Hakkl

Begonnen von Silex, 21. Januar 2006, 23:03:16

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Silex

Servus Leute...Direkt vor meiner Haustür fand ich dieses Bruchstück in einer Raupenspur. Ein Autohaus hatte auf einem  von mir seit langem gemeldeten Bodendenkmalacker  einfach angefangen abzuschieben. Mit Genehmigung der vom LfD informierten Gemeinde. Vom Rest des Beiles konnte ich nur noch Steingries ernten den die Raupenketten zermahlen hatten-- hab den dann weggeschmissen.
Mit Genehmigung des LfD hab ich dann noch zwischen den Baumaschinen 3 Gruben im Höchststress ausgegraben(unter Missachtung aller wissenschaftlichen Mindestanforderungen).  Etliche Pfostenstandspuren konnten noch vermessen werden bevor es dunkel wurde ... und am näxten Tag waren 100 Kubik verschwunden......weil Montag   und ich auf Arbeit... das LfD schickte aus Kostengründen nur mal einen gestressten Grabungsmenschen vorbei - der "nichts erkennen konnte". (Meine Lesefunde reichten von der Steinzeit über Frühbronzezeit, Bronzezeit, Urnenfelderkultur,  Hallstatt- Frühlatene-Latene-Spätlatenezeit bis Früh-Hochmittelalter....)
So gehts inzwischen in Bayern zu....
Das Beilfragment ist das erste neolithisch-frühbronzezeitliche Arbeitsgerät das  rund um meinen Wohnort gefunden werden konnte. An einem ehemaligen Bächlein das seit den 50er Jahren schon tiefergelegt-verrohrt wurde. Wenn ich meiner Tochter einen Bach oder eine Quelle zeigen will dann kann ich ihr nur mehr Kläranlagenschnurstracksgräben zeigen- obwohl in einer 40 Jahre alten Karte noch 20 Quellen und 1 Dutzend Bäche eingezeichnet sind.
Was braucht der Mensch? Wasser und fruchtbaren Boden? Nein Autohäuser,Steckdose,Aldi und Verkehr...
Das werden wir bald bereuen. Manchmal kann ich den Una-Bomber fast verstehen.

Die "Grubenausgrabungsergebnisse" zeig ich mal später unter Keramikfunde
Gute Nacht

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Tomcat

In letzter Zeit habe ich immer mehr den Eindruck, dass unsere Generationen das endgültige Aus für den Großteil aller erhaltenswerten Traditionen, Landschaften, Sprach- und Lebensformen, Werte und Dinge bedeutet, die es bei uns noch gab.
Was dann bleibt ist eine Pseudokultur, eine Suppe aus wild zusammengewürfelten Elementen ohne Wurzeln.

Armut gilt in der Heimatkunde als Schutzfaktor, da mit begrenzten Mitteln nur ein Erhalten und in Funktion behalten in Frage kommt, kein zerstören und neu "Aufbauen".
Reichtum, oder eben das verzweifelte umsichschlagen zur Erhaltung des Vermögens, mündet hingegen meist in einer Entwurzelung.

Ich kann Dich gut verstehen.

Tomcat
Life burns!

Aurifer

moin

Tomcat bei 'kleineren' kulturen ist es doch schon so.
mir fällt da immer der bericht ein, indem ein canadischer indianer um hilfe für seine kultur bittet und währenddessen aus einer coladose trinkt ...


Silex

Danke Leute...
Pervers ist dass dort wo seit tausenden von Jahren Menschen ein Auskommen fanden und bis vor 10 Jahren Weizenfelder und Kartoffeläcker standen- ein Bach talwärts schmurgelte, jetzt Dutzende von Hektar mit Lidl-,Aldi, Netto-Globusparkplätzen samt Hallen  zubetoniert sind und Laster aus Polen ,Rumänien etc. Lebensmittel  und vor allem Unnützgüter anliefern während in der Innenstadt die landläufige Gewerbestruktur aufgegeben hat und leersteht.
Erst wenn Energie wieder so teuer wird dass eine gewisse Regionalisierung eintreten muss- ja dann wird man sich fragen dass es überall gleich ausschaut und dass man keine "Natur" (wenn man bei Äckern von  Natur sprechen kann)  mehr hat für den Fremdenverkehr, keine ausreichenden Ressourcen zur Eigenversorgung und keine Spuren aus der Vergangenheit um  die Identität der Region zu befestigen.
Die Ersten die diesen Prozess begannen waren - einschneidend aber noch ziemlich langsam- die Neolithiker und ihr Beil. Religionsforscher bezeichnen die neolithische Revolution ja auch als  "die Vertreibung aus dem Paradies" (Eingriff in die Natur- Eigentum- Arbeit-Familie- Scham)
Dass "mein" Beilchen von einer Raupe zermanscht wurde scheint mir fast wie ein kleines Symbol dass sich dieses System dem Ende zuneigt- und ein Zurück ist nicht möglich- solange der Kapitalismus nicht alles aufgefressen hat.
Kapitalismus ist z. B.: Wenn ein gebildeter Mensch- der sich für Kultur und Geschichte interessiert  mit seinem BMW Z3 500m zum Fitnesstudioparkplatz fährt, das Mountainbike  drangeschnallt. Nicht mal ahnend dass aufgrund seiner heute als normal  und sogar als erstrebenswert geltenden Perversität seine eigenen Wurzeln gekappt werden.
Das gehört natürlich alles gar nicht hierher- aber meine liebe Lebensgefährtin schaut grad Gottschalk- und Sie wollte mir nicht zuhören...
Her mit den Äxten und Beilen

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Gratian

Was hindert Euch das von Silex aufgezeigte Vergehen den Behörden offiziell zur Anzeige zu bringen und sie aufzufordern gegen den Bauherrn und den Bauunternehmer und die Gemeinde vorzugehen?  :belehr:

Archäos: Du hast doch sicher Beziehungen nach Bayern....  :idee:

Vieleicht könnte auch einer der anderen hier mitlesenden Archäologen tätig werden....  :idee:
Wäre doch ein Signal....

Bin gespannt was passiert.  :-D

Fürchte allerdings nichts.  :besorgt:

Wahrscheinlich sind wieder alle Mitglieder der gleichen Einheitspartei und des gleichen Stammtisches.  :heul:
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.