Flintbeil: Recycling oder Upcycling ?

Begonnen von Wiedehopf, 26. Juni 2022, 13:32:02

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Wiedehopf

Moin,

Gabi (Wiesenläufer) hatte hier kürzlich einen Klingenabschlag von einem Flintbeil vorgestellt, der aus dem Übergangsbereich zwischen Schmal- und Breitseite gewonnen wurde.

https://sucherforum.de/steinartefakte/recycling/

Das von mir hier gezeigte Beil (ein Altfund aus Seeland, Dänemark) trägt auf einer der beiden Breitseiten solche Abschlagnegative die teilweise auch von der Schmalseite ausgehen. Der ursprünglich vorhandene Schliff ist auf dieser Breitseite nur noch im hinteren Drittel, in Richtung Nacken erhalten.

Die andere Breitseite zeigt dagegen drei kurze harte Abschläge / Absplisse an der Schneide mit sehr ausgeprägten Wallnerlinien, der Schliff ist bis auf diese Stellen noch vollständig erhalten.

Die beiden Schmalseiten sind ungeschliffen.  Es handelte sich also ursprünglich wohl um ein dicknackiges Flintbeil vom Typ A  (PVP Nr 164 - 166).

Ich sehe hier zwei Möglichkeiten zur weiteren Geschichte dieses Beiles:

1. Recycling
Das Beil wurde durch einen harten Aufschlag an der Schneide zerstört und aufgegeben. Aus dem Rest hat man dann noch einige Klingen gewonnen, so wie in dem Beitrag von Gabi beschrieben. Die gewonnenen Klingen werden auf einer Seite Schliffspuren getragen haben.

2.Upcycling
Es wurde versucht das Beil zu einem neuen Typ umzuarbeiten und zwar zu einem quer zu schäftenden Hohlbeil (PVP Nr. 173 - 175). Dazu wurde die ursprünglich gerade Breitseite 1 mittels der Klingenabschläge ein eine leicht gewölbte Form gebracht, so wie sie für quer geschäftete Dechsel typisch ist. Aus diesem Grunde wurden die länglichen Klingenabschläge auch teilweise von der Schmalseite her ausgeführt.
Die drei groben harten Abschläge auf der anderen Breitseite könnten dann der Anlage der Hohlschneide gedient haben. Eine weitere Bearbeitung erfolgte darüber hinaus aber dann nicht mehr.

Viele Grüße
Michael
   
   

neolithi

Was für ein schönes und interessantes Stück!

Ich vermute deinen Lösungsvorschlag 1.
Die Klingenbahnen zeugen von schönen Klingen, die entstanden sind. Der Beilrest scheint mir zu kurz, um daraus noch eine andere Beilform machen zu wollen. Wozu die große Mühe? Dann hätte man doch lieber das abgebrochene Beil nachschärfen können. Und auch das schien dem Nutzer nicht mehr sinnvoll.

HG
Anke

hargo

#2
Moin,

wow, schwieriger als gedacht. Ich bin kein Nordlicht  :nixweiss:
Mein erster Gedanke war: Eine Planke, ein Beilhalbfabrikat des Nordens.
Allerdings zeitsparend einseitig geschliffen und an der Schneide sekundär nachretuschiert.
In der Regel wurden Halbfabrikate und Planken nur (bzw. "immer") mit einer geschliffenen Schneide ausgestattet (Weiner 2012).
Aber lasst euch von mir nicht irre führen.
mfg

StoneMan

Zitat von: hargo in 26. Juni 2022, 23:21:00
Moin,
...
Mein erster Gedanke war: Eine Planke, ein Beilhalbfabrikat des Nordens.
...
In der Regel wurden Halbfabrikate und Planken nur (bzw. "immer") mit einer geschliffenen Schneide ausgestattet (Weiner 2012).
Aber lasst euch von mir nicht irre führen.

mfg

Moin,

wir lassen uns von Dir nicht irreführen, auch nicht von J.W. wir klären Dich auf  :belehr:
Siehe > Planke für ein "Breitschneidiges Flintbeil" ohne geschliffene Schneide.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

hargo

#4
Zitat von: StoneMan in 27. Juni 2022, 00:17:28
Moin,

wir lassen uns von Dir nicht irreführen, auch nicht von J.W. wir klären Dich auf  :belehr:
Siehe > Planke für ein "Breitschneidiges Flintbeil" ohne geschliffene Schneide.

Gruß

Jürgen

Moin Jürgen,

vielen Dank für deinen interessanten Kommentar und die Korrektur.
Ich habe J.Weiner falsch zitiert.

Die geschliffene Schneide bezieht sich sicherlich nur auf Funde im Rheinland.
Beil-Halbfabrikate mit geschliffener Schneide bezeichnen wir hier als "Halbfertigfabrikate".

Und ja, das hat nun gar keinen Bezug mehr zu Michaels Fundstück : (
Was ist es denn nun?

mfg




mfg

StoneMan

Moin hargo,

isch han mir sowat schon jedacht, dat mittde Rhinland.

Et is ja nochma jut jejangen  :-D

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Wiedehopf

Hallo zusammen,

danke für eure Antworten.

@ Anke: Ja, ich denke du hast hier recht. Von mehreren Möglichkeiten ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen. Das mit dem umgeformten Beil (*) ist wahrscheinlich auch ein wenig Wunschdenken von mir.

@ Jürgen: Danke für die Verlinkung zu den älteren Berichten. Ich stöbere hier gerne auch ältere Beiträge durch aber auf den Beitrag zu der nordischen Flintplanke und die nachgelagerten Beiträge zum Moen-Aufenthalt war ich noch nicht gestossen.

@ hargo: Ich habe mal Planken mit angeschliffener Schneide aus Spiennes, Belgien gesehen. Sind es die, die du meinst ? 

* zu den Umformungen von nordischen Fintbeilen findet man eigentlich recht wenig in der Literatur. Dort sind meistens nur die typischen Exemplare abgebildet. Manchmal werden in diesem Zusammenhang als Klopfsteine weiterverwendete Fintbeile gezeigt oder Beile, bei denen der Nacken auf eine neue Schäftungsart umgedengelt wurde. Die einzige mir bekannte ausführliche Beschreibung dieses Phänomens sind die 'Studien zu neolithischen Flintbeilen' von C.J. Becker, Kopenhagen, 1973 in denen sehr viele verschiedene nachträgliche Umformungen von Flintbeilen systematisch beschrieben und abgebildet sind.   

Viele Grüße
Michael   

hargo

Zitat von: Wiedehopf in 29. Juni 2022, 09:26:02
Hallo zusammen,
...
@ hargo: Ich habe mal Planken mit angeschliffener Schneide aus Spiennes, Belgien gesehen. Sind es die, die du meinst ? 
...

Hallo Michael,

ja, das würde geografisch wohl passen.

mfg