
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Kelten111

Für mich eindeutig ein Kern  :glotz: :glotz:

Danke fürs zeigen .

Mfg  :winke: :winke:

Saxaloquuntur

#10
Kern, klar. Schade, dass SF2 so unscharf ist. Scheint so, als könnte man eine "Funktion" aufgrund der Ausbrüche auf die (natürliche?, vielleicht eine Kluft?) Schlagfläche nicht von vornherein ausschließen.  Frage ist, in welchem Kontext so etwas auftaucht. Da wird der bloße Augenschein nicht so viel bringen und mit Hausmitteln alleine wird man nicht sicher festlegen können, welchen Ursprungs diese gewisse Zerrüttung der Abbaukante ist. Von Pingen kenne ich diese Art von  eingesetzten Kernen ( also was Sekundäres in der Ansprache) sehr gut, meist als temporär, kurzfristig eingesetzte Schlagsteine. Hier scheint es so zu sein, dass die ursprünglich scharfe Kante zum Einsatz kam und nach wenigen "Schlägen"/Stößen schon verworfen wurde. Die Idee hier von einem Messer zu sprechen kommt einem weiten Begriff von Messer sehr nahe, wie ihn glaube ich auch Fiedler benutzt. (hier:Stoßend, in Abgrenzung zu : ziehend, Skalpellschnitt usw..) Dafür müsste ein solcher Einsatz aber durch z.B. Gebrauchsspurenanalysen (wenn man Glück hat) zu belegen sein. Eine reine Vermutung/ Spekulation macht aus einem Kern noch kein "Messer", zumal wir es mit keinem bekannten Typus zu tun haben. Würde man den Gedanken konsequent zu Ende führen, der hier "spekuliert" wird, müsste prinzipiell jeder Kern als potentielles (unbenutztes) Messer an zu sprechen sein. Das ist sicher Quatsch. Ein verrolltes Kerngerät ist für mich kein geeignetes Beispiel hier eine Idee zu untermauern. Eine Funktion wird hier noch schwerer nach zu weisen sein. Saxaloquuntur.

Saxaloquuntur

Noch eine Frage nachträglich. Kernrest ist mir nicht geläufig. Dagegen wird mehr und oft von Restkern gesprochen, freilich mit unterschiedlichen Definitionen. Während das eine Lager davon aus geht, dass ein Restkern immer schon dann vorliegt, wenn auch nur ein einziger gezielter Schlag auf das Rohstück ausgeübt wurde....(um es von den Zielabschlägen ab zu grenzen) definieren Andere damit einen verworfenen Kern, der nicht mehr "abbauwürdig" war bzw. bei dem keine sinnvollen Abbauprodukte mehr möglich waren (Hindges/ Steckenbleiber, Trümmerbruch etc.) Wie würdet ihr in diesem Zusammenhang nun Kernrest definieren? Kommt der Ausdruck auch aus Dänemark? S.

StoneMan

Moin,

@ Saxaloquuntur,

zum Bild SF2 folgen demnächst, so hoffe ich, bessere Bilder.

Nur kurz zum Begriff  "Restkern/Kernrest", da magst Du recht haben, dass ´Restkern´ öfter verwendet wird.

Der Ausdruck kommt m. E. nicht aus Dänemark, in diesem Falle bin vom Forum geprägt.
Gib "Kernrest" hier in die Suchfunktion ein.
Sowohl im INDEX - STEINARTEFAKTE, als auch von Usern wird der bzw. werden beide Begriffe verwendet.

Ob wegen eines einzigen gezielten Schlages oder eines völlig abgebauten Kernes, sehe ich da außer dem
unterschiedlichen Sprachgebrauch keinen Unterschied, beide gebrauchten Kerne bzw. Reste wurden verworfen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

hargo

@Saxaloquuntur

Ein Restkern ist ein weitgehend vollständiger Kern, von dem aus diversen Gründen keine Grundformen mehr abgetrennt worden sind.

Ein Kernrest ist ein Fragment eines Kernsteines zur Produktion von Grundformen.

Die Definition stammt von J. Weiner.
Ich gehe davon aus, dass ich ihn richtig zitiert habe.

mfg

Saxaloquuntur

#14
Kernrest, Restkern, Kern... Index und Verwendung von Usern (letzteres führt hier zu gar nichts)...soweit schon klar. Die Frage ist aber, was damit gemeint ist. Will sagen, in welcher Wortbedeutung es verwendet wird. Das führt in diesem thread hier an dieser Stelle eigentlich zu weit, die Frage ob es ein Kernrest ist, ist deshalb für Meinereinen kaum zu beantworten. Nach meinem Wortverständnis und meiner morphologischen Auffassung müsste ich das verneinen. Nach meinem Verständnis ist es kein Rest, sondern ein Kern, vielleicht mit einer sekundären Verwendung. Diese Sekundärfunktion (?) würde ich anhand von Fotos offen lassen. Vermutlich auch, wenn ich das Ding in Händen hielte. Das analytische Auge hat seine Grenzen.

Um einen Kern genauer zu spezifizieren, näher an zu sprechen, ihn besonders morphologisch ein zu ordnen braucht es Indikatoren. Beispiel nach Schlagflächen, der Art und Anzahl von Schlagflächen, Art des Abbaus ... usw.

Restkern verwende ich bisher wie viele andere eher ungern und dann für Kerne, die aus den verschiedensten Gründen "nicht weiter abbauwürdig erscheinen" - aber das fest zu legen ist so eine Sache. Auf Flächen mit guter Rohmateriallversorgung ist das etwas anderes als weitab davon. Wann kann ein Kern als "verworfen" sicher an gesprochen werden? Das könnte auch ein Kern sein, bei dem die Klingen einfach nicht mehr lang genug waren usw. für andere Zielabschläge aber durchaus noch taugte...Vielleicht wurde er auch nur für "kleinere Arbeiten"beiseite gelegt usw. (Anders ist es mit Kerntrümmern, Fragmente von Kernen) Dazu fehlt bei Oberflächenfunden in der Regel jedweder Kontext. Man vermeidet daher diese Bezeichnung, weil sie sehr subjektiv ist in Bezug auf den Endzustand/Verwerfung.
Für die Ansprache als Kern ist der Zusatz "Rest" nicht notwendig.

Der Ausdruck Kernrest im Wortsinne macht für mich aber schon mehr Sinn um ihn von Kernen, nach dem Abbauprozess ab zu grenzen. Hier liegt die Betonung im Wortsinn auf Rest, Überbleibsel von etwas, nämlich von einem Kern und ist deshalb nicht immer so schnell als solcher zu erkennen/ man denke nur an opportunistische Abbauweisen. (Ein Rest ist nach diesem Verständnis das vorgestellte Ding aber nun wirklich nicht. Das hat dieser schöne Kern nicht "verdient" und als Rest wurde es offensichtlich auch nicht behandelt, sondern vielleicht als Werkzeug ein gesetzt.) Da kein Kern vollständig auf gebraucht wird bleibt letztlich ein Rest. Man mag mich jetzt für pedantisch halten, aber gerade über die Morphologie scheiden sich die Geister oft erbittert, weil die gemeinsame Sprache fehlt, tragischerweise oft obwohl beide dasselbe meinen. Saxaloquuntur.

Anbei ein Kern- da wurde aus welchen Gründen auch immer nicht mehr drauf geklopft, obwohl das Ding noch über 1 Kg wiegt. Der Grund ist die phantastische Grundversorgung- er kommt direkt von einer Pinge. Ein stattlicher Abfall.

Saxaloquuntur

#15
@ hargo: Satz 1- Was ist ein "vollständiger Kern?" oder meintest Du einen "vollständig abgebauten Kern?"- denn sonst passt der zweite Teil deines Satzes nicht zum ersten. Dann macht der Satz Sinn, aber die Aussage ist falsch. Nimmt man nur den ersten Teil und meint mit vollständigem Kern den Vollkern, dann ist der Satz schon fertig und richtig, aber der zweite Teil des Satzes falsch. Satz 2- weiß ich nicht. Edit, oder doch; Ein Kernstein dient natürlich immer der Produktion von Grundformen, ob aber der Ausdruck Fragment hier glücklich gewählt ist weiß ich nicht, weil ich keine Abgrenzung zu Kerntrümmern sehe. Ein Rest ist das letzte Stück einer sukzessiven Teilung. Damit eigentlich immer noch Kern. Oder sollen aus dem "Kernrest" Grundformen gewonnen werden?

Saxaloquuntur

CF

Hallo zusammen,

es gibt drei Klassifikationsgrundlagen für Kerne:

Vollkern: Rohmaterialeinheit mit Präparation, bei der keine Grundformproduktion erfolgte, also ein gebrauchsfertiger, unbenutzter Kern.

Restkern: Kern, von dem Grundformen abgebaut wurden. Der Grund der Aufgabe spielt keine Rolle.

Kerntrümmer: Kernfragment.

(Frei nach Joachim Hahn, Erkennen und Bestimmen von Stein– und Knochenartefakten, Archaeologica Venatoria, Band 10, Tübingen, 1991, S. 98 f)

Gelegentlich werden Stücke mit nur einem Probeschlag als angeschlagenes Geröll bezeichnet.

Das hier gezeigte Stück ist also ein Restkern, da eine weitere Modifikation als Werkzeug offensichtlich nicht vorliegt.
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

StoneMan

Zitat von: CF in 26. März 2013, 23:00:17
...
Das hier gezeigte Stück ist also ein Restkern, da eine weitere Modifikation als Werkzeug offensichtlich nicht vorliegt.
Moin,

bedarf so ein "Restkern" zwangsläufig eine weitere Modifikation um als Werkzeug Verwendung zu finden?
Die Abbauflächen ergeben doch bereits funktionsfähige Kanten.

Einen Gebrauch als Werkzeug ausschließen ist m. E. nicht offensichtlich.

Ich hatte weiter oben auf Glanzspuren hingewiesen. Des Weiteren sind im Übergangsbereich der
negativen Abbauflächen zur Cortex die Grate verundet bis poliert, so wie es vom intensiven Gebrauch
herrühren kann.



@ Saxaloquuntur,

danke für Deinen ausführlichen Beitrag zu "Kernrest, Restkern, Kern..."  , das hat mir sehr gut gefallen.  :super:


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

CF

Hallo Jürgen,

Zitat von: StoneMan in 27. März 2013, 00:27:58
bedarf so ein "Restkern" zwangsläufig eine weitere Modifikation um als Werkzeug Verwendung zu finden?

Eine Grundform muss nicht modifiziert sein, um als Werkzeug angesprochen werden zu können, wenn Gebrauchsspuren vorhanden sind, die belegen, dass die Grundform tatsächlich als Werkzeug verwendet wurde.

Zitat von: StoneMan in 27. März 2013, 00:27:58Die Abbauflächen ergeben doch bereits funktionsfähige Kanten.

Du meinst wahrscheinlich die Kante zwischen Schlag- und Abbaufläche. Klar, damit könnte man arbeiten. Allerdings waren Abschläge und Klingen die Zielprodukte, aus denen Werkzeuge entstanden. Restkerne sind Müll; tatsächlich als Werkzeug genutzte unmodifizierte Kerne sind durch Klopfsteine belegt.

Damit die Grundformen kontrolliert geschlagen werden konnten, wurde die Kante zwischen Schlag- und Abbaufläche vor der Abtrennung gestumpt, vielleicht siehst du das als Arbeitsspuren an?

"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Saxaloquuntur

Christian bringt es nach der gängigen/gebräuchlichen/wissenschaftlichen Klassifikation auf den Punkt. Ich habe lediglich versucht die gedanklichen Grundlagen aus zu führen, wie sie für mich nach vollziehbar sind.
Ein Kern ist ein Kern ist ein Kern.

Sehr aufschlussreich und klar beschreibt Floss in Steinartefakte, Kapitel der Habitus- eine Vermittlung zwischen Technologie und Typologie, , Seite 137, was die Gemüter hier bewegt und in seinem letzten Beitrag Jürgen deutlich zeigt.
Floss postuliert u.a. etwas das er in eine interessante Frage kleidet: "Ist es nicht eigentlich unsere (gemeint ist die der Wissenschaft) Aufgabe, Steinartefakte identifizieren und voneinander unterscheiden zu lernen, anstatt seltene Konkordanzen zum Allgemeingut zu erheben?" und er bringt gerade in punkto KERNE ein interessantes Beispiel:

"...Der in den letzten Jahren erbrachte Nachweis, dass es sich bei einigen vermeintlichen Werkzeugen de facto um Kerne handelt, z.B. die Kielkratzer, hat allerdings zu einer Verschiebung der Zuständigkeitsbereiche in Richtung der Technologie geführt.(Anmerkung: im Gegensatz oder in Konkurrenz zur Typologie)   Jedoch schließt die Identifizierung solcher Artefakte als Lamellenkerne nicht aus, dass man sie wie Kratzer zur Fellbearbeitung hat nutzen können. ( !) Auch wenn man postulieren kann, dass letztlich auch die Zurichtung von Werkzeugen ein technologischer Vorgang ist oder man umgekehrt behauptet, auch sämtliche technologischen Schritte brächten bestimmte Typen hervor, so möchten wir gegenseitige "feindliche Übernahmen" von Technologie und Typologie in Inhalt wie Begrifflichkeit ablehnen...Den Themenkomplex der Technologie möchten wir vornehmlich der Kerngestaltung und der Grundformerzeugung und die Typologie vornehmlich der Werkzeugherstellung angedeihen lassen. Die Modifikation einer Grundform oder eines Gesteinsvolumens durch Retusche, Stichelschlag, Flächenbearbeitung oder ähnlichen Vorgängen ist ausschlaggebend für die Bestimmung als Werkzeug, nicht aber der Gebrauch oder die Funktion ..... .....   Ausgenommen davon sind Artefakte mit markanten Gebrauchsspuren, wie etwa die ausgesplitterten Stücke. Generell gilt aber, dass s.B. ein unretuschierter Abschlag, dem die Gebrauchsspurenanalyse eine spezifische Nutzung nachweist ( ...dies ist bei dem vorgestellten Stück aber noch keinesfalls nach gewiesen, sondern wird vermutet...) deshalb noch lange nicht als Werkzeug zu bezeichnen ist, sondern als eine zwar genutzte, dennoch nicht weiter modifizierte Grundform."
Ein Kern ist ein Kern. Saxaloquuntur.

Saxaloquuntur

Guten Morgen christian, da haben sich unsere Beträge wohl gerade gekreuzt.Sax.

Saxaloquuntur

#21
Zitat Jürgen:
Bedarf so ein "Restkern" zwangsläufig eine weitere Modifikation um als Werkzeug Verwendung zu finden?
Die Abbauflächen ergeben doch bereits funktionsfähige Kanten.

Einen Gebrauch als Werkzeug ausschließen ist m. E. nicht offensichtlich.

@Jürgen. Das vorgestellte Stück ist im Typenkanon nicht als Werkzeug definiert.
Nach Floss bedarf es wie oben ausgeführt einer Modifikation um als Werkzeug an gesprochen zu werden.Da sehe ich aber einen gewissen Widerspruch, weil er markante Gebrauchsspuren davon ausnimmt in Bezug auf ausgesplitterte Stücke. Vielleicht ist der Ausdruck Widerspruch auch übertrieben, solche Feststellungen sind vielmehr geeignet Abgrenzungsprobleme zu schaffen, die es aber bei jeder noch so genau gemeinten Morphologie immer geben wird. Da drängt sich mir der Satz auf: Genauigkeit ist das Gegenteil von Klarheit. Sax.

StoneMan

Moin zusammen,
Zitat von: CF in 27. März 2013, 07:27:53
Hallo Jürgen,

Eine Grundform muss nicht modifiziert sein, um als Werkzeug angesprochen werden zu können, wenn Gebrauchsspuren vorhanden sind, die belegen, dass die Grundform tatsächlich als Werkzeug verwendet wurde.
Schön, da sind wir uns ja einig.
Eine Gebrauchsspurenanalyse könnte hierüber Aufschluss geben ob Gebrauchsspuren vorliegen.

Zitat von: CF in 27. März 2013, 07:27:53
Du meinst wahrscheinlich die Kante zwischen Schlag- und Abbaufläche. Klar, damit könnte man arbeiten. Allerdings waren Abschläge und Klingen die Zielprodukte, aus denen Werkzeuge entstanden. Restkerne sind Müll; tatsächlich als Werkzeug genutzte unmodifizierte Kerne sind durch Klopfsteine belegt.
Na klar, Zielprodukte waren Klingenabschläge.
Und genau diese Kanten die Du beschreibst meine ich; diese ergeben sich durch den Abbau und
am Ende bleibt "Müll" übrig, der (zufällig?) zu gebrauchen war, wenn ja, wurde er sicher verwendet.
Da spricht auch meine Handwerkerseele.

Zitat von: CF in 27. März 2013, 07:27:53
Damit die Grundformen kontrolliert geschlagen werden konnten, wurde die Kante zwischen Schlag- und Abbaufläche vor der Abtrennung gestumpt, vielleicht siehst du das als Arbeitsspuren an?
Vielleicht - vielleicht auch nicht? Ich denke es ist zuviel Spekulation.


Gruß

Jürgen
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Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

Zitat von: Saxaloquuntur in 27. März 2013, 07:52:12

[...]Die Modifikation einer Grundform oder eines Gesteinsvolumens durch Retusche, Stichelschlag, Flächenbearbeitung oder ähnlichen Vorgängen ist ausschlaggebend für die Bestimmung als Werkzeug, nicht aber der Gebrauch oder die Funktion...

Moin Saxaloquuntur,

so, oder so ähnlich habe ich es schon einmal gelesen.

Danke Dir noch einmal für Deine Ausführlichkeit und gründlichem Lesen.

Gern würde ich auch ausführlicher darauf eingehen, aber mein "Zweitjob" als Opi,
den ich mit viel Freude mache, lässt mir im Moment nicht die Ruhe dazu.

Schönen Gruß

Jürgen
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Antoine de Saint-Exupéry

Saxaloquuntur

#24
Es ist nicht unbedingt von Nachteil, wenn man die Grundlagen der Artefaktmorphologie mal irgendwo gelesen hat. :zwinker: Sax.

Kelten111

Ich könnte mir anhand der Form auch einen Hobel vorstellen , wen er auch Gebrauchsspuren zeigt die auf so eine verwendung deutet  :glotz:

Mfg  :winke: :winke:

StoneMan

Zitat von: Saxaloquuntur in 28. März 2013, 06:55:09
Es ist nicht unbedingt von Nachteil, wenn man die Grundlagen der Artefaktmorphologie mal irgendwo
gelesen hat. :zwinker: Sax.
@ Saxaloquuntur,

da stimme ich Dir völlig zu.

Und folgende allgemeine Glosse ist ganz ohne Polemik (da nicht von mir)  :dumdidum:
"Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei", (Stephan Remmler).

"Im Leben gibt es jedoch immer ein Wenn und Aber", (auch nicht wirklich von mir).
Was ist, wenn die Wurst angeschnitten ist? Ist der ´Anfang´ abgeschnitten oder das ´Ende´ abgeschnitten?

Darüber werde ich mir nicht ernsthaft den Kopf zerbrechen.  :nono:

Spaß beiseite.

@ Sax, Du schreibst wohlweislich, "...nicht unbedingt von Nachteil", genau deswegen stimme ich Dir zu.

Daher werde ich weiterhin J. Hahn, H. Floss et al lesen; denn wenn man sich dessen bewusst ist,
dass es immer mindestens zwei Standpunkte bei der Betrachtung einer Sache gibt, dann ist es so schnell
kein Nachteil wenn man die Grundlagen der Artefaktmorphologie liest.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

Zitat von: Kelten111 in 28. März 2013, 19:32:17
Ich könnte mir anhand der Form auch einen Hobel vorstellen , wen er auch Gebrauchsspuren zeigt die auf so eine verwendung deutet  :glotz:

Mfg  :winke: :winke:
Moin Fredi,

danke für die Anregung.

In dem oben bereits genannten, veraltetem, Buch "Jeg Ser På Oldsager" ist auf der selben Seite
auf der das Kærnekniv (Kernmesser) abgebildet ist, auch ein  "Høvlskraber" abgebildet.

Høvl = Hobel = Hobelschaber (Hobelkratzer/-Messer wäre sicher auch eine Option).

Wie ich oben erwähnte, muss man bei "Kærnekniv" den Bergriff "Kniv - Messer" sehr weit fassen.
Beim Hobel ist es nicht weit zum Messer, denn ein Hobel verfügt über ein Hobelmesser.
Alle Bergriffe wie z.B.  Messer, Kratzer, Schaber oder Hobel sind moderne Begriffe.
Ein weiteres Artefakt auf der ´betagten´ Seite ist ein Kølskraber = Kielschaber /-kratzer.

Mit allen drei Werkzeugen wurden lt. dem alten Büchlein, kratzende, schabende, schneidende
oder hobelnde Arbeiten ausgeführt.
Selbst mittels Gebrauchsspurenanalysen können diese Tätigkeiten nicht immer sicher festgestellt werden.

Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Furchenhäschen

Zitat von: StoneMan in 28. März 2013, 21:08:42
Moin Fredi,

danke für die Anregung.

In dem oben bereits genannten, veraltetem, Buch "Jeg Ser På Oldsager" ist auf der selben Seite
auf der das Kærnekniv (Kernmesser) abgebildet ist, auch ein  "Høvlskraber" abgebildet.

Høvl = Hobel = Hobelschaber (Hobelkratzer/-Messer wäre sicher auch eine Option).

Wie ich oben erwähnte, muss man bei "Kærnekniv" den Bergriff "Kniv - Messer" sehr weit fassen.
Beim Hobel ist es nicht weit zum Messer, denn ein Hobel verfügt über ein Hobelmesser.
Alle Bergriffe wie z.B.  Messer, Kratzer, Schaber oder Hobel sind moderne Begriffe.
Ein weiteres Artefakt auf der ´betagten´ Seite ist ein Kølskraber = Kielschaber /-kratzer.

Mit allen drei Werkzeugen wurden lt. dem alten Büchlein, kratzende, schabende, schneidende
oder hobelnde Arbeiten ausgeführt.
Selbst mittels Gebrauchsspurenanalysen können diese Tätigkeiten nicht immer sicher festgestellt werden. Gruß

Jürgen



Hallo Jürgen,
sorry
dann wurde der Kern aber auch nicht so genutzt.

Grüße
Peter

StoneMan

Zitat von: Furchenhäschen in 28. März 2013, 21:38:52
Hallo Jürgen,
sorry
dann wurde der Kern aber auch nicht so genutzt.

Grüße
Peter
Moin Peter,

mir liegen zwei Gebrauchspurenanalysen vor, in denen man sehr wohl nachlesen kann, dass es bei
einigen Stücken des Inventars nicht möglich war, diese oder jene Tätigkeit zweifelsfrei zu bestimmen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry